Rogate, 27.5.1962                         Wolfenhausen/Nellingsheim

 

223, 1-4  Zeuch an die Macht (166)

241, 1-5 Vater unser im (234)

241, 6.7

241,9

 

Matth. 5,43-48                       Tim. 2, 1-8

 

Liebe Gemeinde!

 

Leicht ist das nicht, was da von uns verlangt wird. Leicht ist das nicht wahr zu machen: „So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel.“ Freilich, dass zum Glauben das Beten gehört, das wissen wir, und wissen ja auch genau, das dieses Beten eigentlich nicht bloß Weiber- oder gar Kindersache ist. Aber zwischen dem Wissen und dem Tun ist noch ein himmelweiter Unterschied. Und es hemmt uns ja nicht bloß dies, dass wir so wenig gewöhnt sind, zu beten. Es hemmt uns doch wohl auch das andere, dass wir uns vor den Konsequenzen scheuen, die in solchen Beten liegen. Dass wir spüren, es würde uns das nicht einfach so lassen, wie wir sind, wenn wir wirklich mit Ernst zu beten anfingen. Dass wir spüren: es könnte uns solches Beten zu weit führen auf einem Wege, dessen Richtigkeit wir zwar prinzipiell zuzugeben bereit sind, den zu gehen wir aber doch eine gewisse Scheu verspüren. „Heilige Hände ohne Zorn und Zweifel“ – das ist`s, wovor wir uns scheuen. Und können`s dann umkehren und sagen: Ein solcher Heiliger bin ich nicht, der beten könnte ohne Zorn und Zweifel. Also lasse ich`s bleiben.

 

Darum gilt es schon, was ich eingangs sagte: Leicht ist das nicht. Eine Predigt anzuhören, hin und wieder einmal, oder auch regelmäßig, das geht schon. Aber selber zu beten? Ja- das noch am ehesten, das Gebet, das der Pfarrer vorspricht, im Herzen mitzusprechen! Oder vielleicht gerade noch das Vaterunser mit dem anderen mitzusprechen. Aber nichts ist das, gar nichts! Darum redet der Apostel gerade von den Männern, weil die damals das Recht hatten, zu beten - in der gottesdienstlichen Versammlung. Ein Recht, welches sie gewiss auch wahrgenommen haben. Seht – ich bin ja nicht dafür, dass man die guten und bewährten Formen unseres kirchlichen Lebens, und zum Beispiel auch die Ordnung unseres Gottesdienstes, umwerfen müsste. Aber das wäre eine große Sache, wenn wir das lernten, zu beten! Gemeinsam – so, dass der, dem danach ist, sein Gebet vorbringen würde, dieser oder jener. Da braucht`s gewiss keinen studierten Kopf, sondern gerade jenen Mut, der uns, uns Männern so fehlt, es einmal herauszulassen!

Seht, es ist ja wohl schon eine rechte Sache, wenn wir in unserem Herzen mit Gott reden – so, wie wir es im Konfirmandenbüchlein lernten: Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung. Aber eigentlich sollten wir dann auch damit herauskommen, voreinander, in unserem gemeinsamen Gebet, sollten wir herauskommen mit dem, was im Herzen ist.

Wie gesagt: Leicht ist das nicht! Leicht ist es schon nicht, im Herzen zu beten. Deshalb nicht, weil eben dies beides, Zorn und Zweifel, da ist. Weil dies beides, Zorn und Zweifel, seinen Raum in unserem Herzen beansprucht – und weil dort, wo dies beides wohnt, Zorn und Zweifel, das Gebet keinen rechten Platz zu finden vermag. Aber freilich: heraus kommt dies beides, Zorn und Zweifel nicht anders als durch das Gebet! Und da zu warten – zu sagen: Jetzt kann ich nicht beten, jetzt bin ich zornig, oder zu sagen: Jetzt kann ich nicht beten, jetzt bin ich voller Zweifel – da zu warten, bis es vielleicht anders ist, um dann mit dem Beten anzufangen, das wäre ungereimt und töricht. Genauso ungereimt und töricht, wie beispielsweise dies: Wenn ich eine Flasche habe, die ich mit einer Flüssigkeit füllen möchte, so weiß ich wohl: Es muss die Luft heraus aus der Flasche, sonst hat in ihr nicht Platz, was ich drin haben will. Aber da mache ich mich ja auch nicht dran, erst die Luft heraus zu pumpen, dann einzufüllen, was ich drin haben will – ich gieße zu, und je mehr von der Flüssigkeit in die Flasche hineinkommt, desto mehr Luft wird draus verdrängt. Das ist ein ganz selbstverständlicher, ein uns allen klarer und einleuchtender Vorgang. Genauso ist`s mit dem Gebet. Wir wissen, und der Apostel schärft`s uns ja noch einmal ein: Zorn und Zweifel passen nicht zusammen mit dem Gebet. „So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben heilige Hände ohne Zorn und Zweifel.“ Aber so töricht es wäre, zuerst die Luft aus der Flasche zu pumpen, und dann erst die Flüssigkeit einzufüllen, so töricht wäre der Versuch, zuerst Zorn und Zweifel aus dem Herzen zu bringen, um dann mit dem Gebet anzufangen! Nein! Angefangen mit dem Gebet, dann werden sie schon verschwinden müssen, Zorn und Zweifel.

