1. Joh 1,1-4
26.12.1963 (Christfest II), Wolfenhausen/Nellingsheim

EG 36,1-6 Fröhlich soll mein Herze springen
EG 37,1-4 Ich steh an deiner Krippen hier
EG 41,6-7 Jauchzet, ihr Himmel
EG 34,3 Freuet euch, ihr Christen alle
Abendmahl
EG 37,1-3 Jauchzet, ihr Himmel
410,4 Wie schön
EG 190.2 Christe, du Lamm Gottes
EG 41,7 Jauchzet, ihr Himmel

Lk 2,15-20      1. Joh 1,1-4

Liebe Gemeinde,

„Gibt es das richtig?“ – so haben meine Kinder gefragt, als unser Stefan dieser Tage eine Karte von seiner Patentante erhielt, auf der sie ihm schrieb, dass sie über Weihnachten eine Reise nach Palästina machen werde und dort den Heiligen Abend in Bethlehem verbringen wolle. „Gibt es das richtig?“ Was steckt hinter dieser Frage, die so kindlich gar nicht einmal ist? Natürlich steckt dahinter allerhand Misstrauen der Kinder gegen uns Erwachsene, die ihnen da so allerhand vorerzählen und vormachen: den Pelzmärtel und das Christkindle, das die schönen Sachen bringt, oder den Osterhasen, der die Eier legt, und den Storch, der die kleinen Kinder bringt: Die großen Leute sagen das so, aber es ist nicht richtig, und das haben die Kinder ja bald hier oder dort durchschaut.
„Gibt es das richtig?“ Hinter dieser Frage steckt die sehr berechtigte Anfrage, ob es denn hier, mit Weihnachten, anders sei. Ob der Stall von Bethlehem, Ochs und Esel, die Hirten auf dem Felde und die Engel mit ihrem „Ehre sei Gott in der Höhe“ eben auch zu dem gehören, was die großen Leute den Kindern vormachen, wie die anderen Märchen auch? Oder – nun ja, ob es das richtig gibt!
Gewiss, da nun die Patentante nach Bethlehem fährt, gibt es das also wirklich. Und daran zweifelt ja auch keiner von uns. Aber ob wir Weihnachten an diesem Ort finden können, das ist ja erst noch mal die Frage. Denn Weihnachten, ist das nicht vorbei? Gestern war es, oder vielmehr: Gestern war es 1963 Jahre her, seit der Heiland geboren wurde. Und wenn wir auch lange Zeit haben, den Ort Bethlehem aufzusuchen, wir finden dort ja nicht mehr wie einst die Hirten, „die Geschichte, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.“ Wir finden vielmehr eben das Bethlehem des Jahres 1963 – eine nicht eben friedliche Gegend übrigens, nahe der heißen Grenze zwischen Israelis und Arabern, wo noch heute die Kontrollen der Vereinten Nationen eben noch verhindern, dass der Krieg ausbricht, 15 Jahre nach dem Waffenstillstand. Gewiss: Das gibt es richtig, dieses Bethlehem.
Aber das meint jene sehr ernsthafte Frage ja auch gar nicht. Die meint vielmehr, ob es das richtig gäbe: Euch ist heute der Heiland geboren. Ob es mit dem seine Richtigkeit habe, auf was es ankommt am Christfest. Gibt es das richtig? Seht, da sind wir nun bei dem, was uns der Verfasser des 1. Johannesbriefes versichert, sehr eindringlich versichert: „Das da von Anfang war, was wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unseren Augen, das wir beschaut haben und unsere Hände betastet haben, das wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch!“
In der Tat, so ist das ja: Von etwas, das einmal geschehen ist, bekommen wir eben nur so Kenntnis, dass uns einer davon erzählt, so, wie der da es schreibt: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch.“ Und also käme es dann eben nur darauf an, ob wir die Berichterstatter für glaubwürdig halten und es eben glauben, was die erzählen, und also annehmen: „Das gibt es richtig“, oder vielmehr „das hat es einmal richtig gegeben“, oder aber wir lehnen ab, das zu glauben, und sagen, das seien schöne Geschichten, wohl, und auch recht, um sie den Kindern zu erzählen, aber in Wirklichkeit habe es das doch nie gegeben. So scheinen uns die Worte des Johannes vor ein Entweder – Oder zu stellen, dies, was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch! Entweder, du glaubst das eben, oder du lässt es bleiben, weil dir dieser Zeuge nicht glaubwürdig genug vorkommt und du überhaupt die ganze Geschichte mit Jesus für fragwürdig hältst.
