18.n. Trinitatis
19.10.03
Thomaskirche Erlangen
155,1-4 Herr Jesu Christ
732 Psalm 1
397,1-3 Herzlich lieb
295,1-4 Wohl denen
421, Verleih uns Frieden
Röm 14,17-19
Mk 12,28-34
Unser Gott,
du hast uns erschaffen und erhältst uns in deiner Treue.
Lass uns dein Tun erkennen und gib uns deinen Heiligen Geist, dass wir dich von
Herzen lieben, wie sich's gebührt. Durch unsern Herrn und Bruder, Jesus
Christus, deinen Sohn, der mit dir …
Gott du bist uns zuvor gekommen mit deinem Tun führst uns in
deiner Barmherzigkeit zu dem Ziel, das du uns in Jesus Christus bestimmt hast.
Dafür danken wir dir. Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in
aller Welt. Mach sie zur Zeugin deiner Wahrheit und hilf du deine Liebe weiter
zu sagen und weiter zu geben. Wir bitten dich für die Völker und Staaten, für
alle Menschen, die Gewalt erleiden und alle, die Macht ausüben. Lass allen
Menschen ihr Recht zuteil werden. Gib du den Frieden, der Gewalt und
Gegengewalt überwindet. Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit,
Heimat und Anerkennung. Bewahre deine Geschöpfe vor Ausbeutung und erhalte uns
und unseren Kindern die Fülle des Lebens. Besuche die Einsamen und Kranken,
geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden. Du bist unsere Hoffnung, verlass
uns nicht. Amen.
Sündenbekenntnis
wir sind zusammen gekommen, um miteinander Gottesdienst zu
feiern. Vor Gott, der uns besser kennt als wir selbst, bekennen wir, dass wir
aneinander und an ihm schuldig geworden sind. Durch vieles, was wir getan, oder
was wir unterlassen haben. Darum bitten wir: Gott sei mir Sünder gnädig. …
Liebe Gemeinde,
gerne würde ich mich auch so loben lassen, wie Jesus diesen
Schriftgelehrten gelobt hat. „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Es geht
euch, liebe Schwestern und Brüder, ja wohl auch nicht viel anders. Aber genügt
das schon, dass wir alle die richtige Antwort wissen, auf die Frage nach dem
höchsten, dem wichtigsten Gebot Gottes? Wir haben es auswendig gelernt und
können es hersagen: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen,
von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Das ist das vornehmste und größte Gebot.
Das andere aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst.“ So hat uns das Matthäus überliefert, etwas knapper als das
Markusevangelium. Darum lässt es sich leichter behalten.
Aber das reicht ja nicht. So einen Spruch können wir schon
auswendig lernen. Aber er muss ja aus dem Kopf ins Herz kommen. Und er muss das
leben bestimmen. Dazu reicht es nicht, allein die Worte zu wissen. Zuerst einmal
müssen wir aber auch verstehen, was damit gemeint ist. Und dann sollen wir
diese Worte einüben und mit ihnen umgehen. Dann werden wir uns auch an sie
halten können, wenn es dazu Zeit ist.
Wohlgemerkt: Das höchste Gebot ist das Doppelgebot der
Liebe. Zwar leuchtet das schon ein, was im ersten Johannesbrief steht und was
dann bis heute immer und immer wieder gesagt worden ist: „Wenn jemand sagt: Ich
liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder
nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.“
Sicher ist das richtig, dass da die beiden Gebote unlöslich zusammen gebunden
sind. Aber es sind zwei Gebote, und das Gebot der Gottesliebe steht nun einmal
deutlich voran. Darum will ich gerade auf dieses Gebot näher eingehen.
Sicher sehen wir Gott nicht, wie wir Menschen einander sehen
können, und hören, und wenn wir ganz gewiss sein wollen, dass da einer da ist,
dass da eine da ist, können wir sie in den Arm nehmen und an uns drücken. Wir
können Gott nicht einfach mit unseren Sinnen wahrnehmen. Aber wir sind umgeben
von dem, was er tut.
Das ist nicht nur Gottes Schöpfung, das was wir die „Natur“
nennen. Sicher ist auch das kein schlechter Rat, wenn wir nach Gott gefragt
werden. Such ihn in der Natur, im Rauschen der Wälder, im Licht und in der
Wärme der Sonne, in seinen Kreaturen. In der Schönheit einer Rose oder des
Schmetterlings, der den Nektar saugt. In der Wärme und dem weichen Haar der
Katze, die sich streicheln lässt und dabei wohlig schnurrt. Gottes Schöpfung,
erhaben und zugleich nahe, dass ich sie sehen und erleben und ganz gewiss auch
lieben kann.
Aber es ist ja viel mehr als dies. Was Gott tut, an mir
getan hat und weiter tun will. Frage ich danach, wie ich Gott erfahren kann –
dann lässt sich auch so antworten: Schau auf dich selbst, schau auf dein Leben,
schau dabei gerade auf das, was du nicht selbst gewollt und getan hast, sondern
auf das, was dir ohne dein Zutun widerfahren ist, von klein an. Denk an dein
Leben, das du dir nicht selbst gegeben hast. Denk an die Eltern, die du dir
nicht ausgesucht hast. Ich weiß, da kann man manchmal stöhnen, gerade solange
jemand jung ist und ganz auf diese Eltern angewiesen. Ich denke gerne und
dankbar an meinen Vater, meine Mutter. Was ich geworden bin, ohne sie wäre es
gewiss nicht so gekommen. Lange könnte ich da weiter machen – Jeder von uns
könnte da endlos weiter machen und von dem erzählen, was ihm widerfahren ist.
