1. Kor 9,24-27
02.02.1958 (Septuagesimae), Wolfenhausen/Nellingsheim

253,1-4 Auf Christenmensch, auf, auf zum Streit
EG 342,1-6 Es ist das Heil uns kommen her
267,3 Rüstet euch, ihr Christenleute

Lk 14,25-33                1.Kor 9,24-27

Liebe Gemeinde,
in der Stadt Korinth wurden im Altertum alle 4 Jahre große sportliche Wettkämpfe abgehalten, an denen die besten Athleten des ganzen Mittelmeergebietes teilnahmen. Diese Kampfspiele beschäftigten damals die Gemüter genauso, wie das heute etwa die Olympischen Spiele tun, und jedem Korinther war der Wettlauf im Stadion eine sehr bekannte und vertraute Sache. Selbstverständlich kannte man die besten Läufer mit Namen, und ebenso selbstverständlich hoffte man, dass doch die einheimischen Athleten am besten abschneiden sollten. Man kannte genauso wie heute das strenge Trainingsprogramm, das sie absolvierten, und jedermann bewunderte diese Sportskanonen, auch wenn er nicht daran denken konnte, es ihnen gleich zu tun.
Der Apostel Paulus, der sich ja mehrere Jahre in Korinth aufgehalten hat, kannte natürlich diese Sportbegeisterung genau. Und darum wählte er in seinem Brief an die Christengemeinde in Korinth den sportlichen Wettkampf als ein Gleichnis, um seinen Christen zu zeigen, was ihr Christenleben eigentlich sei.
Ihr alle, so ruft er ihnen zu, seid wie die Läufer auf der Aschenbahn. Auch ihr müsst euch anstrengen, so sehr ihr das überhaupt könnt. Denn: Wer einmal in die Schranken getreten ist, für den gibt es nur noch ein Entweder – Oder. Entweder Sieg – oder Niederlage. Entweder gewinnen – oder verlieren. Und das Gewinnen, so führt er fort, ist keine ganz einfache Sache. Seht die Wettkämpfer an: Die lassen sich den Sieg etwas kosten. Ihr ganzes Leben ist auf diesen Sieg ausgerichtet. Bei allem, was sie tun oder lassen, fragen sie sich: Wird es mir schaden oder hilft es mir, mich auf den Tag des Wettkampfes in richtige Form zu bringen: „Ein jeglicher aber, der da kämpft, enthält sich alles Dings; jene also, dass sie eine vergängliche Krone empfangen, wir aber eine unvergängliche.“ Seht, liebe Freunde! Darauf läuft der Vergleich des Apostels hinaus: Seht bei allem, was ihr tut oder lasst, ihr Christen, auf das Ziel, dem es zugeht. Nur dann könnt ihr den unvergänglichen Siegespreis des ewigen Lebens erlangen.
Wir alle sind in die Schranken gefordert, wir alle sind gerufen, den Lauf unseres Lebens mit Ehren zu bestehen. Aber – wird uns das auch gelingen? Seht – nicht nur die eigene Form ist bei einem solchen Wettkampf wichtig, sondern genauso wichtig ist es, dass man den Gegner kennt, gegen den man antreten muss. Was ist nun dieser Gegner? Der Gegner, gegen den es nur gewinnen und verlieren gibt, der Gegner, der uns unseren Kampfpreis streitig machen möchte? Paulus nennt diesen Gegner. Freilich, das mag uns nun wohl etwas überraschen, zu hören, wer dieser unser Gegner ist: Unser Gegner in dem Lauf unseres Christenlebens – das sind wir selber! So jedenfalls erläutert das der Apostel Paulus an seinem eigenem Beispiel: „Ich betäube meinen Leib und zähme ihn, dass ich nicht den anderen predige und selbst verwerflich werde.“
Das gilt nicht nur für den Apostel und es gilt nicht nur für alle, die gleich ihm das Evangelium predigen, sondern es gilt jedem einzelnen unter uns: Dein Gegner bist du selbst. Dein Gegner, der dir den Siegespreis des ewigen Lebens streitig machen möchte, bist du selbst. Dein Gegner, den es niederzuringen gilt in diesem Leben, bist du selbst. Diesem Hinweis des Apostels Paulus wollen wir nun miteinander nachgehen und versuchen, seine tiefe Wahrheit zu erfassen.