 

Der Zweifel: Zweifel daran, dass Gott recht hat. Zweifel daran, dass er es wirklich gut meint mit uns. Zweifel daran, dass es mit dieser Welt überhaupt seinen Zweck hat, Zweifel daran, dass es gut hinauslaufen wird. Liebe Freunde: Natürlich haben wir diese Zweifel. Keiner wird davon verschont. Aber wenn dieser Zweifel kommt, dann bete. Natürlich werden wir gerade dann sagen: Was hat es denn für einen Zweck, dies Gebet? Ist da überhaupt einer, der dich hört? Schon so und so oft hast du’s versucht, ihn zu finden – und ist dir keine Antwort geworden! Lass es bleiben, das Gebet. Lass es bleiben, dies fruchtlose suchen und fragen. Kümmere dich darum, dass du dich selber und das Deine in Ordnung hältst und lass diese Welt so laufen, wie sie es will. Das ist er, der Zweifel, von dem der Apostel redet. Der Zweifel, ob mit den Menschen überhaupt noch etwas anzufangen ist – ob Gott mit denen noch etwas anzufangen weiß!

Seht: Keiner wird von diesem Zweifel verschont. Keiner kommt drum herum Aber hier hilft nur eines: Beten! Lass den Ort deines Zweifelns, versenke dich in die Unendlichkeit des Firmaments, in die wunderbare Ordnung der Natur, in das Geheimnis des Lebens. Der das hervorgebracht hat, sollte der nicht wissen, wozu er`s hat? Sollte der`s nicht in seiner Hand halten können: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ - , und wir sollen uns betend darein versenken. Leicht ist das nicht. Worte fehlen uns oft – wenn wir´s nicht lernen, Psalmen, Gesangbuchverse – Geh aus mein Herz! Da muss er heraus, der Zweifel, und das Herz wird voll der Größe Gottes.

 

Und es muss der Zorn heraus aus dem Herzen. Das ist erst recht nicht leicht. Nicht umsonst sagt uns der Apostel: „So vermahne ich nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen“ – für alle! Nicht umsonst heißt es so. Nicht umsonst werden wir ermahnt, ja keinen auszunehmen von diesem Beten. Sie alle gelten zu lassen, vor Gott gelten zu lassen, Denn nicht so ist ja jenes „für alle“ gemeint, dass wir eben so allgemein bitten für alle Menschen, ohne uns so recht etwas dabei zu denken; vielmehr: Gerade die, welche uns aufregen, gerade die sollen wir vor Gott bringen. Bete für einen Menschen – dann wird der Zorn verschwinden. Gewiss, leicht ist das nicht. Gewiss, es scheint uns viel kräftiger und männlicher zu sein, den Zorn zu hegen und zu pflegen – der eben nur uns selber gelten lassen will, und das fühlen zu lassen, was das heißt, zornig zu sein.

Aber das Gebet, das will ja diesen Zorn heraustreiben. Und nicht nur das Gebet für die einzelnen Menschen, sondern gerade auch für die Obrigkeit. Die sollen wir besonders einschließen in unser Gebet, weil wir sie zu gerne in unserem Zorn beiseite schaffen würden, nicht gelten lassen wollen – notabene bis hin zum Finanzamt. Üben wir es im Herzen dies Gebet, dann geht der Zorn. Und üben wir’s dann weiter, vor anderen, im Haus – beten Frau und Kindern vor und beten in der Gemeinde.

Amen.