Christvesper Kosbach 1989

Mt 17,1-9

 

Liebe Gemeinde,

das Weihnachtsfest ist ein Bild. Mit einem Bild schmücken wir unser Zimmer. Wir heben dieses Bild besonders hervor, indem wir es einrahmen, ehe wir es an die Wand hängen. Der Rahmen des Bildes unterbricht die Fläche der Wand, hebt das Bild hervor. Sofort sieht jeder: Da, im Rahmen, ist das Bild.

So ist das Weihnachtsfest ein Bild. Es hat seinen Rahmen: Dazu gehört der Christbaum, gehören die Lichter, gehören die Geschenke. Damit, dass dieser Tag des Festes so hervorgehoben wird, unterbricht eher die übliche Zeit, Arbeit und Wochenende in ihrem gewohnten Wechsel. Das Fest soll hervorgehoben sein. Das Alltägliche soll draußen bleiben. Darum machen wir uns den festlichen Rahmen.

Freilich gelingt es uns nicht ganz, das draußen zu halten, was nicht zum Fest gehört: Die Spannungen in der Familie, die Sorgen und der Ärger; erst recht lässt sich in diesen Tagen das Weltgeschehen mit seinen so raschen Veränderungen nicht draußen halten. Die Gedanken laufen dahin, nach Rumänien zumal, in den letzten Tagen. Wenn wir den Rahmen des Festes, der das alltägliche Tun und Ergehen unterbrechen soll, den normalen Rhythmus unserer Tage und Wochen, auch noch so deutlich markieren und damit das Fest hervorheben: Ganz lässt sich die Realität nicht verdrängen, die Unterbrechung, die das Fest bedeutet, ist immer nur teilweise möglich.

Das Weihnachtsfest ist ein Bild. Es unterbricht den normalen Lauf unserer Zeit. Aber nun habe ich bisher nur über den Rahmen gesprochen, der diesen Tag, die Tage des Festes hervorhebt. Nicht von ungefähr ist das so: Der Rahmen des Festes ist uns wichtig. Auch dieser Gottesdienst in der Kosbacher Kapelle gehört ja dazu zu diesem Rahmen. Und wir geben uns Mühe, auch hier die Unterbrechung des Alltäglichen so zu gestalten, dass dieser Tag richtig hervorgehoben wird.

Doch gerade darum kann es leicht passieren, dass da der Rahmen und das Bild ineinander verschwimmen und durcheinander geraten: Der Weihnachtsbaum und der Weihnachtsmann und das Christkind, die Krippe und die Puppenstube und der Kaufladen – Bethlehem und Gänsebrust,  wie ein Büchlein mit bitterbösen Gedichten zur Weihnachtszeit heißt, das meine Frau neulich mitgebracht hat. Das wäre nicht gut, für uns nicht gut, für unser Feiern nicht gut, für das Weihnachtsfest nicht gut, wenn da nun der Rahmen schon das Bild wäre und das Bilds nur der Rahmen.

Darum will ich jetzt diesen Rahmen ruhig so lassen, wie er ist. Aber in diesen Rahmen soll ein anderes Bild hinein gestellt werden. Nicht das Kindlein im Stall von Bethlehem, Maria und Josef und die Engel und die Hirten. Sondern der Mann, der aus dem Kindlein geworden ist: Jesus.

Seine Jünger ruft er zu sich, seine Vertrauten, seine Schüler und Freunde: die Drei, die ihm von Anfang seines Wirkens an folgten, Petrus, Jakobus und Johannes. Mit ihnen sondert er sich ab von der Menge und allen, die sonst um ihn waren. Nach sechs Tagen, so heißt es im Evangelium: Sechs Tage, nachdem er zum ersten Mal von seinem Tod zu ihnen gesprochen hatte. Ihnen klar zu machen suchte, dass sein Weg nicht der Weg des Erfolges und des strahlenden Sieges sein werde. Sondern der Weg des Leidens, der Weg des Todes. Nach sechs Tagen also nimmt er sie mit sich, in die Einsamkeit. Geht mit ihnen abseits, steigt mit ihnen auf den Berg: Weg von den Menschen, näher dem Himmel zu. Und da erleben sie es, die drei Jünger, wie Himmel und Erde gleichsam ineinander übergehen. Jesus beginnt zu strahlen, als wäre er selbst nur noch Lichtglanz, die Sonne selbst in ihrem Leuchten. Und sie sehen, wie er nicht allein ist: Zwei andere Lichtgestalten reden mit ihm. Sie wissen – ganz ohne Frage ist das klar: Das ist Mose und Elia. Mose, der Gottes Willen vom Sinai herab brachte, die 10 Gebote. Was gut ist, und was Gott von uns fordert, das verkörpert er. Und Elia, der Unerschrockene, der unbeugsame Kämpfer für das Recht und Gottes Einzigkeit, gegen den Götzendienst, der sich selbst gewählte Götter macht. Elia, von dem sie wussten: Er wird dem Heiland vorweg kommen und ihm den Weg bereiten. Er wird die Menschen zur Entscheidung rufen wie einst auf dem Berg Karmel, als er allein gegen die Propheten des falschen Gottes Baal ankämpfte.

Und sie erleben noch mehr, die drei Jünger: Es wird in einem Hell und Dunkel um sie, da ist Gott, ganz nahe. Nur noch hören können sie und hören: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören. Und dann ist da nur noch Jesus. Er rührt sie an und spricht: Seht auf und fürchtet euch nicht. Da sind sie wieder bei sich selbst und bei Jesus. Oben ist der Himmel und sie sind auf der Erde. Und haben doch dieses Leuchten vor ihrem inneren Auge, und hören immer noch: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören.

Das ist das Bild, das ich in den Rahmen unseres Festes hinein stellen will: Damit Rahmen und Bild nicht ineinander verschwimmen, sondern der Rahmen das Bild hervorhebt. Ihn, auf den wir hören. Wenn wir nachher miteinander das Vaterunser beten: Denkt dabei daran, dass das seine Worte sind. Er lehrte uns das  undurchdringliche Geheimnis der Realität als Vater anzureden. Gott schweigt nicht. Er spricht in Jesus zu uns, das ist das Bild im Rahmen des Weihnachtsfestes.