1. Seht, es geht unter uns eine sehr gefährliche Anschauung um, die ganz gewiss der böse Feind in die Welt gesetzt hat, um uns desto sicherer in seine Gewalt zu bekommen: Diese Anschauung heißt: Der Glaube, das ist eine Herzenssache, die jeder in seinem Inneren mit sich selber abmachen muss. Diesen Glauben kann niemand sehen, und darum geht mein Glaube keinen anderen etwas an. Diese Anschauung ist darum so gefährlich, weil sie eine gewisse Wahrheit enthält. Aber seht: Eine solche Wahrheit, die nur eine Halbwahrheit ist, die ist oft noch viel gefährlicher als eine ganze Lüge. Denn eine ganze Lüge, die ist leichter zu erkennen als das, was sie ist, während es eine halbe Wahrheit nur zu leicht hat, sich vor unseren Augen als die ganze Wahrheit aufzuspielen. Warum denn ist diese Anschauung, dass der Glaube eine Herzenssache sei, die niemand sonst beurteilen könne als Gott selber, der ins Verborgene sieht, eine so gefährliche Halbwahrheit? Seht, sie reißt unser Leben auseinander. Wir meinen dann: Die Hauptsache ist doch, dass ich in meinem Herzen den richtigen Glauben habe. Und dass ich mit diesem Glauben im Herzen so lebe, wie ich das vor meinem Gewissen verantworten kann. Das wäre recht und schön und gut – wenn jeder für sich allein auf dieser Welt wäre. Es wäre recht und schön und gut, wenn jeder von uns nur für sich allein verantwortlich wäre in dieser Welt. Aber eben das ist nicht wahr, und darum ist diese Anschauung, dass der Glaube eine Herzenssache sei, die nur jeden einzelnen selber anginge, eine so gefährliche Halbwahrheit.
Seht: Was der Apostel dagegen zu sagen hat, ist dies: Man muss den Glauben sehen können. Man muss ihn sehen können in dem, wie ein jeder sein Leben führt. Nein! Es geht nun einmal nicht an zu sagen: Mein Glaube, das ist mir eine Herzenssache, und die geht keinen Menschen etwas an. Liebe Freunde! Das ist ein gefährlicher Irrtum, und wir tun gut daran, diesen Irrtum ganz und gar unter uns auszurotten. Nein! Man kann den Glauben sehen. Und man soll den Glauben sehen. Man soll ihn sehen an unserem Leib, an dem, was wir mit diesem Leib anfangen. An dem, was wir tun, an dem, was wir reden. Denn: Wir sind nun einmal nicht allein, sondern wir leben miteinander. Wir schauen einer auf den anderen – und darum dürfen wir uns nicht berufen auf den Glauben, der uns im Herzen wohnt. Vielmehr, darauf kommt es an, dass unser ganzer Leib zu einem rechten und brauchbaren Werkzeug des Glaubens wird. Seht, liebe Freunde, darum geht der Kampf unseres Christenlebens, dass der Glaube, der in unserem Herzen wohnt, wirklich und sichtbar die Führung hat in unserem Leben. Dass er den Leib, dass er all unser Tun und Reden so gestaltet, dass jeder merkt: Dort regiert der Glaube und nicht der Eigensinn. Dort regiert der Geist Gottes und nicht der Weltgeist. Dort regiert Gottes Wille und nicht der eigenen Wille.
2. Warum ist es denn so wichtig, dass man diesen unseren Glauben auch wirklich sehen kann? Seht, der Grund ist ganz einfach der, dass wir einander sehen und dass wir aufeinander sehen. Dass einer den anderen zum Vorbild nimmt, im Guten genauso wie im Bösen. Denken wir daran? Denken daran oft genug, in all unserem Tun und Lassen? Wer bestimmt denn, wie sich unsere Kinder einmal verhalten? Wer bestimmt denn, was die heranwachsende Jugend sich für ein Lebensziel steckt? Wer bestimmt den, was sie tut und was sie lässt? Doch wir selber, wir alle, die sie täglich vor Augen sehen. Mit denen sie umgehen, an denen sie hinauf sehen – ob sie es sich eingestehen oder nicht.
Darum, liebe Freunde, kommt es darauf an, dass wir uns selber, dass wir unseren Leib in der rechten, guten Zucht des Glaubens haben.
