6.So.n.Trin.                  24. Juli 1960                Wolfenhausen / Nellingsheim

 

226, 1-5     O gläubig Herz, gebenedei (199)

258, 1-6     Herr Jesu, Gnadensonn       (98)

258, 7.8
226, 9        O gläubig Herz   (199)

Joh 1, 1-13   Eph. 5, 9-14

 

Liebe Gemeinde!

Wir wissen wohl, dass wir alle miteinander es immer wieder nötig haben, ermahnt zu werden. Erinnert zu werden an Gottes Gebote. Erinnert zu werden an die Verpflichtung, die uns aus unserem Glauben erwächst. Ich sage: Wir wissen wohl, dass wir das immer wieder nötig haben, und darum lassen wir es uns ja auch gefallen. Aber gar so gerne hören wir solche Ermahnungen doch nicht. Haben es vielleicht lieber, wenn wir anderes hören, Belehrung, Verheißung. Aber es hängt ja beides so eng zusammen, dass wir es eigentlich auch zusammen sehen müssen. Das werden wir leicht begreifen, wenn wir uns diese Worte des Apostels, die ich euch heute auszulegen habe, ein wenig näher ansehen, Worte, die gewiss nichts anderes sind als eine Kette gewichtiger Ermahnungen: „Wandelt wie die Kinder des Lichts. Prüft, was da sei wohlgefällig dem Herrn! Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird;“
Und dann schließlich der kräftige Ansporn, mit dem unser Text schließt: „Wache auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“

Seht – vielleicht verstehen wir dann am besten, dass alle diese Mahnungen keine Last sind, welche uns auferlegt werden soll, sondern dass sie Hilfe sind, Trost und Verheißung, wenn wir jenen Haupt- und Kernsatz, der den Ausführungen des Apostels, vorangestellt ist – jenes „Wandelt wie die Kinder des Lichts“ übertragen in die Mahnung: Ihr Christen sollt ein gutes Leben führen. Das können wir schon einmal so sagen – dann werden wir nämlich merken, was für ein nachdenklicher Satz das ist, wenn es heißt: Ihr Christen sollt ein gutes Leben führen! Freilich – wir werden es dann gleich merken, dass wir diesen Satz auf zweierlei Weise verstehen können. Dass es zweierlei Arten von guten Leben gibt. Einmal ein Leben, welches sich selber das Gute gönnt – oder sagen wir besser das, was ihm als gut erscheint, ein Leben also der Freude, des Genusses, des Vergnügens. Das hieße in dem einen Sinn: Ein gutes Leben führen –eben das, was wir alle wünschen, was uns allen passt, was uns schön und angenehm erscheint!

Wir kennen und erkennen aber natürlich auch die andere Bedeutung dieses Satzes: Ihr Christen sollt gut leben! Das heißt dann: Ihr sollt das Gute tun, das was recht ist und was Gott von euch fordert. Und ganz gewiss werden wir sagen müssen: Nur so können wir dies Wort verstehen: Ihr Christen sollt gut leben, diese Mahnung: Wandelt wie die Kinder des Lichtes.

Aber seht – ich habe schon gesagt: Dieser Satz: Ihr Christen sollt ein gutes Leben führen! – Das ist ein sehr nachdenklicher Satz. Sollte er zwei so verschiedene Dinge ausdrücken, wie das zunächst einmal den Anschein hat: Einmal, dass wir uns das Gute gönnen sollen, das was, uns gefällt, das was, uns Spaß macht, dass, was wir für gut ansehen? Und zum anderen sollten diese Worte, genau dieselben Worte, bedeuten, dass wir das Gute tun, das Gute, nicht etwa das, was uns eben als gut erscheint, sondern das, was wirklich gut ist, das, was Gott uns geboten hat, dass wir es tun.

