1.Tim 1, 12-17 3.n.Trin.
5.7.1992 Schornweisach
104,1-4 O Heiliger
Geist
166,1-3 Allein zu
dir
197,1-4 Du meine
Seele singe
139
Lk 15, 1-7
Du unser Gott,
Tröster derer, die Trost bedürfen, du lebendige Weisheit und
Barmherzigkeit, umgib uns mit deiner Freundlichkeit, dass wir dich erfahren in
deiner Nähe, durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus.
Wir danken dir Gott,
dass du uns nahe bist. Du gibst uns deinen Geist, der uns
lehrt, zur rechten Zeit zu reden. Wir bitten dich für deine Liebe. Gib du ihr
Frauen und Männer, die deine Wege und Werke erkennen, und zeigen können, was
dein Wille ist. Lass uns zusammenfinden zu deiner Ehre und dich bezeugen. Wir
bitten dich für die Völker und Staaten. Gib allen Menschen ihr Recht. Schaffe
Frieden und Freundschaft. Hilf du dazu, dass die Menschen in Jugoslawien zum
Frieden finden. Wir bitten dich, gib du allen Menschen, was sie brauchen, Brot
und Heimat, Arbeit und Anerkennung. Wehre du der Ausbeutung von Mensch und
Kreatur und erhalte die Fülle des Lebens in dieser Welt. Sie bei denen, die
dich besonders nötig brauchen. Besuche die Einsammen und Kranken, geleite die
Sterbenden, tröste die Trauernden. Sei du uns nahe mit deiner Liebe.
Liebe Gemeinde,
mit einem Dank fängt dieser Text an und hört mit einem Lobpreis
auf: da ist Christus Jesus als der Adressat des Dankes, und Gott als der, dem
der Lobpreis gebührt.
Ich danke – Sie wissen, dieses Ich birgt einige Probleme.
Paulus ist das, und doch nicht Paulus selbst, sondern ein Angehöriger der
dritten christlichen Generation, der unter dem Namen des Paulus schreibt. Aber
das braucht uns hier nicht zu bekümmern, da wir sowieso weder Paulus noch der
Verfasser des ersten Timotheusbriefes sind und also das, was dann als
Gegenstand dieses Dankes folgt, in die dritte Person umsetzen müssen:
Ich danke – wir danken unseren Herrn Jesus Christus, dass er
den Paulus stark gemacht und für treu erachtet und in das Amt eingesetzt hat.
Das ist schon ein Grund zum Dank. Ohne diesem Paulus kein paulinisches
Evangelium, kein Römerbrief in unserer Bibel, kein Augustin und kein Luther,
keine dialektische Theologie und kein Barmer Bekenntnis – undenkbar ist das.
Grund zum Dank also, wie schon für den Verfasser des ersten Timotheusbriefes
und die, an die er geschrieben hat. Aus dem predigenden Paulus ist da der
gepredigte Paulus geworden, wie das Jürgen Roloff in seinem Kommentar
formuliert hat.
Ich danke! – Aber nun will ich mir gleich selbst den Einwand
machen: Ist das nicht ein recht theoretischer Dank? Sicher, es ist gut so, dass
es diesen Paulus gegeben hat, seine Predigt des gekreuzigten Christus, und den
Niederschlag dieser Predigt in unserem Neuen Testament.
Das hat die Christenheit immer wieder zur Sache gerufen,
durch die Jahrhunderte hindurch und wird auch unserer Kirche zur Sache rufen,
wenn es dazu gelegene Zeit ist. Aber ist da nun die unmittelbare und lebendige
Erfahrung – das volle Herz, und der Mund, der gar nicht anders kann, als von
dem überzugehen, von dem das Herz voll ist? Das ist der Einwand, den ich mir
selbst mache: er muss doch weil unmittelbar und viel persönlicher sein, dieser
Dank.
