14.6.98
Prof. Dr. Friedrich Mildenberger Christuskirche, Stadeln bei Fürth
440,1-4 All Morgen
Psalm 801,15
124,1-3 Nun bitten wir
401,1-5 Liebe, die du
421 Verleih uns Frieden
Evangelium Lk 16,
19-31 Epistel (Predigt) 1. Joh 4, 16 b -21
Gott, der du uns in Deiner Liebe geschaffen hast und unser
Leben führst, wir bitten dich,
lass uns in dieser Zuversicht gewiss bleiben in guten und
bösen Zeiten, bis wir dich schauen dürfen in Ewigkeit, durch unseren Herrn und
Bruder Jesus Christus, deinem Sohn…
Du unser Gott! Deine Liebe hat uns geschaffen und begleitet
unser Leben und wird uns am Ende annehmen und nicht wegwerfen. Dafür danken wir
dir.
Wir bitten dich für die christliche Gemeinde an diesem Ort
und in der ganzen Welt. Lass sie dich bezeugen in Worten und im Tun dass dein
Name bei uns und durch uns geheiligt werde.
Räume beiseite, was die katholischen und evangelischen
Kirchen trennt und führe du uns zueinander.
Wir bitten dich für die Völker und Staaten, für die
Menschen, die Gewalt erleiden und die Macht ausüben. Gib du, dass allen
Menschen ihr Recht wird.
Erhalte den Frieden und schaffe, dass die Gewalt im Kosovo
ein Ende findet. Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat
und Anerkennung. Wehre du der Ausbeutung von Mensch und Natur und erhalte deine
Schöpfung in ihrer Fülle und Schönheit.
Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden,
tröste die Trauernden.
Lass uns deiner Liebe immer mehr gewiss werden, dass wir in
guter Zuversicht leben, bis du uns zu dir holen wirst.
Amen.
Wir sind hier zum Gottesdienst zusammengekommen, um Gottes
Wort zu hören und ihn anzurufen in Bitte und Lob. Dem Gott, der uns besser
kennt als wir selbst, bekennen wir, dass wir aneinander und an ihm schuldig
geworden sind durch das, was wir getan haben und durch das, was wir nicht getan
haben.
Darum bitten wir, dass uns Gott unsere Sünde um Christi
willen vergeben wolle, und sprechen: Gott sei mir Sünder gnädig.
Liebe Gemeinde!
Mit solcher Zuversicht, da lässt es sich leben. Da kann ich
leben, jede, jeder von uns: „Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir
Zuversicht haben am Tag des Gerichts“. Denn da wird Gott zu mir sagen „Ich
liebe dich. Ich will dich immer bei mir haben.“ Zuversicht, das heißt: Da bin
ich mir ganz sicher.
Wir erwarten vielerlei, und ich kann das auch sagen: Morgen
wird es einen sonnigen Tag geben. Aber da kann jeder von euch mit der Gegenfrage
kommen: Bist du sicher? Und ich kann bloß mit den Schultern zucken - vielleicht
habe ich recht! Im Herbst bei der Bundestagswahl wird die Regierungskoalition
verlieren. Bist du sicher? Vielleicht habe ich recht! Ich brauche dieses Spiel
nicht weiter zu treiben – ihr habe die Regel begriffen und könnt das selber machen,
wenn es euch Spaß macht. Gott wird zu mir sagen: „Ich liebe dich. Ich will dich
immer bei mir haben.“ Da darf mir niemand mit dem Einwand kommen: Bis du
sicher? Das ist die Zuversicht, von der hier Johannes schreibt, dass ich da sagen
kann: Jawohl, ich bin sicher. Mit solcher Zuversicht lässt es sich leben. Denn
sie vertraut nicht auf die Prognosen das des Wetterdienstes oder der
Meinungsforscher. Sie vertraut auf Gottes Zusage selbst.
„Denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.“ So wird
diese Zuversicht begründet. Er – das ist Jesus, von dem in dem unserem
Abschnitt vorher gehenden Satz die Rede ist.
Wie er, so auch wir. Erinnert euch, wie er angefangen hat,
unser Text: Gott ist Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und
Gott in ihm. Er, Jesus: er war in dieser Welt als der liebe Sohn Gottes. Bei seiner
Taufe durch Johannes im Jordan, so wird uns erzählt: Als er aus dem Wasser
stieg, sah er, wie sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam
auf ihn. Und da geschah eine Stimme von Himmel: du bist mein lieber Sohn, an
dir habe ich Wohlgefallen. Wenn es da heißt, als Grund unserer Zuversicht: Denn
wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt - Das ist gemeint: Du bist mein
liebes Kind, meine liebe Tochter, mein lieber Sohn - an dir habe ich
Wohlgefallen: so sind wir in dieser Welt: Ich muss mir das nicht erst verdienen.
Er, Gott selbst, lässt mich gelten – am Ende, am Tag des Gerichts; und so am
Anfang: Du bist mein liebes Kind. Da bin ich mir ganz sicher.
Wohl, da können dann ganz andere Erfahrungen kommen. Wie es
angefangen hat, mein Leben, das kann ich mir denken - weil ich es bei anderen
immer wieder sehe: ein Baby, das ist immer lieb und herzig und jeder bewundert
es. Gehätschelt wird es und steht im Mittelpunkt. So hat es wohl bei den
meisten von uns angefangen. Aber dieser Anfang, der ist nicht das ganze Leben.
