Pfingsten 26.5.1985  Wilhelm-Löhe-Gedächtnis-Gemeinde, Fürth

100,1-3               Jauchz, Erd und Himmel

Intr. 12

98,1-3                 Komm, Heiliger Geist

99,1-4                 Nun bitten wir

Apg 2,1-18   Joh 14,21-27

 

Liebe Gemeinde!

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Das wissen wir von klein auf, und feiern es Jahr für Jahr, zu gut wir das eben können. Aber Pfingsten ist genauso das Fest des Wortes Gottes. Das ist Vielen nicht so klar. Beides gehört zusammen, der Geist und das Wort. Und unser Evangelium schärft uns das ein, damit wir es ja richtig verstehen können: Im Wort hat uns Christus seinen Frieden gelassen. Und der Tröster, der Heilige Geist, lehrt uns dies Wort, dass wir es ja recht behalten und so im Frieden Christi bleiben.

Mit diesem letzten fange ich an, weil das ein bekanntes Wort ist, manchem geläufig und vertraut: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch ....“ Im Wort gibt er uns den Frieden. Dieses Wort weist auf ihn hin, erinnert an ihn, damit wir ihn ja nicht vergessen: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben ....“ „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ „Ich bin das Licht der Welt; Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis ....“

Trauen wir diesem Frieden? In seinem Wort hat er ihn uns gegeben. Wohl, den Frieden brauchen wir, Ruhe in der Hektik unseres Lebens, Stille im Lärm unserer Welt, Sicherheit in den Ängsten, die auf uns einstürzen. „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht:“ Ob diese Mahnung fruchtet? Ob wir das wahrnehmen können, wie da der Friede ist? Ob nicht bloß der Traum vom  Frieden bleibt? So, wie wir’s mit dem Volkslied vom Lindenbaum singen: „Die kalten Winde bliesen ....“ In seinem Wort hat er uns den Frieden gegeben. Trauen wir diesem Frieden?

Das ist keine Frage, denn, wenn wir kapiert haben, warum beides zusammen gehört, der Geist und das Wort, das Fest des Geistes und das Fest des Wortes: „Der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch erinnern alles das, was ich euch gesagt habe.“ Wir sind dabei, wir haben sein Wort. Das ist nicht wenig! Auf meinem Schreibtisch liegt ein Brief meiner Mutter, den sie mir vor Jahren einmal geschrieben hat. Er erinnert mich an sie, die nun schon über zwei Jahre tot ist. Ich nehme ihn immer wieder einmal vor, lese ihn, sehe die vertrauten Züge ihrer Schrift, und kann Zwiesprache mit ihr halten. Solche Erinnerung ist möglich, wo einer das Wort hat und behält – so, wie es Anfang unseres Evangeliums gesagt ist: „Wer meine Gebote hat und hält, der ist’s, der mich liebt.“ Freilich: Die tote Mutter, die ich mit den Worten ihres Briefes in meine Erinnerung hole, die rückt immer weiter weg. Manches hätte ich sie zu fragen; vieles wollte ich ihr gerne erzählen. Aber das ist vorbei. Geblieben ist da bloß die Erinnerung.

So ist es nicht mit dem Wort, in dem uns Christus seinen Frieden gelassen hat. Denn der lebendige und lebensschaffende Geist lehrt uns dies Wort immer neu verstehen, so wie wir es brauchen. „Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles das, was ich euch gesagt habe.“ Da ist dann die Nähe Jesu Christi nicht bloß Erinnerung, eine gedachte Nähe, Wunsch und Sehnsucht, die doch nicht herbei bringen, was einer wünscht: Die Ruhe, den Frieden. Vielmehr: „Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist’s, der mich liebt. Wer mich aber leibt, der wird von meinem Vater geleibt werden, und ich werde ihn lieben, und werde mich ihm offenbaren.“

Genau hingehört: Im Wort hat uns Christus einen Frieden gelassen, und der Tröster, der Heilige Geist, lehrt uns dies Wort! Wir brauchen nicht anzufangen, jetzt dies zu versuchen und jenes uns vorzunehmen, um ja uns die Liebe des Vaters und Jesu Christi auch ganz gewiss zu verdienen. Seine Gebote, die wir haben und halten, sind nichts anderes als eben dies, wovon wir von Anfang an geredet haben: Seine Worte, die wir behalten, an die wir uns erinnern, durch die wir uns belehren lassen. So kommt er uns nahe, so wird er  uns sich offenbaren. Mit diesen Worten ist es nicht wie mit dem Brief meiner Mutter: Vertraut ist er mir und zugleich doch fern und ferner mit jedem Tag und jedem Jahr, seit sie von uns ging. Er zeigt sich, und gerade so haben wir seinen Frieden.