Ich danke für diesen schönen Tag in Schornweisach und ganz
besonders danke ich für den Gang am Morgen, der mir so besonders lieb geworden
ist, für die frische Luft, die voll ist vom Trillern der Lerchen, für die Fülle
des Lebens, die mir da immer wieder entgegen kommt. Dafür will ich unserem
Herrn Christus Jesus danken, und Gott, dem ewigen König, dem unvergänglichen
und unsichtbaren, dem Ewigen Lob und Preis sagen.
Nun kann da freilich wieder der Einwand kommen – ich selbst
muss mir gar diesen Einwand machen: gehört das nun hierher? Was hat das mit
meinem Predigttext zu tun? Ist das nicht bloß Allotria, womöglich gar jene
ominöse natürliche Theologie, vor der wir uns nur gegenseitig warnen können?
Der Grund des Dankes, der ist doch in diesem Textabschnitt wahrhaftig so klar
und eindeutig genannt, dass es keine große Auslegungskunst braucht, um ihn zu
entdecken: „Das ist gewisslich wahr, und ein Wort, des Glaubens wert, dass
Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen.“ Und da
kommt Paulus nun nicht nur als der große Apostel und Verkünder des Kreuzes
Christi. Da ist er Exempel und Vorbild für uns alle: „Dass Christus Jesus in
die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erst
bin. Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir
als erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten
zum ewigen Leben.“
Deutlich genug ist das doch; und wenn dann ganz richtig
gefordert wird: nicht für fremde Erfahrungen danken, sondern für eigene
Erfahrungen, nicht distanziert von anderen reden und von dem, was Christus an
denen getan hat, sondern unmittelbar und persönlich reden, von dem, was Gott an
mir getan hat: - habe ich also vorhin daneben gegriffen, als ich von meinem
morgendlichen Gang erzählt habe und von der Fülle des Lebens, an der ich mich
gefreut habe? Wollen Sie eine andere Geschichte hören, nach dem Muster und
Vorbild der paulinischen Bekehrungsgeschichte: von dem Sünder, der seine Last
loswurde - und für den die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe,
die in Christus Jesus ist, desto reicher wurde?
Soll ich also so anfangen: Das war damals, im Januar 1947?
Da könnte dann so eine Geschichte kommen, und wenn ich ein bisschen stilisierte
und die üblichen Worte gebrauchte, dann käme vielleicht so etwas heraus, das
sich von ferne mit dem Vorbild des Apostels Paulus – besser: mit dem, was bei
den Christen der dritten Generation als die Geschichte des Paulus erzählt
wurde, - vergleichen ließe!
Aber braucht unsere Erfahrung denn solche Vorbilder,
Standards und Klischees? Müssen wir solche Erinnerungen, unsere, mit uns
herumtragen und von ihnen zehren? Wir haben doch die Unmittelbarkeit der Feier
und der Erinnerung, das Gedächtnis, in dem wir uns mit Jesus Christus
zusammenschließen in seinem Mahl: Grund genug, zu danken. Und Worte genug, an
die wir uns halten können. Und können gerade so, geborgen in der Liebe Gottes,
derer wir gewiss sind in Christus Jesus, das Leben wahrnehmen und annehmen,
auch und gerade so persönlich und unmittelbar, wie ich diesen Tag in
Schornweisach genossen habe: das Reden miteinander, auch die harten
Auseinandersetzungen, die zu der Nähe gehören, die wir uns schulden. Aber erst
recht der Morgenspaziergang; und ich freue mich darauf, bis es wieder Morgen
ist.
Ich danke unserem Herrn und Bruder Christus Jesus, dass er
mir Gottes Liebe gewiss gemacht hat. Ich danke für die Fülle und Schönheit des
Lebens, den Himmel und die Sonne und die Wolken, für den Geruch der Erde und
des reifenden Korns, für den Gesang der Lerchen und der Grasmücke, für die
Menschen, mit denen ich heute zusammen gewesen bin und mit denen ich nun
zusammen Christi Mahl feiern darf. Ich preise Gott, den Unvergänglichen, Liebe
und Freundlichkeit, mit der er mich umfängt wie eine Mutter ihr Kind. Ihm sei
Lob und Ehre, dass er mir und uns allen Anteil gibt an der Fülle seines ewigen
Lebens.
Amen.