Septuagesimae 3.2.1985  Martin –Luther-Kirche, Büchenbach

 

Intr 5

336,1-4      All Morgen

242,1-4      Es ist das Heil

232,1-5      Sollt ich meinem Gott

250            Ist Gott für mich

139            Verleih uns Frieden

 

1.Kor 9,24-27     Mt 20,1-16a

 

Liebe Gemeinde,

Jeder erhält, was er braucht! So sagt es das Gleichnis Jesu von den Arbeitern im Weinberg. Jeder erhält, was er braucht! Ja, so groß ist Gottes Güte, dass er jedem zweifach gibt, was er braucht. Dazu ist es freilich nötig, genau zu zusehen – damit wir an dieser zweifachen Gabe nicht vorbei gehen, und sie dann gerade verlieren. Mit einer Warnung schließt unser Gleichnis ab: „So werden die letzten die ersten und die ersten die letzten sein.“

Zweifach gibt er! Lassen wir uns auf die Frage ein, wie denn zu verstehen sei, was Jesus in dieser Geschichte von dem absonderlichen Unternehmer sagen will, der merkwürdigerweise nicht nach Leistung entlohnt, sondern nach dem, was einer braucht: Was ist wohl gemeint mit der Arbeit in seinem Weinberg, zu der dieser Herr da die Leute nacheinander schickt, wie er sie findet? Ich denke, wir sollten da nicht etwas Besonderes uns denken, ein besonderes Tun! Nein, die Welt, in die jeder von uns hinein geboren ist, das ist dieser Weinberg Gottes. Und die Arbeit, von der da die Rede ist, das ist unser Leben, wie es eben kommt, Tag für Tag. Nur so kommen wir wohl zurecht mit dieser Geschichte, dass wir das zunächst einmal sehen, dieses so einfache und doch so schwierige.

Zweifach gibt er, was jeder braucht: So habe ich das gesagt. Gottes Güte gibt jedem das Leben, in einer Welt, in der er Leben kann. Und dieses Leben, das ist ja kein müßiges Leben. Da gibt es zu tun. Solange einer lebt, hat er zu tun. Wir dürfen dabei dann freilich nicht nur an das denken, was wir gemeinhin Arbeit nennen. Hier ist viel mehr gemeint. Es ist all das gemeint, was wir Tag für Tag zu tun haben, mit Menschen und mit Dingen. Gott will ein tätiges Leben von uns. Darum stellt er uns hinein in eine Welt, in der wir zu tun haben. So möchte ich diesen Zug in unserer Geschichte da verstehen, dass dieser Hausvater, den wir eher einen Unternehmer heißen müssten, immer wieder unterwegs ist, um alle an die Arbeit zu schicken, die er herumstehen sieht. Gott will ein tätiges Leben: Darum gibt er seinen Menschen eine Welt, die die umzutreiben haben. (Was hat ein Kind von 2 Jahren schon zu schaffen!)

Jeder von uns braucht das: Dass wir unsere Lebendigkeit in all dem ausleben, was es zu tun gibt. Das ist die erste Gabe, die ich meine, wenn ich so sage: Zweifach gibt Gott in seiner Güte jedem, was er braucht: Doch nun muss ich zu einer Zwischenüberlegung einladen, die nötig ist, damit wir verstehen, um was es nun wirklich in diesem Gleichnis geht, das ja nicht einfach von Gott, unserem Schöpfer und Vater redet, sondern einsetzt: Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater – oder, damit wir da nun nicht gleich an ein Jenseits unserer Welt denken: Das Reich Gottes ist gleich einem Hausvater.

