1. Kor 4,1-5
17.12.1961 (3. Advent), Wolfenhausen/Nellingsheim

EG 11,1-4 Wie soll ich dich empfangen
EG 16,1-4 Die Nacht ist vorgedrungen
EG 10,4 Mit Ernst o Menschenkinder
[Gott und Vater]
EG 11,6  Wie soll ich dich empfangen

Liebe Gemeinde,
„dafür halte uns jedermann, für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse“ und vermutlich wird es uns nicht in den Sinn kommen, das zu bestreiten, so, wie es damals in Korinth unter den Christen einige gegeben hat, die das taten. Die sagten, er sei gar kein rechter Christusdiener, er verstünde überhaupt nichts vom wahren Glauben, und was der Vorwürfe mehr gewesen sind, welche man dem Apostel machte. Ich sage: Wir werden wohl kaum auf den Gedanken kommen, jene Behauptung zu bestreiten. Etwa zu sagen, das sei nicht wahr, was Paulus in seinen Briefen, oder die anderen Apostel überhaupt geschrieben haben. Zu behaupten, die Bibel sei ein falsches und verlogenes Buch, und wenn es einer schon so denkt, wird er es kaum aussprechen. Nein, wir machen das viel geschickter. Wir streiten uns gar nicht herum – nicht in Gedanken mit der Heiligen Schrift, indem wir bedächten, was sie sagt, und das, was gegen sie sprechen könnte, sorgsam erwögen. Ihr streitet euch auch nicht mit dem Pfarrer herum, der hier jene Aufgabe hat, welche der Apostel für sich in Anspruch nahm – Diener Christi zu sein und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Was braucht es solche Streiterei, die doch bloß Ungelegenheiten bringt. Die einen doch bloß zwingen würde, sich zu überlegen, was da geschrieben steht und was der auf der Kanzel sagt. Viel geschickter machen wir es, indem wir uns einfach nicht darum kümmern. Und brauchen dabei noch gar nicht einmal an jene zu denken, deren Bibel bloß beim Staubwischen aus dem Büffet genommen wird und die schon seit Jahren nicht mehr die Kirche von innen gesehen haben. Nein, unsere Gleichgültigkeit, die sitzt tiefer. Es sind nicht nur die, welche sich gar nicht um dies Wort und um dies Reden kümmern, welche streiten! Es sind doch genau so auch die, welche sich nicht drum kümmern, indem sie überhaupt nichts gegen dies Wort sagen, ja, vielleicht gar nicht einmal etwas dagegen denken – und kümmern sich nicht darum, indem sie es zwar hören, aber dann gerade nicht tun. Das ist es, liebe Freunde! Was dies Amt heutzutage und hier so schwer macht: Die Gleichgültigkeit, die gar nicht unfreundlich zu sein braucht – und doch merkt man’s genau: Im Grunde brauchen sie es nicht. Im Grunde ist ihnen das, was du zu sagen hast, so schrecklich gleichgültig – geht es sie so wenig an, lassen sie’s so gar nicht an sich heran kommen.
Seht: so streitet man heutzutage mit dem Wort und denen, welche dies Wort zu predigen haben: Indem man es einfach nicht an sich heran lässt. Indem man es einfach ignoriert, sich nicht darum kümmert. Ich brauche es nicht! Es wäre einfacher, praktischer, klarer, wenn’s dies Wort nicht gäbe! Und haben sie nicht recht, die so denken und auf Sachen abstellen, die sie zum Leben brauchen! Dann will ich einmal aufhören, meinen Regen zu schicken. Dann will ich einmal die Sonne nicht zur gewohnten Zeit aufgehen lassen! Dann werden wir ja sehen, wer wen braucht! So könnten wir uns das schon ausmalen, und es ist wohl möglich, dass wir dabei der Meinung sind, es wäre dies alles recht, weil wirkungsvoller gewesen als das, was Gott getan hat.
Doch dies ist nun ja Gottes Geheimnis, von welchem der Apostel redet. Das ist Gottes Geheimnis, das er’s so gemacht hat und nicht anders. Dass er sich uns so bemerkbar macht, wie er das getan hat. Dass er den einen damals erwählte, Jesus – und der hat es gesagt. Der hat gesagt: Seht, so kommt Gott, dass ich euch von ihm predige. So kommt Gott, dass ich euch seinen Willen erkennen lehre. So kommt Gott, dass ich euch seine Gnade zeige. Er will das gerade nicht, wozu er sein gutes Recht hätte. Er will euch gerade nicht quälen, damit ihr aus eurer Vergesslichkeit erwacht. Er will euch gerade nicht strafen, weil ihr ihn vergesst und meint, ihr könntet auch ohne ihn auskommen. Weil ihr denkt, er, Gott, müsse nach eurer Pfeife tanzen, er müsse seinen Segen zu dem geben, was ihr sowieso tut, ohne erst lange nach ihm zu fragen. – Seht, das ist Gottes Geheimnis, dass er so zu uns kommt. Das ist sein Geheimnis, dass er uns so eben gepredigt werden lässt. Nicht anders als so will er uns kundtun, was sein Wille ist! Es ist seine leise, seine göttliche Weise, wie er zu uns kommt. Ohne sich aufzudrängen. So, dass wir gar zu leicht auch überhören können. So, dass wir es gar zu leicht der irrigen Meinung verfallen, wir brauchten ihn ja gar nicht. Jedenfalls nicht so nötig. Jedenfalls nicht so, wie wir viele Dinge unseres Lebens zu brauchen glauben.
Seht: Daran mahnt uns der Apostel, dass wir das ja nicht vergessen, dass Gott anderer Meinung ist als wir in unserer Gleichgültigkeit. Daran mahnt er uns – ganz einfach durch sein Dasein. Da sind seine Worte – und wir kommen nicht um sie herum. Da sind seine Worte, die von Gottes Geheimnis reden – von dem unaufdringlichen Kommen Gottes. Das ist nötig. Das braucht jeder. Mag er noch so rechtschaffen, noch so klug, noch so fromm sein. Das braucht jeder, mag er sein, wer er will – mag es sogar der Apostel Paulus selber sein, der von sich sagen konnte, was zu sagen wohl kaum einer unter uns zu sagen wagen würde: Ich bin mir nichts bewusst – und führt zugleich fort: Aber darin bin ich nicht gerechtfertigt.
Seht: Da ist die Rede vom Kommen des Herrn am Ende. Da wird jeder merken, dass er ihn braucht. Aber nicht die Furcht vor dem, das kommt, soll uns zu ihm treiben, sondern seine Liebe, in welcher er uns aufgesucht und heimgesucht hat. Dass wir ihn brauchen, so wie er gekommen ist, leise, unaufdringlich in seinem Wort – das soll uns das Fest lehren, das wir nun feiern wollen.
Amen.