05.10.1980 Erntedankfest                      Wilhelm-Löhe-Gedächtniskirche, Fürth

 

235

230, 1-3.7.8-13

233,1-3.7            Sei Lob und Ehr

 

2. Korinther 9,6-11

 

Herr Gott, himmlischer Vater,

du hast deinen Segen zu unserer Arbeit gegeben und uns reich gemacht mit vielen Gütern,

wir bitten dich,

erfülle uns mit Dankbarkeit und lass uns die nicht vergessen, die in Not sind,

damit wir einander brüderlich beistehen,

durch Jesus Christus deinen Sohn, der mit dir und dem heiligen Geiste lebt und regiert in Ewigkeit.

Amen

 

Liebe Gemeinde!

 

Wahltag ist Zahltag – das ist ein alter Spruch. Und mancher wird daran denken, wenn er heute seine Stimme abgibt und damit zeigt, was er von der Politik hält, die in Bonn gemacht wurde, und von denen, die versprochen haben, es nun anders und besser zu machen. Es ist gut, dass wir da einmal, jeder einzelne und jeder mit dem gleichen Gewicht unsere Stimme abgeben können und so mitbestimmen, wie es weiter geht. Aber reicht es auch? Wenn heute Abend ausgezählt wird, dann werden viele so fragen, und gespannt auf die ersten Hochrechnungen warten. In erster Linie natürlich die, die sich um ein politischen Mandat beworben haben. Reicht es, fragen die einen, um weiter zu regieren? Reicht es, fragen die anderen, um diese Regierung abzulösen. Nun, wir werden sehen, ob es reicht. Wir können es abwarten – in ein paar Stunden ist es heraus.

Reicht es? Das ist eine wichtige Frage, nicht nur heute, wo die Wahlstimmen ausgezählt werden. Reicht es, so fragen die, die ihre Ernte eingebracht haben. Und da kommt es ja nicht bloß auf das an, was gewachsen ist. Es kommt auch auf die Preise an, die sie in Brüssel dann aushandeln. Reicht es? Da kann einer nun an das Geld denken, das er heimbringt, und die vielen Verpflichtungen, die er damit begleichen muss. Hoffentlich bleibt es dabei, wird die Konjunktur nicht schlechter, und das Öl nicht teurer. Was der Krieg am persischen Golf uns bringen wird, das wissen wir ja noch lange nicht. Reicht es? Reicht das Brot, und der Boden, die Luft und das Wasser für die Menschen auf dieser Erde – jetzt, und in zehn und zwanzig Jahren immer noch? Reicht es? Wir können die Sorgen, die jeder im Kopf und im Herzen hat, in diese zwei Wörtlein hineinpacken – und kommen dann leicht vom hundertsten ins tausendste und wissen bald gar nicht mehr, wie wir dran sind. Das hält einer nicht lange aus. Aber wir brauchen uns mit diesen Sorgen auch nicht herumzuschlagen. Der Apostel Paulus dreht die Frage, ob es wohl reiche, einfach um, und sagt: Zum Danken, da reicht es immer!

Sie haben sicher schon beim Hören bemerkt, um was es da geht: Paulus will eine Kollekte einsammeln, für die Gemeinde in Jerusalem, die das anscheinend besonders nötig brauchte.

Und muss das nun den Christen in Korinth klar machen, dass sie hier einmal kräftig in die Tasche greifen sollen. So etwas klar zu machen, ohne dass man dabei unverschämt wird, ist eine schwierige Sache – damals wir heute. Keiner schenkt gern etwas her, von dem er denkt, dass er es selbst braucht. Und weil wir alle, die damals und wir heute, die Sorge haben, ob es auch reicht, darum ist Geld sammeln ein schweres Geschäft – wer es schon einmal probiert hat, kann davon ein Liedlein singen!

Darum will der Apostel Paulus klar machen: Zum Danken – da reicht es. Wie mit dem Säen und Ernten ist es: Wer am Saatgut spart, der braucht sich nicht zu wundern, wenn dann die Ernte auch danach ist. Und dabei gibt Gott doch, was wir brauchen – Samen dem Sämann und Brot zur Speise: Dazu muss es reichten, und reicht immer dazu. Wie eine Saat, so ist auch die Gabe – daran soll man nicht sparen – denn Gott gibt so viel, dass es gewiss reicht.

