Erntedankfest, 28.10.1962                     Wolfenhausen/Nellingsheim

 

230, 1-8 Ich singe dir mit Herz (181)

233, 1-3 Sei Lob und Ehr dem (220)

233,7                                     (220)

238, 5.6 Oh dass ich tausend    (195)

 

Matthäus 5, 43 - 48

2. Korinther 9, 6-15

 

Liebe Gemeinde!

 

In meinem Gebetbuch sind für das Erntedankfest drei Gebete zur Auswahl abgedruckt: In guten, in mittleren und in schlechten Jahren. Welches dieser Gebete soll ich heute wählen? Ein schlechtes Jahr ist es gewiss nicht gewesen – es ist sogar viel besser geworden, als man das in dem frostreichen Winter oder in dem trockenen Frühsommer erwarten konnte; und abgesehen davon, dass das Futter ein wenig knapp ausgefallen ist, wird man sich nicht beklagen können. Aber ein gutes Jahr? Gibt es das eigentlich noch, wie es hier in meinem Gebetbuch vorgesehen ist? Ein gutes Jahr? Wir wissen wohl, dass das nicht mehr kommen wird, und könnten das Gebet in einem guten Jahr eigentlich streichen.

Denn wie die Jahre für den Bauern ausfallen, das bestimmt heute nicht mehr einfach der da oben, der seinen Segen ausschüttet und zurückhält, wie es ihm gefällt, sondern das bestimmen die Politiker, die in Brüssel die Agrarpreise aushandeln – und ihr wisst so gut wie ich, dass wir froh sein müssen, wenn es da bei mittleren Jahren bleibt, und sie dort nicht aus dem, was der Herrgott wachsen lässt, allemal für den Bauern ein schlechtes Jahr machen.

Sie sind mit dabei, diese Gedanken, gerade heute, am Erntedankfest, und ich meine, es wäre verkehrt, wenn wir sie hier an dieser Stelle verschweigen oder aus unserem Kopf verdrängen wollten, als ginge uns das jetzt nichts an – jetzt, wo wir versammelt sind, Gott für das zu danken, was er auf unseren Feldern wachsen ließ.

Aber wahrscheinlich ist sogar noch mehr dabei. Können wir gerade heute nicht einfach bloß zurückblicken auf das Jahr, das gewesen ist, sondern haben unsere Sorgen mit dabei, wie es wohl weitergehen soll. Wie es wohl nächsten Jahr aussehen wird um diese Zeit. Es sollte regnen jetzt – das wäre dringend notwendig. Das ist schon eine Sorge. Und sie hat wohl ihr Recht. Aber vor allem: Es muss Frieden bleiben. Sie müssen sich einigen, Kennedy und Chruschtschow! Das gehört mit dazu, ja es geht allem anderen voraus, wozu wir Gottes Hilfe nötig haben, soll es überhaupt weitergehen mit uns, mit unserem Leben, mit unserer Arbeit, mit Säen und Ernten, mit Arbeiten und Verdienen, mit Kaufen und Verkaufen.

Dies alles, es gehört doch mit dazu zu dem, was wir hierher gebracht haben, um es vor Gott zu bringen – der Dank, dass es bisher gegangen ist, der Dank für das, was das Jahr gebracht hat, wie die Bitte, er möge seine Hand weiterhin über uns halten, und uns gnädig bewahren!

Er ist mit dabei, und darum fällt es mir schwer, das eine festzuhalten, und zu bewegen und zu entfalten, was der Name unseres heutigen Tages nennt: Erntedankfest. Denn es ist diese Vielfalt von Gedanken und Überlegungen mit dabei, und von Sorgen und Bitten. Vielleicht hatten sie es früher einfacher, wo sie tatsächlich sagen konnten: Ein gutes Jahr, oder ein mittleres Jahr, oder ein schlechtes Jahr – und schauten dabei eben auf das, was ihnen gewachsen war. Vielleicht war sie einfacher, jene Zeit, leichter zu überschauen – eine andere Welt als unsere. So könnten wir jedenfalls sagen. Aber gewiss war es kein anderer Gott – und darum mögen wir uns trösten in unserer Unruhe! Er ist derselbe und bleibt derselbe, der einst Noah versprochen hat: Solange die Erde steht…

Dafür wollen wir ihm danken, dass er der bleibt, der er ist, und dass wir darum uns an ihn halten können. Er ist der, der Samen reicht dem Sämann und Brot zur Speise. Er reicht, darum reicht es, was wir haben. Seht – das ist eigentlich eine ganz einfache Sache, aber freilich etwas, das uns herausnimmt aus unseren gewöhnlichen Überlegungen. Denn da reicht es allemal nicht! Und wir können die Gründe nennen, warum es nicht reicht, gute Gründe oftmals – nicht dass wir ein Luderleben beginnen wollten: Wir brauchen dies und das, notwendige Anschaffungen, und es reicht nicht.