Da sind Dinge beieinander, die gut waren und die ich gerne angenommen habe. Und
da sind Dinge, die böse waren, gegen die ich mich gewehrt habe, und musste sie
doch so nehmen, wie sie gekommen sind. All das zusammen genommen, was mir da
ein Leben lang begegnet ist: Ich weiß, dass ich da nicht von „Schicksal“ reden
kann, sondern sage so: Gottes Führung ist das. Gottes Führung, und darum ist es
gut gewesen. Auch das, was ich zuerst nicht verstanden habe, und wollte es
anders und meinte, ich wüsste es besser. Auch heute kann ich gewiss nicht
sagen, dass ich alles verstehe. Aber ich weiß: Es ist von Gott gekommen. Und
darum ist es gut so.
Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von
ganzem Gemüt: das heißt gerne das annehmen, was Gott tut.
Liebe Brüder und Schwestern: Das ist immer noch das, was wir
wissen. Wir haben's uns sagen lassen, haben's gelernt, haben's auch ein Stück
weit eingesehen, dass es gut ist so. Aber es braucht die Zeit, das wirklich zu
lernen und einzuüben, so dass wir dann auch dabei bleiben können. „Du sollst
lieben Gott deinen Herrn von ganzem Herzen von ganzer Seele und von ganzem
Gemüt. Das ist das vornehmste und größte Gebot.“ Ich sage es einmal so: Wir
lernen das, wir üben das ein, indem wir beten!
Nun kann ich nicht zu einer neuen Predigt einsetzen und über
das Gebet reden. Aber wenn ich gefragt werde, wie macht man das eigentlich,
Gott lieben? Ich kann da nur die Antwort geben: Lerne zu beten. Lern das, was dir widerfährt vor Gott
auszusprechen, leise, im Herzen oder in Gedanken, oder laut, vielleicht zusammen mit anderen Menschen. Lern so, was
dir widerfährt vor Gott wahr zu nehmen. Wir können das; an den rechten Worten
wird es uns kaum fehlen. Vielleicht ist das, was ich da gelernt habe und kann,
und mit dem ich umgehe, nicht immer der letzte Schrei und die neueste Mode. Die
gibt es auch unter uns Christen und in der Kirche. Aber gerne halte ich mich da
an einige vertraute und wohl bekannte Gesangbuchlieder. Wie mir's ums Herz ist,
so kann ich mir die in Gedanken vor sagen, oder auch vorsprechen und vor
summen: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren.“ an Geburtstagen singen
wir das miteinander. Aber es muss ja nicht immer Geburtstag sein, um Gott zu
loben. Danken kann ich - „Sollt ich meine Gott nicht singen, sollt ich ihm
nicht dankbar sein.“ Ich kann meine Sorgen, meine Ratlosigkeit, meinen Kummer
über das, was da in der Welt geschieht, im Herzen bewegen und vor Gott bringen,
indem ich mir das vor sage: „Befiehl du deine Wege ...“ Und tröste mich im
Blick auf all das, was auf mich alten Mann zukommt und im Blick darauf, dass
ich über kurz oder lang Abschied nehmen werde von diesem Leben: „Valet will ich
dir geben ...“.
Liebe Schwestern und Brüder, wie man das macht, Gott lieben,
das ist nicht leicht zu sagen. Einen Weg, solche Gottesliebe einzuüben, habe
ich eben angedeutet. Es ist der Weg solchen Betens, der das vor Gottes
Angesicht ausspricht, wie ihm zumute ist, angesichts dessen, was ihm in der
Welt begegnet.
Solange es einigermaßen läuft mit unserem Leben, können wir
dabei bleiben. Aber auch das wissen wir: Es gibt Zeiten, da sind wir noch
einmal anders dran. Sind unter Druck, so dass wir vielleicht kaum mehr denken
können, kaum mehr einen klaren Satz sagen können; dass die Worte, von denen ich
geredet habe, weg sind. Es ist gut, da dann jemanden bei sich zu haben, der
diese Worte kennt und sie mir ein sagen kann. Als junger Mensch, mit 19, stand
ich hilflos am Sterbebett meines frommen Großvaters. Er hat mühsam ein Wort
hervor gebracht: „himmelan“ - und ich nahm das Gesangbuch von seinem Nachttisch
und habe das Lied aufgeschlagen und ihm vorgelesen: „Himmelan, nur himmelan,
soll der Wandel gehn! Was die Frommen wünschen, kann dort erst ganz geschehn ;
auf Erden nicht. Freude wechselt hier mit Leid ; richt hinauf zur Herrlichkeit
dein Angesicht.“
Solange der Mensch entlastet ist – so hat das Melanchthon,
der Mitstreiter Luthers in der Reformation – gesagt, kann er sich vornehmen, er
wolle Gott lieben. Und es mag dann auch so scheinen, dass er diesen Vorsatz
verwirklichen kann. Aber wenn da der Druck ist, die Not, die Anfechtung, die
Angst, gar die Todesangst, da bleibt nur dies: Auf Gott selbst zu hoffen, auf
Gottes Geist, der durch hilft. So wie da Paulus in Röm 8 geschrieben hat:
„Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen
nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt, sondern der Geist selbst
vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, weiß
worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist, denn er vertritt die Heiligen wie es
Gott gefällt.“
Das Doppelgebot der Liebe hat Jesus genannt auf die Frage
nach dem höchsten Gebot. Und der Schriftgelehrte, der ihn danach gefragt hatte,
hat das bestätigt. Und wiederholt – und Jesus hat es ihm zugesagt: „Du bist
nicht fern vom Reich Gottes“. Gerne würde ich mich auch so loben lassen. Und
möchte das lernen - beide Gebote. Nur eines konnte ich jetzt ausführen. Aber
auch daran haben wir gewiss noch nicht aus gelernt.
Amen