 

Ich will das noch in zwei Sätzlein zusammenfassen. Das erste heißt: Die Gabe weitergeben, das gibt Überfluss. Das ist keine rechte Logik für den, der nur immer fragt, ob es wohl reicht. Der rechnet, dass er weniger hat, wenn er etwas hergibt. Aber in der Logik hat Gott mit seiner Gabe keinen Platz, und darum ist sie falsch!  „Der aber Samen reicht dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen reichen und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.“ Die Gabe weitergeben – das gibt Überfluss. Ich denke da an die Speisung der Fünftausend. Die Jünger hatten natürlich recht, wenn sie sagten: Die fünf  Brote und zwei Fische – das reicht doch niemals. Aber sie haben dann aus der Hand Jesu genommen und weitergegeben, genommen und weitergegeben – und es reichte.

Es war mehr als genug, zwölf Körbe mit Brocken haben sie schließlich noch eingesammelt. Das ist gemeint; wir haben`s selbst bekommen, das Brot – und das Leben, den hellen Kopf, die geschickten Hände, das Land das einer bebaut, die Arbeit, die er tut, die Kraft und die Gesundheit. Darum das erste Sätzlein: Die Gabe weitergeben, das gibt Überfluss. Und nun das zweite Sätzlein: Den Dank vermehren, das macht reich. Es ist schon recht, wenn wir danken, für die Gaben, die wir bekommen haben. Aber Paulus meint: So recht wird dieser Dank erst, wenn auch andere mit danken. „Die Handreichung dieses Liebeswerks füllt nicht allein den Mangel der Heiligen aus, sondern ist auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken.“ Den Dank vermehren – das macht reich. Wenn ich bloß für mich allein danke, weil’s mir reicht, und sehe zu, dass mir ja nichts abgeht, und will mehr und noch mehr – das kann gehen wie bei dem Manna in der Wüste: Die da meinten, sie müssten besonders viel sammeln, hatten auch nicht mehr als die anderen; und die es über Nacht aufheben wollten, die konnten es am anderen Morgen wegwerfen, weil es stank und voller Würmer war. Den Dank vermehren, das macht reicht. Denn da geht’s weiter, zu Gott, von dem doch alle Gabe kommt. Wenn der dabei ist, dann stimmt es: Die Gabe weitergeben, das gibt Überfluss – und den Dank vermehren, das macht reich. Wenn wir fragen, ob es reicht, dann wird uns hier die Frage herumgedreht: Zum Danken, da reicht es immer.

Das ist gut so – da steht es, und ich habe den Text schon richtig ausgelegt. Aber ich weiß wohl: Das nun anzunehmen, das fällt schwer. Es geht mir selbst so: Die Sorge, ob es reicht, die kriege ich nicht so leicht los. Da brauchte es ein andres Herz – um dem nachzukommen.

Paulus weiß das auch; er will von den Leuten nicht mehr verlangen, als die geben können, „Jeder nach dem Willen seines Herzens, nicht aus Unwillen oder aus Zwang“.

Aber das läst sich auch einüben. Gerade wenn mich die Sorge packen will, ob es wohl reicht – kann ich mich dran halten: Zum Danken, da reicht es. Die Gabe weitergeben, das gibt Überfluss – und den Dank vermehren, das macht reich. Vielleicht macht das Herz, mein sorgendes Herz, gerade dann mit, wenn ich einmal nicht zwei oder fünf oder zehn Mark für diesen Dank hergeben, sondern einhundert oder fünfhundert oder tausend Mark. Das macht nicht arm, sondern reich.

 

 

Herr, wir danken dir, dass du uns deinen Reichtum mitteilst. Lass uns dein Mahl zur Stärkung dienen, dass wir festhalten an dir.

Wir bitten dich für deine Christenheit, gib uns Mut und Weisheit, dass wir dich recht bezeugen mit Worten und Taten in unserem Volk und in aller Welt.

Wir bitten dich für unseren Staat, gib denen, die heute wählen, die rechte Einsicht und lass die, die gewählt werden, das erkennen und tun, was zu unser aller Besten ist. Gib du Frieden im Inneren und nach außen, dass wir uns gegenseitig achten und auch dort gelten lassen, wo wir Unterschiedliches für richtig halten.

Wir bitten dich um den Segen für alle Arbeit. Führe du uns zu mehr Gerechtigkeit, dass Überfluss und Mangel sich ausgleichen und wir in dieser Welt als deine Kinder miteinander leben,

durch unseren Herrn Jesus Christus…

(Amen)