Seht: Gerade da mögen wir uns einmal herumdrehen lassen: Er reicht`s – darum reicht es! Samen den Sämann und Brot zur Speise: So dass wir zu leben haben, bis zum nächsten Mal, und so, dass es weitergehen kann, in die Zukunft hinein. Das meint Paulus mit diesen Worten, uns wir tun gut daran, sie recht zu bedenken: Es reicht! Das heißt: So viel gibt er, das wir jetzt genug haben, und dafür genug haben, dass es weitergehen kann. Es wäre gewiss zu wenig, wenn das Saatkorn mitgegessen werden müsste! Es wäre zu wenig, wenn es bloß für jetzt reichte! Mehr reicht es, so meint es Paulus, reicht so viel, dass es weitergehen kann, zu einer neuen Ernte, die kommen soll. Das ist andersherum geredet und andersherum gedacht, als wir das gewöhnt sind. Bei uns, da will es immer nicht reichen. Da stehen jeden Augenblick viel Wünsche und Ziele und Notwendigkeiten da, dass es nicht reichen will. Aber Paulus meint: Es reicht! Es reicht sogar über den Augenblick hinaus. Reicht bei auch euch allen, mögt ihr arbeiten, was ihr wollt. Ihr habt immer noch genug zur Saat.

Freilich: Das lässt sich nicht einfach ausrechnen. Wenn wir uns einen Zettel hernehmen , und verrechnen unsere Einnahmen und Ausgaben, fragen uns danach, was wir haben und was wir brauchen - dann werden wir immer herausrechen: Es reicht nicht. Doch das lässt Paulus gerade nicht, zu, dass wir einfach bei diesem es bleiben: Er reicht, so sagt er uns das. Er reicht, weil er reicht, reicht für das, was wir brauchen, und reicht darüber hinaus: „Der aber Samen reicht dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch noch Samen reichen und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte unserer Gerechtigkeit.

Wir haben so viel, das wir geben können! Glaubet mir, die Leute, an welche Paulus damals schrieb, sind gewiss nicht im Geld geschwommen. Sie haben so wenig übrig gehabt, wie wir übrig haben. Aber es reicht! Und das mögen wir uns wohl einmal recht deutlich sagen lassen. Es streut ja auch keiner das als Samen hinaus, was er übrig hat, was er nicht vermahlen oder verkaufen oder verfüttern will von der Frucht, die er geerntet hat. Nein! Saatgut, das ist nichts Übriges, das ist etwas Notwendiges! Und jeder von euch weiß das viel besser als ich, wie wichtig es ist, das richtige Saatgut zu wählen. Es reicht – er reicht uns so viel, dass wir geben können. Und gerade da gilt es: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.

Freilich: Um das zu begreifen, müssen wir uns umdrehen lassen auf den, der uns reicht, dass wir zu solcher Aussaat übrig haben. Sonst bleiben wir bei unseren: Es reicht nicht. Und quälen uns vielleicht mit Unwillen oder aus Zwang etwas ab. Es reicht, was er uns reicht! Was wir brauchen, reicht er uns. Vergessen wir das doch nie! Denken wir nicht nur an die Früchte, die dort am Altar aufgebaut sind! Denken wir auch nicht bloß an den Zahltag, den wir bekommen! Er gibt uns: Seinen Sohn, in dem er uns seiner Gnade vergewissert. Er gibt uns in Brot und Wein die ewige Speise. Wo wir das ernst nehmen, was er uns reicht, da werden wir es auch erst nehmen, dass wir zur Saat aufgerufen sind – damit die Ernte des Dankes heranwächst. Das heißt danken, dass wir den Dank weitergeben – dass viele Gott danken.

Seht: so können wir es begreifen, was Paulus meine. Es reicht! Und darum können wir weiterreichen.

Ein gut bestelltes und gepflegte Feld ist ein schöner Anblick, und es mag einer wohl voll Stolz davorstehen: Es ist mein! Wie sieht unser Dankesfeld aus? (Gebet für die Gabe, dass sie an den rechten Ort komme!)

 

Amen