So ein Kindlein muss lernen, viel lernen, bis es ein erwachsener Mensch ist. Es
muss lernen, dass es dann lieb ist, wenn es die Erwartungen erfüllt, die an es
gestellt werden. Und dass es dann böse ist, wenn es sich nicht so verhält, wie
das von ihm erwartet wird: Und es sind viele Leute, die solche Erwartungen
haben - Die Eltern, die Schule, der Freundeskreis, die Leute am Arbeitsplatz,
der Partner oder die Partnerin. Überall will ich doch etwas gelten; überall
will ich Anerkennung finden; überall will ich geliebt werden. Und da ist dann
die Furcht: Dass ich nicht bringen kann, was die Eltern von mir erwarten, die
Freunde, die Schule, der Vorgesetzte am Arbeitsplatz, die Partnerin oder der
Partner.
„Furcht ist nicht in der Liebe“, so heißt es hier. Aber kann
es das denn geben? Fragt mich einmal genauer. Wir strengen uns an. Wir wollen
doch auf jeden Fall das bringen, was man von uns erwartet. Muss nicht der oder
die eben „in“ sein und gerade nicht „out“: in der Kleidung, im Verhalten, in
der Art, wie man sich gibt, wie man spricht, wo er, wo sie gelten sollen,
Anerkennung finden, bewundert werden, begehrt werden. Da ist dann die Furcht,
der Erwartung nicht gerecht zu werden, schief angesehen, gar gemieden zu
werden.
So ist das in unserer Welt: so ein herziges Baby, das hat es
leicht. Aber wir alle hier sind keine solchen herzigen Babys mehr, und haben es
darum auch nicht mehr so leicht. Wenn ich anderen imponieren will, muss ich
viel bringen: das wissen wir alle. Und wissen erst recht: wo ich geliebt werden
will, da muss ich mich wichtig machen. Sie ist so wählerisch, die Liebe unter
uns Menschen. Das brauche ich nicht lange auszuführen. Sie ist so wählerisch,
die Liebe. Wenn einem Mädchen keiner passen wollte, und sie an jedem Bewerber etwas
auszusetzen hatte, dann hat man im Württembergischen, wo ich herkomme, gesagt:
dann geh halt nach Wasseralfingen und lass dir einen gießen! Und meinte: Dann
hast du vielleicht einen, wie du ihn haben willst, einen, der dir passt.
Soll ich das so sagen: Gott hat das mit mir getan. Er hat
mich „gegossen“, gemacht, so, wie ich seiner Liebe gefalle. Er hat mich
geschaffen. Nicht bloß den Anfang hat er gemacht, das herzige Baby, das wir
alle bewundern. Er hat mich begleitet mein Leben hindurch. Er will mich nicht
messen an diesem und jenem Standard, an dem, was gerade „in“ ist, an Moden und
Trends. Er will mich in meiner Eigenart, und lässt mich gelten, auch mit meinen
Eigenarten und vielleicht mit mancher Unart. Wie ich bin, so hat er mich
gewollt. Ich bin ihm dafür dankbar. Oft merken wir das nicht, beachten, das
nicht,- wie er, Gott, uns in seiner Liebe gestaltet: nicht bloß den Anfang,
sondern auch den Fortgang, einem ganzen, langen Lebensweg. Der ist nicht immer
gerade. Aber er ist dabei. Und immer wieder einmal kannst du das merken.
Ich habe einmal ein Kind überfahren. Es ist ihm nichts
passiert. Das war vor 37 Jahren. Ich bin heute noch dankbar dafür.
Mein Gott hat mich gemacht. Nicht nur den Anfang hat er
gemacht. Er hat mich geführt und hat mich begleitet, mein Leben hindurch.
Manchmal habe ich das deutlich gespürt, und habe oft auch nur eben gelebt. Aber
gerade so bin ich gewiss: Gott ist Liebe. Was er gemacht hat, das ist gut:
Darum bin ich gewiss: Für seine Liebe ist es gut genug. Er wird mich nicht wegwerfen.
Er nimmt mich an. Ich weiß das; am Ende wird er zu mir sagen: Ich liebe dich;
ich will dich immer bei mir haben. Mit dieser Zuversicht lässt es sich leben.
Weil Gott mich angenommen hat, kann ich gerne annehmen, was mir begegnet. Nicht
nur jetzt diese schönen Sommertage, die Wärme der Sonne, und die Gewitter und
den Regen. Die Vögel mit ihrem Singen am frühen Morgen, wenn der Tag beginnt,
und die Blumen, die aufblühen, wenn es ihre Zeit ist, und die verwelken, wenn
es ihre Zeit ist.
Die Menschen kann ich annehmen und gelten lassen, die mir
begegnen, mit denen ich zu tun bekomme. Ihr wisst das genau: Da gibt es Leute,
denen ich gerne begegne. Jedem geht das so. Und andere gibt es natürlich auch,
denen einer lieber aus dem Weg geht. Denkt daran, jede, jeder: Gott hat mich
gewollt; er hat mich begleitet. Was ich bin, das hat er aus mir gemacht. Er
wird mich am Ende nicht wegwerfen. „Wenn jemand spricht: ich liebe Gott… dass
der auch seinen Bruder liebe.“ So ist das. Warum fürchten wir uns, die Liebe,
die Anerkennung, die Bewunderung von Menschen zu verlieren? Sollte uns das
nicht reichen, diese Zuversicht: Mein Gott, der mich gemacht hat, nicht nur am
Anfang, der aus mir gemacht hat, was ich bin, der wird mich nicht am Ende
wegwerfen? Dann brauchen wir selbst auch niemanden wegzuwerfen: Lasst uns lieben,
denn er hat uns zuerst geliebt.
Amen