Liebe Gemeinde! Ich wollte, ich könnte Ihnen bloß die vertraute Pfingstgeschichte erzählen, und wir könnten jubeln, wie das Pfingstlied des Ambrosius Blarer, mit dem wir den Gottesdienst begonnen haben. Aber damit würde ich Ihnen die Wahrheit schuldig bleiben, von der da die Rede ist. Wir müssen nämlich noch einmal ansetzen mit unserem Nachdenken, wenn wir es recht verstehen wollen, was uns da gesagt wird. Im Wort hat uns Christus seinen Frieden gelassen. Und der Tröster, der Heilige Geist lehrt uns dies Wort, dass wir es ja recht behalten und so den Frieden Christi haben. So aber können wir gerade der Liebe des Vaters gewiss werden. Zweimal ist davon die Rede in diesem kurzen Textabschnitt, dass wir es ja nicht übersehen und vergessen: „Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ Und wieder: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Das ist der Friede, den Jesus uns in seinem Wort gelassen hat, den uns der Tröster lehrt, indem er uns an das Wort Jesu erinnert: Die Gewissheit, dass uns der Vater liebt.

Solange wir dabei noch an einen fernen Gott, weit weg über den Wolken in der Tiefe des Himmels denken, fällt es  uns wahrscheinlich gar nicht auf, was da gesagt ist – Trost  und Hilfe, gerade weil es so gewaltig und erschreckend ist, dass wir hier die Mahnung ganz besonders nötig haben: Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Doch der, von dem Jesus hier als von dem Vater redet, das ist der nahe Gott. Er ist dir nahe wie dein eigenes Herz, wie das pulsierende Leben. Von innen und außen umgibt er dich, der Schöpfer, der Regierer, der Herr dieses Lebens und dieser Welt. Vielleicht fällt es uns sogar da nicht schwer, die Liebe des Vaters anzusehen, aufzunehmen und zu ergreifen, wo es uns glückt im Leben. Wo wir gerne dabei sind, in diesem schönen Frühsommer. „Geh aus mein Herz ....“ Da ist es gut und leicht zu sagen: Gott, der Vater, er leibt mich. Und gewiss ist schon das groß und wunderbar, wenn einer nicht bloß in den Tag hinein lebt, sondern dieses Leben in jedem Atemzug seinem Gott verdanken kann.

Aber, nicht umsonst heißt der Geist der Tröster: Er hält uns beim Wort Christi fest  und lässt uns auf seinen Frieden trauen, wo das schwerfällt. Noch einmal der Brief der Mutter und ihr Leichentext aus dem 118. Psalm. Sie hat ich auswendig gelernt, und mit ihm gelebt. Sie ist mit ihm umgegangen in Sorgen und Ängsten. Der Vater liebt ihn – wer mein Wort hat, wer meine Gebote hält. So kann das dann aussehen: Wenn es schwer wird, ja zu sagen zu Gottes Liebe. Dann ist der Friede da in solch einem Wort. So ist’s gemeint: „Ich bin der Weg ....“ „Ich bin das Brot ....“ „Ich bin das Licht ....“

Herr Jesus Christus: Dir danke ich für den Frieden in deinem Wort. Lass mich dies Wort lernen und verstehen. Heiliger Geist, du Tröster, erinnere mich an die Worte meines Heilandes, wo ich gerne dabei bin, dass ich nicht vergesse, wenn ich zu danken habe, und wo ich erschrecken will. Herr Gott, himmlischer Vater: Du liebst mich, des bin ich gewiss!“ Pfingsten ist das Fest des Geistes: Aber gerade so ist es das Fest des Wortes. Am Wort macht es uns Freude, dass wir Frieden haben.