Christvesper 1984 Kosbach

 

Sprüche 13,12: Die Hoffnung, die sich verzieht, ängstet das Herz; wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens.

 

Herr, unser Gott, der du deinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt hast, damit wir in ihm das Leben haben, wir bitten dich, erfülle unsere Herzen mit deiner Freude und gib uns deinen Frieden, durch Jesus Christus, deinen Sohn, der unser Bruder geworden ist, damit wir mit dir leben können. Amen.

 

Er hat recht, dieser Spruch: Wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens. Weihnachten ist gekommen – für manchen fast zu schnell, wenn es mit den Vorbereitungen nicht so gelaufen ist, wie das geplant war. Wahrscheinlich sitzt manche Hausfrau und Mutter hier, die noch außer Atem ist und denkt: Ein paar ruhige Tage zur Vorbereitung haben mir doch gefehlt. Für manchen hat es fast zu lange gedauert. Ich weiß, wie endlos sich die Wochen vom Advent zum Heiligen Abend hingezogen haben in meinen Kindertagen; und das wird heute nicht viel anders sein. Aber da ist ja dann der Adventskalender, an dem sich's absehen und abzählen lässt, dass kommt, was man sich herbei wünscht. Es ist gekommen. Weihnachten, und was der Spruch hier als Bild für die Freude nennt, wo sich eine Hoffnung erfüllt, - das ist ein Baum des Lebens - , das stellen wir uns in die Stube: den Christbaum, den Lebens- und Lichterbaum als Sinnbild der Freude.

Er hat recht, dieser Spruch: „Wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens.“ Doch ist dieses Fest, das wir feiern, wirklich diese erfüllte Hoffnung? Erwartung und Festfreude ist doch bei uns Alten schon recht dünn geworden und kann sich allenfalls noch den einen Heiligen Abend halten. Und viele halten es gar nicht mehr aus, dieses Fest, laufen ihm davon. Ich kenne einige solche – ich will es einmal so sagen – „Weihnachtsgeschädigte“, denen gerade dieses Fest auf die Nerven geht: Ein fauler Zauber, meinen die, den man nicht mehr mit machen kann! Den einen Abend, da macht sich doch jeder bloß etwas vor. Da reden sie alle von Frieden und Freundlichkeit und Menschlichkeit. Da spielt man ein harmonisches Familienleben. Da läuft die alte Platte mit den Weihnachtsliedern ab und soll Stimmung machen. Aber ist das alles echt? „Wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens.“ – Ist das mit unserem Weihnachten nicht genau so wie mit den Christbäumen, die in ein paar Tagen vertrocknet sind und auf den Müll kommen?

Vielleicht müssten wir doch mit den ersten Teil unseres Spruchs beginnen: Die Hoffnung, die sich verzieht, ängstet das Herz – und könnten da dann leicht noch das Sprüchlein dazu setzen: Hoffen und Harren macht manchen zum Narren? Stimmt vielleicht eher das? Und ist unser Feiern heute wie jedes Jahr nur ein bisschen Illusion?

