Eph 3,1-7
06.01.1986 (Epiphanias), Kapelle Kosbach

EG 36,1-6 Fröhlich soll mein Herze springen
EG 70,1.4.7 Wie schön leuchtet der Morgenstern
EG 34,1-4 Freuet euch, ihr Christen, alle
EG 421 Verleih uns Frieden gnädiglich

Mt 2,1-12
Eph 3,1-7

Herr, Gott,
in Jesus Christus bist du uns gnädig erschienen, damit wir deiner Freundlichkeit uns freuen können und im Vertrauen auf dich leben, durch unsern Herrn und Bruder Jesus Christus, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.

Liebe Gemeinde,

mit dem Erscheinungsfest geht die Zeit zwischen den Jahren, die Zeit des Weihnachtsfestes, endgültig zu Ende. Die Kerzen am Christbaum lassen wir heute Abend ausbrennen und morgen wird dann abgeräumt, der Christbaumschmuck, die Krippe, all der weihnachtliche Tand kommt in die Schachtel, und kann da warten, bis er in einem Jahr wieder gebraucht wird. Aber die Weihnachtsbotschaft kann nicht warten, darf nicht warten. Die brauchen wir jeden Tag der Zeit, die jetzt vor uns liegt. Deshalb ist es gut, dass uns das heutige Fest mit seiner Epistel diese Botschaft noch einmal mitgibt, in einer ganz dichten, ganz komprimierten Form: „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“ So will ich das jetzt einmal zusammenfassen: „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“
Ihr, das sind hier die Heiden, die Völker, die Menschenkinder, alle! Ihr Heiden, ihr Völker, ihr Menschenkinder – alle gehört ihr mit dazu, endgültig und unwiderruflich. Das ist das Geheimnis Jesu Christi, von dem hier der Apostel redet – lange Zeit verborgen und unbekannt. Jetzt aber ist es offenbar den heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leibe gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium. „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“ Es mag sein, dass einer hier denkt: Nun, vielleicht war das seinerzeit einmal neu und aufregend und der Rede wert. Aber das weiß ich doch schon längst. Jeder weiß es; und viele legen darauf gar keinen so großen Wert, dazuzugehören. Gut! Ich will diesen Einwand akzeptieren, wenn er nicht mehr als dies sagen soll: Was seinerzeit, als der Epheserbrief geschrieben wurde, für viele Menschen neu war, anstößig und ärgerlich für die einen, die sich etwas zugutehielten auf ihren Glauben und nicht wollten, dass da nun jeder Heide, Türke und Schwarze und Hottentotte mit dazugehören sollte, und erfreulich und tröstlich für die anderen, denen das nun gesagt wurde, und die es gerne hörten und annahmen: „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“ Es hat sich inzwischen herumgesprochen, und was damals neu war, ärgerlich für die einen und tröstlich und erfreulich für die anderen, das ist nun, wie man im Schwäbischen sagt, schon so lange her, das es beinahe nicht mehr wahr ist.
Genau darauf aber kommt es an, heute am Ende dieser Festzeit, und für das Jahr 1986, das nun vor uns liegt, dass wir sie festhalten, diese erfreuliche und tröstliche Wahrheit: „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“ Dass wir uns hineinversenken in das Geheimnis Jesu Christi, von dem da die Rede ist. In dreifache Weise wird das hier ausgeführt: Ihr gehört mit dazu: Dass die Heiden Miterben sind. Dass sie mit zu seinem, zu Christi Leib gehören. Dass sie Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind, durch das Evangelium. Gehen wir dem nach!
Miterben: Gut ist es, wenn es etwas zu erben gibt. Das weiß jeder. Miterben seid ihr! Mit Jesus zusammen erbt ihr. Und das Erbe ist alles, was Gott gehört. Es ist der unermessliche Reichtum Gottes. Gut ist es, sich das klarzumachen. Wer hat nicht schon zum Himmel hinaufgeblickt und sich klargemacht: Was ich da wahrnehme im Dunkel der Nacht, das ist die unermessliche Tiefe des Raumes – unvorstellbar, in der Weite und Fülle. Was ist unsere Erde gegen diese Weite – was ist unsere Sonne – was ist unsere Galaxie? Ein Nichts ist sie, ein Staubkorn, ein Tropfen im Meer. Und erst ich, wir Menschen, unsere Vorgeschichte, eingebunden in die Geschichte des Lebens auf dieser Erde: Ein paar Jahrhunderttausende diese Vorgeschichte, ein paar Jahrtausende die Geschichte – und mittendrin ich, zwanzig, dreißig, fünfzig, sechzig, wenn es hoch kommt achtzig Jahre: eine winzige Episode, ein Nichts. Wen kümmert’s? Wen kümmert meine Freude und mein Kummer? Miterbe Christi bist du, gehörst dazu. Was Gott gehört, das gehört dir! Was Gott gehört – und nun lässt es sich noch einmal durchgehen: der Himmel, die unermessliche Tiefe des Raumes. Die Weiten, die wir nur erahnen können. Das Leben in seiner Fülle und Schönheit, was gewesen ist und was jetzt ist und was einmal sein wird: Es ist Gottes Welt, Gottes Leben. Und ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich. Das ist gemeint, wenn wir da als Miterben Christ bezeichnet werden.
Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich. Die Heiden gehören mit zu seinem Leib, zum Leib Christi: Es ist nicht eine exklusive Gesellschaft, bloß so ein paar besondere Leute, um die sich Gott kümmert, weil sein Leben, seine Welt, ihr Erbe sein soll. Manchmal kann es zwar so aussehen, nicht nur von Außen, von denen, die scheinbar nicht mit dabei sind, die nicht so recht wissen, was das soll mit dem Glauben an Gott. Auch von Innen kann es so aussehen, bei denen, die es wissen: Wir gehören zu Gott, zu seiner Welt, zu seinem Leben. Er kümmert sich um uns. Leicht wird daraus ein „Er kümmert sich um uns ganz besonders – und um die Anderen kümmert er sich nicht.“ Ich habe bei dem jüngeren Christoph Blumhardt, einem schwäbischen Gottesmann und geistbegabten Propheten, vor einigen Jahren gelesen, was mich seither beschäftigt: „Mein Vater hat mir einmal geschrieben, ich solle es mir zu Regel machen, wo ich gehe und stehe, jeden Menschen als gläubig an zu sehen,  nie zweifeln, nie anders mit ihm reden. Das hat gestimmt zu meiner Seele. Wenn ein Mameluck kommt, heiße ich ihn einen Gläubigen; nie erkenne ich, dass einer ungläubig ist. Der objektive Glauben, dass Gott an mich glaubt und ich, weil Gott an mich glaubt, an ihn glauben kann: das ist mir Glauben. Weil Jesus zu dir Zugang hat, hast du ihn zu ihm!“ (Ansprachen ... 2,133). Das ist das Geheimnis Christi: „Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich.“ Und sooft ich das vergesse, diesem und jenem Menschen gegenüber: Ich kann es mir in die Erinnerung zurückrufen: Gott glaubt an ihn. Er gehört mit dazu, zu Christus, zu seinem Leib, wie ich. Dann kann ich ihn anders ansehen.
Miterben Gottes sind wir, gehören mit zum Leib Christi, endgültig und unwiderruflich. Das schärft die dritte Wendung hier ein, dass die Heiden Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium. Endgültig und unwiderruflich. Das gilt jetzt. Jetzt lass ich mir es sagen. Und ich habe das bitter nötig. Ich weiß, wie das ist, wenn mich die Tiefe der Welt ansaugt: Lass dich fallen, ins Nichts, ins Bodenlose – jetzt oder bald. Da ist keine Hand, die dich hält, kein Herz, das für dich schlägt, kein Vater, der für dich sorgt. Ich weiß auch, wie das ist, mit den Leuten, mit ihrer Dummheit, ihrer Gleichgültigkeit, ihrer Borniertheit, der Schlechtigkeit und Bosheit und Eigenwilligkeit. Miterben des Vaters, dem diese Welt gehört? Mit allen diesen Leuten zusammen im Leib Christ? Das muss ich mir vorsagen lassen und vorsagen, immer wieder: Du gehörst mit dazu, endgültig und unwiderruflich – jetzt. Das ist das Evangelium. Jetzt gilt das, und gilt weiter, denn der verheißen hat, der ist treu und wird es tun! Gottes Geist sagt mir’s, sein Evangelium bezeugt mir’s – und weil da der objektive Glaube ist, von dem Blumhardt geredet hat, darum kann ich glauben.
So ist es mit dem Geheimnis Christi: Ihr gehört mit dazu, endgültig und unwiderruflich. Miterben des Vaters, Teilhaber am Leben des Sohnes, Mitgenossen der Verheißung des Evangeliums im Heiligen Geist!
Du großer Gott! Dafür sei gepriesen. Herrlich ist er, der die Himmel geschaffen hat, und herrlich sein Leben, das er seinen Geschöpfen mitteilt! Wunderbar seine Fürsorge, in der er mein Leben begleitet. Ich danke dir, dass ich du sagen kann: Du mein Vater, du Bruder Jesus Christus! Dafür sei er gepriesen. Er ist um meinetwillen Mensch geworden. Er ist in der Krippe gelegen. Er ist am Kreuz gehangen. Er hat den Tod besiegt und Gottes Leben offenbar gemacht in seiner Auferstehung. Ich danke dir, dass du zu mir gekommen bist und ich zu dir kommen kann. Gott, der Heilige Geist! Dafür sei er gepriesen. Er redet zu mir im freundlichen Wort des Evangeliums. Er lehrt mich, Vertrauen und Hoffnung festzuhalten. Er schenkt mir Glauben. Ich danke dir, dass du mir nahe bist. Lasst es uns mitnehmen aus dieser Festzeit! Amen.

Herr, unser Gott,
wir danken dir, das wir endgültig und unwiderruflich zu dir gehören.
Wir bitten dich für die Christenheit, dass sie deine Freundlichkeit bezeugt mit ihren Worten und mit ihrem Tun. Mach uns fähig, deiner Wahrheit den Weg zu bereiten. Wir bitten dich für die Völker und Staaten. Gib Frieden und Gerechtigkeit. Bringe die zur Einsicht, die meinen, sie müssten ihre Ziele mit Terror und Menschenverachtung durchsetzen. Wehre der Angst und gib Hoffnung, Liebe und Glauben, dass wir Menschen einander annehmen können.
Wir bitten dich, gib allen Menschen das, was sie brauchen zum Leben: Arbeit, Nahrung, Freude und Anerkennung. Lass uns deine Güter gerecht verteilen.
Wir bitten dich für Eltern und Kinder, Eheleute, Kranke, Sterbende, Trauernde. Geleite uns durch dieses Leben zu dir. Amen.