Christvesper Kosbach 1992

 

Jes 57,18+19

 

Du, unser Gott, der du deinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt hast, um uns deiner Verheißungen gewiss zu machen, wir bitten dich, erfülle unsere Herzen mit deinem Frieden, damit wir dich loben und preisen, durch Jesus Christus, deinen Sohn, der unser Bruder geworden ist, damit wir dich als unseren Vater erkennen und deiner Liebe gewiss werden.

Amen.

 

Friede, Friede, denen in der Ferne und denen in der Nähe – spricht der Herr! Gerne hören wir das, bedrängt von dem Unfrieden ringsum – weit weg, in Kambodscha, oder etwas näher schon in Somalia, oder in Bosnien und mitten unter uns. Und er redet eindringlich vom Frieden, in Gottes Namen kündigt er ihn an, diesen Frieden – der Prophet. Und wir haben den Gesang der Engel noch im Ohr aus dem Weihnachtsevangelium: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Wir hören sie gerne, diese Verheißung des Friedens, eindringlich und einprägsam: Zweimal ist da im Namen Gottes angesagt: Ich will sie heilen – diese heillose und kranke Welt mit ihren heillosen und kranken Menschen.

Wir hören das gerne – bedrängt von der Friedlosigkeit, die wir rundum wahr nehmen und die sich in unser Herz einschleichen will: Was sollen und können wir denn tun? Gerne hören wir es, und wissen doch ganz genau: Auch dieses Weihnachtsfest bringt den ersehnten Frieden nicht. Auch dieses Weihnachtsfest ist allenfalls ein kurzes Innehalten, ein Augenblick des Aufatmens und der Besinnung. Aber bleibt er nicht ein Traum, dieser Friede? „Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr; ich will sie heilen.“ Gerne hören wir es – denn wir alle sehnen uns ja nach solchem Frieden. Aber helfen sie uns denn, diese Worte? Können sie die Friedlosigkeit bannen – wenigstens jetzt, an diesem Tag, in dieser Stunde?

Ich muss da mit Ihnen einen Schritt zurück gehen in diesem Wort des Propheten, muss auf das Mittelstück dieses Wortes besonders hinweisen. Da heißt es: „Denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen.“ „Frucht der Lippen“ – das ist ein bildhafter Ausdruck, wie er immer wieder in der Bibel vorkommt: Gottes Lob ist da gemeint. Wie ein Baum im Herbst voller roter Äpfel hängt, so werden ihre Lippen voll sein von den Worten, die Gott loben, werden überfließen von den Melodien und Liedern, die sich an ihn richten. Ihre Lippen? Sind es nicht unsere Lippen, die wenigstens heute voll sind von solcher Frucht, voll von den Worten und den Melodien unserer Weihnachtslieder: „Lobt Gott, ihr Christen alle gleicht in seinem höchsten Thron!“, so haben wir es eben gesungen und dieser Gottesdienst an Heilig Abend, er ist mir gerade deshalb so besonders lieb und wert, weil ich da zuhören kann bei solchem Singen und Loben, den Instrumenten und dem Chor und erst recht, weil ich da einstimmen kann in solches Singen, aus vollem Herzen: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit.“

Gerne hören wir das: „Friede, Friede, denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr; ich will sie heilen.“ Und will mir die Friedlosigkeit, in der Ferne und in der Nähe, wie sie uns alle bedrängt, ins Herz eindringen: Da hilft es wohl, Gott zu loben. Mit einem Weihnachtslied ihn zu loben, oder mit einem Osterlied – oder auch mit jenem wunderbaren Ewigkeitslied: „Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelszungen, mit Harfen und mit Zimbeln schön. Von zwölf Perlen sind die Tore, an deiner Stadt wir steh’n im Chore der Engel hoch um deinen Thron. Kein Aug’ hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude. Des jauchzen wir und singen dir das Halleluja für und für.“ Mitten drin sind wir mit solchem Loben in dem, was der Prophet uns da zusagt im Namen Gottes: „Denen, die da Leid tragen, will ich Frucht der Lippen schaffen.“

Gewiss, ich kenne den Einwand genau, der da dann kommen kann – der mir selbst doch auch nicht fremd ist: Macht ihr euch da nicht bloß etwas vor? Machst du dir da nicht bloß etwas vor? Ist nicht das ganze Weihnachtsfest bloß die Illusion derer, die mit der Realität des Unfriedens und der Heillosigkeit nicht fertig werden? Darum feiern wir doch Weihnachten, weil das keine Einbildung ist. Darum feiern wir Weihnachten, weil solche „Frucht der Lippen“, solches Singen und Loben die Antwort ist auf das, was Gott selbst getan hat, um uns gewiss zu machen: Dieser verheißener Friede ist keine Einbildung, ist keine Illusion. Gottes Wort steht für diesen Frieden ein. Denkt noch einmal an die Weihnachtsgeschichte, an das, was den Hirten begegnete. Da ist der Engel, der ankündigt, was geschehen ist: „Fürchtet euch nicht ..... welcher ist Christus der Herr.“ Das ist der Anfang, auf den erst die Antwort kommt – die der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Und unsere Antwort: „Lobt Gott ihr Christen alle gleich in seinem höchsten Thron, der heut schleust auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn.“

Gerne hören wir sie, die Verheißung: Friede, Friede denen in der Ferne und denen in der Nähe, spricht der Herr.“ Wie das Morgenrot den kommenden Tag anzeigt, so zeigt Jesus Christus den Frieden an, den uns Gott verheißen hat. „Zieh’ uns zu dir.“ Amen.

 

Du unser Gott, heile uns mitsamt unserer kranken Welt und bring uns deinen Frieden. Lass du die Menschen, die einander Feinde geworden sind, erkennen, dass wir alle deine Kinder sind. Wehre dem Hass und der Angst unter uns, damit wir einander gerne begegnen mit deiner Güte. Wir bitten dich für alle, die es in diesen Festtagen besonders schwer haben, weil sie einsam sind, krank, in Trauer, ohne Hoffnung und Vertrauen. Nimm von ihnen, was sie quält, und schenke ihnen Zuversicht und Freude.

Herr, wir warten auf dich. Komm und erfülle in uns, was du uns durch Jesus Christus verheißen hast. Amen.