Nun, ich lasse mir dieses Fest nicht nehmen. Und die sich als Weihnachtsgeschädigte um diese Feier drücken, tun mir leid. Denn es ist ein gutes und notwendiges Stück Leben, solch ein Fest, das niemand fehlen sollte. Und es hat ja eine Grund, unser Fest, dies Weihnachten, das wir miteinander feiern. Das Evangelium von der Geburt Christi, und die Weihnachtslieder sagen und singen davon. Und was da gesagt und gesungen wird, das ist erfüllte Hoffnung, und nicht ein fauler Zauber. Freilich, das lässt sich nicht einfach so behaupten. Vielmehr gehört dann schon unser Leben selbst mit dazu, wenn nicht nur der erste Teil unseres Sprüchleins gelten soll, sondern gerade der zweite Teil: „Die Hoffnung, die sich verzieht ängstet das Herz; aber wenn kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens.“ Dreierlei will ich dazu nennen. Einmal das, was wir tun können, und darum nicht aufschieben und erst recht nicht lassen sollten. Jeder von uns weiß, wie hart und beschwerlich das Warten sein kann. Und wir warten und hoffen ja nicht nur selbst auf dies und das, auf diesen und jenen Menschen. Wir können und sollen das jetzt einmal umdrehen: Da sind andere, die auf uns warten, hoffen, vielleicht schon lange – und vielleicht ängstet sich da auch mancher, weil das nicht geschieht, worauf er hofft. Ob es das nicht gibt? Es mag da jeder sich überlegen, wo er erwartet wird: Sein Besuch, ein Brief, ein Anruf, ein Dank oder eine Freundlichkeit. Da kann jeder ein Stück weit dafür einstehen: Wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens. Daran will ich zunächst erinnern, an dies, was jeder tun kann, und darum gewiss nicht lassen und auch nicht aufschieben sollte.

Weiter will ich von dem reden, was wir einüben können. Selbst etwas tun, das kostet vielleicht einmal ein bisschen Überwindung. Aber es ist nicht so schwer, wie das Andere: Beim rechten Hoffen und Warten bleiben. Da kann sich einer leicht vertun. Darum sollten wir es einüben, die Hoffnung aus den Gedanken in die Augen zu bringen. Es kann sich einer vielerlei ausdenken, und zusammen träumen und erhoffen – das kommt nicht. Wären die Hirten von Bethlehem damals solche Träumer gewesen, dann hätten noch so viele Engel Bescheid geben können – sie hätten doch den Heiland nicht in der Krippe gesucht und gefunden. Ein König, ein Herrscher, ein Held – das denken wir uns anders. Aber da ist die Erfüllung und alle anderen Gedanken hätten sie nur abgehalten, zu sehen, die Geschichte zu sehen, die da geschehen ist! Das können wir einüben – im Kleinen und Stück für Stück uns zeigen lassen, wie uns Gott freundlich entgegen kommt, Tag für Tag.

Das ist schon schwerer, die Hoffnung aus den Gedanken in die Augen zu bringen. Aber wir können es einüben. Wer nicht blind durchs Leben stolpern will, der lernt dann, wie Gott uns freundlich entgegen kommt.

Ich nenne nun aber noch ein Drittes. Vielleicht ist das am schwersten; aber gerade darum ist es besonders nötig. Was wir tun können und also nicht lassen sollen, und was wir einüben können, das reicht nicht weit genug. Es braucht das, worum wir nur bitten können. Die Gewissheit, dass dies Leben hier, mit seinem Tun und mit seinem Hoffen, sozusagen offen ist: Offen so, dass es nicht aufgeht in dem, was wir jetzt tun und erhoffen. Dass es vielmehr von Gott her kommt und zu Gott hin geht. So wie dies Kindlein, dessen Geburt wir heute feiern, von Gott herkommt und zu Gott hingeht. Wir erbitten diese Gewissheit und dürfen sie erbitten – erst dann lässt sich wirklich und wahrhaftig sagen, dass unser Spruch recht hat, und uns erklären kann, was wir heute feiern.

 

Herr, unser Gott, mach du unsere Hoffnung stark und lass uns tun, was dir gefällt. Führe unser Leben nach deinem Willen durch deinen Geist.

Wir bitten dich um den Frieden in dieser Welt. Gib du den Herrschenden Einsicht und guten Willen, dass sie sich verständigen zum Wohl aller Menschen.

Wir bitten dich für alle die, die es an diesem Abend besonders schwer haben, weil sie einsam sind, krank, in Trauer, weil sie nicht hoffen können. Nimm du die Angst weg und schenke dafür Hoffnung und Freude.

Herr, unser Gott, unser Leben kommt von dir und geht zu dir. Führe du uns nach deinem Wohlgefallen. Amen.