Wir brauchen etwas zu tun; wir sind ja lebendige Menschen, und diese Lebendigkeit will sich ausleben mit Menschen und mit Dingen, mit denen wir zu tun haben. Aber dieses tätige Leben, das ist ja nicht bloß eben eine Beschäftigung. Es soll uns gelingen, was wir tun. Es soll uns gelingen mit den Dingen und soll uns gelingen mit den Menschen. Wenn mein Enkelkind etwas tut, dann will es das auch zeigen, und will dafür gelobt werden! Und das ist ja nicht bloß Kindersache. Das geht jedem von uns so. Er will seine Anerkennung. „Gut hast du das gemacht!!“ „Das freut mich!“ „Ich danke dir!“ Jeder von uns braucht das, Tag für Tag. Und solche Anerkennung unseres Tuns gehört zu dem tätigen Menschenleben ganz unmittelbar mit dazu. Wollten wir denn ganz allein für uns etwas tun? Wenn einer sich ein absonderliches Tun ausgedacht hat, und setzt das für sich ins Werk: Dann will er am Schluss doch erst recht die Anerkennung. Wenn er aus Streichhölzern den Kölner Dom nachgebaut hat – oder ich weiß nicht wie viele Dominosteine so aufgestellt hat, dass die dann auf einen Anstoß hin fallen, das soll eine Schau geben, die Leute sollen staunen!

Es gehört zu unserem tätigen Leben, dass wir da die Anerkennung finden, das Lob, das jeder braucht. Und wie viel Mühe machen sich Menschen, um dieses Lob, diese Anerkennung zu gewinnen. Aber die kann auch ausbleiben. Und erst recht kommt es zum Misslingen, das getadelt wird. Und nicht zu solchem Misslingen. Vieles, was wir tun, ist nicht gut. Das wollten wir dann gerne verbergen, und oft gelingt es uns ja auch, zu vertuschen und zu verstecken, was nicht gut ist an unserem Tun. Aber die Schuld bleibt. Wenn wir uns das überlegt haben, dann können wir vielleicht ein Stück weit begreifen, auf was Jesus hinaus will mit seinem Gleichnis. Das ist ja das Wichtigste: Da ist es Abend geworden, und nun kommt der Verwalter mit der Kasse, und der Lohn wird ausbezahlt. Jeder erhält seinen Silbergroschen, eine römische Münze, gerade genug, damit ein Mann sich selbst und seine Familie einen Tag lang erhalten kann. Und das ist nun ja das Absonderliche an diesem Gleichnis: Da bekommt jeder das Gleiche. Die da bloß noch eine Stunde herum gehackt oder Trauben gelesen haben – was es für eine Arbeit war, das wird uns ja nicht erzählt – die bekommen, was sie brauchen, für den ganzen Tag. Es ist nur natürlich, dass da die Ersten mehr erwarten. Aber auch sie bekommen ihren Silbergroschen, nicht mehr. Auch sie bekommen das, was sie brauchen. Das Murren ist da nur zu verständlich. Aber dieser Chef da, der lässt sich nicht beirren, er greift sich eine heraus, redet ihn freundlich an: Mein Freund – Kamerad, Kollege – ich tu dir doch kein Unrecht! Oder ist das Unrecht, wenn jeder das bekommt, was er braucht?

Was er braucht: Das ist nicht nur das Leben und eine Welt, in der er zu tun hat als der lebendige Mensch, der er ist. Was er braucht, das ist auch die Anerkennung, das Lob. Das ist da gemeint: Von Gott bekommt jeder die Anerkennung, die er braucht. Vielleicht passt das nicht jedem. Mancher mag denken, wie die Ersten hier, im Grunde seines Herzens, oder auch so, dass er das einmal in Worten heraus lässt: Ich habe viel getan, Gutes, Richtiges, Frommes – mehr als der, und mehr als jener; darauf kann ich bauen, dass sich das auch gelohnt hat – dass mir das Gott selbst vergelten wird. Wer sich kennt, denkt vielleicht nicht so. Und manch einer fragt sich: Darf ich mich überhaupt vor den Leuten zeigen, wie ich wirklich bin, und erst recht vor meinem Herrgott?

Jeder erhält, was er braucht! Die Welt, in der er sein Leben ausleben kann, mit den Dingen und mit den Menschen. Und erst recht die Anerkennung, die er braucht. Darauf warten wir. Aber wir warten nicht nur. Da ist Jesu Geschichte: Ich lasse mir das sagen – es tröstet mich, gerade dort, wo ich mich missachtet sehe – erst recht, wo ich mich selber verachten, anklagen muss. Im Wort ist es da, Gottes Reich: Und damit ich es wahrnehmen kann, bin ich zum Tisch des Herrn geladen. Da erhält jeder, was er braucht, jeder das Gleiche!

So groß ist Gottes Güte, dass er jedem zweifach das gibt, was erbraucht: Das Leben und das Lob. Amen.