Ich sage: Anscheinend stellt uns dieser da mit seinen Worten vor ein solches Entweder – Oder – eben das da zu glauben oder es nicht zu glauben. Aber so scheint das nur: Es ist ja in Wirklichkeit ganz anders mit dem, was der da zu sagen hat! „Was wir gesehen haben, das verkündigen wir euch“ – was ist das? Nicht, was gewesen ist, nichts von all dem Drum und Dran der Weihnachtsgeschichte, nichts von all dem, was unser Gemüt so angreift und was darum auf der anderen Seite dieses Weihnachten, die Weihnachtsgeschichte so märchenhaft macht, dass die Kinder fragen: „Gibt es das richtig?“ Nichts ist da gesagt von dem Stall und der Krippe, von Ochs und Esel, von Engeln und Hirten, vom Stern und den Weisen aus dem Morgenland, nichts von der Heiligen Familie, von Josef und Maria. Vielmehr: „das Leben ist erschienen, und wir haben es gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen.“ Gibt es das richtig?
Liebe Freunde: Da erst sind wir mit unseren Fragen auf der richtigen Spur, wo wir so weit sind, nach diesem zu fragen, von welchem uns der Apostel hier schreibt: Nach diesem ewigen Leben, das da erschienen ist! Vielleicht merkt ihr schon, wie hier unsere geläufige Frage einfach übersprungen ist, dies, dass wir nach dem, was gewesen ist, fragen, nach dem vergangenen Weihnachten – es ist gewesen, gestern und vor 1963 Jahren. Nein! Von diesem ewigen Leben, das der da gesehen und gehört hat und uns bezeugen und verkündigen will, von dem kann man nicht sagen: Es ist gewesen – gestern oder vor 1963 Jahren. Nein, wenn es zurecht ewig heißt, dann ist es nicht vergangen, dann kann es überhaupt nicht vergehen. Gibt es das richtig? Wir merken wohl, dass diese Frage unangemessen ist dem gegenüber, was da gesagt wird. Denn sollte es ein solches Leben wirklich geben, dann hilft mir das ja überhaupt nichts, wenn ich nicht dazu komme, wenn ich nicht dabei bin, wenn ich nicht dazu gehöre! Wie komme ich dazu? Das ist die echte Frage, denn mit dieser Frage kommen wir ihm ja entgegen, der sagt: „Das verkündigen wir euch, auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ Dahin will er uns haben, bei sich selber und damit zugleich bei Gott, dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus. Denn da ist dieses Leben, das ihm erschienen ist, da gibt es das richtig!
Noch einmal fragen wir weiter: Was heißt das? Ich meine, wir seien schon nahe dran, die rechte Antwort zu finden: Gibt es das richtig? Das hieße: Weihnachten ist nicht in Bethlehem zu finden, mag es auch schön sein, einmal dorthin zu kommen. Weihnachten ist auch nicht gewesen, gestern oder vor 1963 Jahren. Nein: Wenn es das richtig gibt, wovon der da redet, dass das ewige Leben erschienen ist, dann ist es hier, dann ist es jetzt zu finden, dann sind wir dabei. Dabei mit dem Zeugen Johannes, dabei in der Gemeinschaft mit Gott dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus, hier und jetzt. Aber wie ist das dann mit dieser Gemeinschaft? Die kann man nicht denken, die kann man nur tun, durchleben. Da, da ist er, überall, der Vater – als der allem das Sein gibt. Und fragst du, ob dass denn der Vater sei, nicht ihn darfst du fragen, frag den Sohn! Und dann, wenn du den gehört hast, und hast es erlebt und gesehen – mach es wie Johannes, werde Zeuge in Wort und Tat! Amen.