Seht – gerade dies muss uns doch nachdenklich machen, dass wir ganz denselben Worten einen so verschiedenen Sinn beilegen wollen. Dass wir meinen, das bedeute wirklich Zweierlei, wenn wir sagen: Ihr sollt ein gutes Leben führen – und meinen dabei ein angenehmes Leben – und wenn wir sagen: Ihr sollt ein gutes Leben führen, und meinen dabei: Ihr sollt recht handeln. Seht: gerade dies, dass die Worte so ganz gleich lauten, das sollte uns nicht zur Ruhe kommen lassen, sondern das sollte unser Nahdenken in Gang halten. Dass wir uns fragen: Ist das nur ein zufälliger Gleichklang, dieses: Ihr sollt gut leben; in dem doppelten Sinn, welchem wir diesen Worten beizulegen pflegen. Oder ist dieser Gleichklang kein Zufall? Ist er Hinweis auf eine Tatsache unseres Lebens, welche unserem Denken verloren gegangen ist, welche aber unsere Sprache noch bewahrt hat: Dies nämlich, dass es richtig verstanden sei – und dasselbe ist, wenn wir sagen: Ihr sollt gut leben, nämlich so, wie es für mich selber am besten ist, und „Ihr sollt gut leben“ nämlich, so, wie es vor Gott recht ist. Seht: Deshalb können wir uns die Mahnung des Apostels: „Wandelt wie die Kinder des Lichts“ recht schön an diesen zunächst so doppeldeutigen Sätzlein: Ihr Christen sollt gut leben, klarmachen, weil dieses Sätzlein, recht verstanden, gar nicht doppeldeutig ist, sondern sehr eindeutig: Gut leben, das ist zugleich recht leben und angenehm leben – und schlecht leben, das ist unrecht leben und sich selber quälen mit dem, was einem nicht bekommt. So meint`s der Apostel, wenn es von dem unfruchtbaren Werken der Finsternis redet, von dem tun nämlich, bei welchem gar nichts herauskommt, nicht für Gott und nicht für uns selber und nicht für unsere Mitmenschen. – Freilich: Das zu begreifen, das ist nicht einfach. Das zu begreifen, dazu braucht es tatsächlich den Glauben. Seht: Im Licht sein, Kind des Lichtes sein, als Kind des Lichtes wandeln, das heißt diese Einsicht gewonnen haben, und diese Einsicht auch festhalten und sie im ganzen Leben praktizieren: Diese Einsicht, dass es nicht zweierlei gutes Leben gibt, ein rechtes und ein angenehmes, wo wir dann die Wahl hätten, ganz und gar oder auch von Fall zu Fall uns zu entscheiden, ob wir nun das Rechte oder das Angenehme tun wollen, sondern ein Gutes, das es zu tun gilt.

Seht – diese Einsicht unseres Verstandes, die verlangt der Apostel von uns, verlangt das helle Licht der Vernunft, des vernünftigen Tuns, der Klarheit der Handlungsweise, der Besonnenheit unser Taten: „Denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.“

Freilich, so leicht ist sie gar nicht zu errichten, diese Klarheit des Tuns, diese Besonnenheit unserer Handlungen, diese Überlegungen, die getragen sind von dem hellen Licht der Vernunft und der Einsicht. Denn dagegen steht die Finsternis mit ihren unfruchtbaren Werken, mit dem, was heimlich geschieht, im Verborgenen – so nämlich, dass wir, die es tun, im Augenblick, da wir es tun, gar nicht davon wissen, uns gar nicht darüber Rechenschaft abgeben – sondern höchstens in späteren Stunden der Reue uns dieser Werken der Finsternis schämen, die wir vollbracht haben: Des finsteren Zornes, der uns erfüllte, uns besinnungslos machte, uns zum Verletzen und Zerstören antrieb. Oder der dunklen Lust, welche uns beherrschte, dass wir nicht mehr auf Anstand und Ordnung und Sitte zu achten bereit waren, sondern nur noch den Willen kannten, diese Lust mit allen Mitteln zu befriedigen. Oder der blinden Habsucht, die unser Denken und Fühlen gefangen nahm, dass wir nicht merkten, es gebe im Leben anderes zu erreichen, das unendlich viel wertvoller ist als Geld und Geldeswert. Seht! So steht es mit uns: Im Licht sollen wir leben – unsere Einsicht gebrauchen – dann werden wir merken, das Rechte und das Angenehme sei nicht zweierlei, sondern das Rechte tun, das sei zugleich das Beste für uns. Dass es ein– und dasselbe meint, jenes scheinbar so doppeldeutige: Ihr sollte gut leben! Darauf weist uns der Apostel nicht nur hin, indem er uns auffordert, im Lichte unseres Verstandes zu leben und nicht in der Finsternis unserer Lüste und Triebe, sondern zugleich, indem er uns auf Gottes Willen verweist: „Prüfet, was da sei wohlgefällig dem Herrn.“ Seht – das hat der Satan den Menschen von Anfang an eingeflüstert, dass es zweierlei Gutes gebe: Das Gute, das Gott gebot, und das für den Menschen gar nicht das Richtige sei, sondern hart und schwer und unangenehm zu tun, und das was für den Menschen wirklich gut sei. (Denken wir an den Willen, wie Gott sein zu wollen, wissen, was gut und böse, nämlich für mich gut und für mich böse ist!) Seht – diese Stimme des Versuchers kommt nicht zur Ruhe – dass wir viel lieber prüfen, was uns wohlgefällig und angenehm und nützlich erscheint, statt dem Herrn und seinen guten Willen zu vertrauen. So steht Finsternis gegen Licht, der Trieb gegen die Einsicht, der Versucher gegen den Herrn, um unser Leben in die Irre zu führen – Darum die Mahnung: Aufwachen - aufstehen! Neu, gut leben.

Amen