Christvesper, 24.12.1976 Kosbach

 

Jes. 1,2.3

 

Herr unser Gott,

 

der du uns in Jesus Christus zu unserem Heil erschienen bist,

wir bitten dich,

erleuchte unsere Herzen und erfülle uns mit deiner Gnade durch unseren Herrn Jesus Christus, deinem Sohn…

 

Herr Gott,

lass uns wahrnehmen, was du uns durch die Geburt Jesu Christi zeigst, damit wir uns deiner Nähe trösten und begreifen, wie wir zusammengehören durch unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen

 

Liebe Gemeinde,

 

wir haben eben die Weihnachtsgeschichte nach dem Evangelisten Lukas gehört, Maria und Josef in Gedanken auf ihrem Weg nach Bethlehem begleitet, an das neugeborenen Kind in der Krippe gedacht, die Hirten vor uns gesehen, wie ihnen der Engel erschien, wie sie dann das Kind aufsuchten, voller Freude über den neugeborenen Heiland. Wir haben uns diese Erzählung in den Worten des Evangelisten vergegenwärtigt. Aber wir haben dabei gewiss auch die Begebenheit uns bildlich vorgestellt nach einem der vielen bekannten Bilder, oder auch nach der Krippe, die wir heut unter dem Weihnachtsbaum aufgebaut haben.

Fehlt nicht bei der Erzählung des Evangelisten, was für uns selbst verständlich zu Maria und Josef und dem Kind in der Krippe mit dazugehört – nämlich Ochs und Esel? Von ihnen steht im Evangelium nichts. Aber an einer ganz anderen Stelle der Bibel treffen wir sie an, nämlich gleich am Anfang des Buches, das den Namen des Propheten Jesaja trägt. Ich will den ganzen Spruch anführen: Jes.1,2.3 Wenn wir diesen Spruch hören, dann bemerken wir gleich: Ochs und Esel gehören zur Krippe dazu, nicht als Ausschmückung, um das Bild abzurunden, nicht um nur eben die Stimmung noch zu heben. Sie sind ein Zeichen, das uns sagt: Achtung! Passt auf!

Ochs und Esel werden ja genannt als Beispiele für das, was natürlich ist und selbstverständlich: Diese Tiere wissen, wohin sie gehören, wissen wer ihnen ihr Futter gibt, und danken durch ihre Anhänglichkeit. Wahrscheinlich habt ihr nicht Ochst und Ese zu Hause – aber vielleicht doch Hund und Katze, an denen ihr das studieren könnt, was natürlich ist und selbstverständlich. Sie sind ein Zeichen an der Krippe des Heilandes – Ochs und Esel - das uns auffordert: Achtung! Passt auf! Achtet gerade hier auf das, was natürlich und selbstverständlich ist – wenn ihr Ochs und Esel und Hund und Katze abschauen könnt!

Nun wissen wir wohl: Solche Zeichen wurden nicht überall aufgestellt; sonst hätten sie ja keinen Sinn. Sie stehen an gefährlichen Stellen einer Straße, dort, wo besondere Aufmerksamkeit notwendig ist. So ist das hier bei dem Kind, dem unser Weihnachtsfest gilt. Achtet auf das, was natürlich und selbstverständlich ist und sich anscheinend doch nicht von selbst versteht. Sonst bräuchte es dieses Zeichen nicht – „ein Ochse kennt seinem Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt es nicht, und mein Volk versteht`s nicht“

Was ist dieses Natürliche und Selbstverständliche, das sich anscheinend doch nicht von selbst versteht? Ich will das noch nicht in einem Satz fassen – gerade weil es natürlich ist und selbstverständlich, sollten wir es anschauen lernen. Dazu können wir uns ein Kind denken, einen kleinen Säugling. Das ist nicht schwer – jeder von uns hat schon so ein Kind gesehen – und wir lächeln, wenn wir uns über ein Kindlein beugen, und es sieht uns an, und vielleicht lächelt es zurück, uns zur Freude. Dann wissen wir es. Wir gehören zusammen! Und es braucht gar nicht das eigene Kind zu sein - jedes Kind kann dieses Gefühl in uns wecken, und diese Freude: Wir gehören zusammen. Ist das nicht ganz natürlich und selbstverständlich? So begegnet uns heute am Christfest Gott – als Kind, das uns zeigt: wir gehören zusammen. Und Ochs und Esel stehen dabei als Zeichen: Achtung! Passt auf! Überseht nicht, was natürlich ist und selbstverständlich!

Wie leicht das geschehen kann, erkennen wir, wenn wir hier noch ein paar Schritte weitergehen wollen: Wir denken uns das Kind in der Krippe wie unsere Kinder, weil es uns dann leicht wird, dem nachzufühlen: Wir gehören zusammen, Doch hier im Krippenkind erscheint Gott, der aller Menschen Schöpfer und aller Menschen Heiland ist. Wir gehören zusammen. Das muss dann auch von den Menschen gelten, die uns zunächst fremd erscheinen, die eine andere Farbe haben, gelb oder braun, oder schwarz. Wir gehören zusammen – achten wir darauf? Oder brauchen wir  da Ochs und Esel, Hund und Katze, damit wir nicht vergessen und übersehen, was doch natürlich und selbstverständlich ist.

Und noch in einer anderen Richtung sollten wir weiterdenken: Wenn uns ein kleines Kind anlächelt, wird es uns leicht, zu verstehen: Wir gehören zusammen. Aber was hat das Leben aus uns allen gemacht, die wir einmal Kinder waren, zutraulich und aufgeschlossen? Darf da dann jenes Gefühl aufhören – wo an Stelle des Zutrauens die Abwehr begegnet, die Verschlossenheit dessen, der die Enttäuschungen seines Lebens in sich verbirgt. Es ist erschreckend, wie leicht das geschehen kann!

Wir brauchen den Hinweis auf das, was eigentlich natürlich ist und selbstverständlich – und was sich doch nicht von selbst versteht. Ein Ochse  ..... versteht’s nicht.

Wir brauchen erst recht dies Kind – Gottes Kind. Jeder ist hier gemeint, und wo wir es vergessen – und uns vergessen und enttäuscht vorkommen: Gott vergisst uns nicht“ Wir gehören zusammen. Amen