Das fängt bei kleinen Dingen an. Wie leicht geht uns doch ein Fluch über die Lippen, wenn einmal etwas nicht so läuft, wie wir es wollen. Vielleicht denken wir uns gar nichts dabei, vielleicht schadet es auch dem Glauben unseres Herzens wirklich nicht, wenn wir so unserem Ärger Luft machen. Aber – unsere Kinder, die zuhören: Was ist denn mit denen? Ist es nicht ein Schade, der nie mehr ganz gutzumachen ist, wenn diese Kinder den Gottesnamen zuerst als Fluch kennenlernen? Es ist mir im Konfirmandenunterricht schon mehr als einmal passiert, wenn ich auf die heiligen Sakramente komme, auf Taufe und Abendmahl zu sprechen kam, dass meine Konfirmanden sehr verständnisvoll gegrinst haben. Und wenn ich dann nach dem Grund fragte, meinten sie: Sakrament, das ist doch ein Fluch! Wollen wir das? Wollen wir, dass unsere Kinder Gott und seine Gnadengaben zuerst durch unsere Flucherei kennenlernen? Und dass der Weg zu Gott und seinen Gnadengaben schwergemacht und vielleicht gar für immer verbaut wird? Wollen wir das verantworten? Seht, da fängt der Kampf gegen unseren Leib an. Da müssen wir diesen Leib betäuben und zähmen. Da gilt es, mit der Zunge und den Lippen fertigzuwerden, die so gern bereit sind zu fluchen! Oder: Wie ist es etwa mit unserem Kirchgang am Sonntagmorgen? Freilich davon sind wir überzeugt, dass es schon wichtig ist, in die Kirche zu gehen. Aber: Wenn dann der Sonntagmorgen da ist, dann gibt es noch dies und jenes zu tun, und schließlich sind wir nicht fertig, wenn es zusammen läutet. Und wir denken: Nun, das kann doch unserem Glauben nicht schaden, wenn wir auch einmal nicht in die Kirche gehen. Wir sind doch trotzdem rechte Christen. Wir wissen trotzdem, was wir zu tun und zu lassen haben. Mag sein, dass es unserem Glauben nicht schadet. Mag sein, dass wir auch recht haben, wenn wir denken: Ich bin heute doch noch viel zu müde, um dem richtig zu folgen, was der Pfarrer sagt. Aber: Wir sind eben nicht allein. Und es ist nicht unsere Privatsache, die wir mit uns selber und mit unserem Gewissen abzumachen haben, ob wir in die Kirche gehen oder nicht. Denn es sind ja auch noch andere da, die auf uns schauen, die sich nach uns richten. Wir klagen doch so gerne darüber, dass die Jugend gar nicht mehr richtig zu Kirche gehen wolle. Aber: Kann man es von einem jungen Menschen verlangen, dass er in die Kirche kommt, wenn die Älteren daheimbleiben? Wird er sich nicht sagen: Nun, das In- die-Kirche-Gehen, das ist anscheinend doch nicht so wichtig, wie der Pfarrer das immer behauptet. Sonst müssten doch die Alten, der Vater, der Pate, der ältere Bruder, sich auch mehr danach halten. Und vielleicht haben wir uns den Kirchgang ganz abgewöhnt! Oder haben ihn durch unsere Nachlässigkeit gar einem anderen abgewöhnt!
Seht, liebe Freunde! Ich könnte noch viele solche Beispiele anführen: Zeigen wir, was es heißt, im Glauben an Gott unsere Arbeit von Herzen zu tun? Zeigen wir, was es heißt, wirklich fröhlich zu sein, ohne doch einen zarten, gewissen Anstoß zu geben? Zeigen wir, was es heißt, eine rechte Ehe zu führen? Haben wir uns selber in Zucht? So, dass wir sagen können: Mein Leib gehorcht mir? Er muss so leben, wie mein Glaube ihm das befiehlt! Oder lassen wir uns gehen? Lassen wir unserem Geschwätz freien Lauf, unserer Unordnung, unserer Begehrlichkeit?
Denkt daran: Unser Leben ist ein Kampfplatz. Und unser Gegner – das sind wir selber. Wer soll herrschen in uns? Der Glaube, den Gott in uns gelegt hat, oder unser Eigensinn, unsere Selbstsucht, unsere Sinnlichkeit? Verlasst euch nicht darauf, dass dieser Glaube ja im Herzen wohne und dass niemand euch diesen Glauben nehmen könne! Ihr selber könnt ihn euch nehmen, könnt ihn euch nehmen, wenn ihr euren Leib nicht fest in der Hand habt! Hier gibt es nur einen ganzen Sieg, oder eine ganze Niederlage. „Wisset ihr nicht, dass die, so in den Schranken laufen, die laufen alle, aber einer erlangt das Kleinod. Laufet nun also, dass ihr es ergreifet!“
Amen.