11.11.1962         (Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr)       Wolfenhausen/Nellingsheim

 

EG 271,1-4 Gott rufet noch                    (53)

EG 318, 1-5 Valet will ich              (233)

EG 252, 4 Lasset uns mit              (225)

EG 254, 6.7 Ich will Dich lieben    (124)

 

1. Kön. 19, 1-8             Philipper 3, 7-14

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Ihr wisst, es gibt Zeiten, wo einem das Leben verleidet ist. Da will es nicht gehen, wie es eigentlich sollte. Es fällt uns alles schwer, was doch eigentlich ganz einfach sein müsste.

Es gibt Sorgen und Ärger und Schwierigkeiten mit anderen Menschen. Wir erleben unsere großen und kleinen Enttäuschungen, müssen uns abplagen mit den Launen und der Unzuverlässigkeit derer, mit denen wir es zu tun haben.

Da kommt dies und jenes, eine Menge von Ansprüchen von Menschen und Dingen, denen wir uns nicht entziehen können. Und haben doch genug, mehr als genug von all dem, so, dass wir uns wohl den Stoßseufzer des Apostel Paulus zu eigen machen können: „Ich habe Lust, abzuscheiden.“  „Es ist genug“  – wie es der Prophet Elia sagte, dort unter dem Busch am Rande der Wüste. Solche Zeiten gibt es, das wisst ihr wohl. Sind nicht manches Mal schwere Schicksalsschläge sogar leichter zu durchstehen als das dauernde Einerlei dessen, das an uns zieht und zerrt, an unseren Nerven, an unserer Kraft!

Gewiss – es kommt immer wieder auch eine bessere Zeit, in der es flotter weitergeht, in der sich löst, was vorher als ein unlösbares Problem vor uns stand. Wo alles viel leichter geht, als wir das dachten.

Aber ist das ein Trost? Ist es wirklich ein Trost, dass wir dann, wenn wir gerade auf einer steilen, beschwerlichen, steinigen Strecke unseres Lebensweges uns entlang plagen, dass wir dann hoffen können, es werde auch wieder besser kommen?

Denn stimmt das wirklich? Kann es, wird es nicht immer beschwerlicher werden, unser Leben?

Haben wir es in der Hand, ob es wieder einfacher geht, ob es wieder besser wird?

Liebe Freunde! Es hat gewiss keinen Sinn, wenn wir uns jetzt einfach in unserem Nachdenken bei den verschiedenen Schwierigkeiten unseres Lebens aufhalten.

Nein! Es hilft uns das gewiss nicht weiter. Es hilft uns auch das andere nicht – dass wir zurückblicken auf das, was wir doch alles schon durchgestanden haben, was wir doch alles schon geleistet haben, so, dass wir meinen, wir hielten doch eine ganze Menge aus.

Dass wir meinen, wir könnten doch allerhand zu Wege bringen und brauchten uns nicht zu schämen für das, was wir alles schon getan haben.

Es hilft nichts. Gewiss, wir werden alle kein so umstürzendes und gewaltsames Bekehrungserlebnis gehabt haben wie der Apostel Paulus. Aber es kommt ja nicht darauf an, ob wir uns an eine plötzliche oder auch allmähliche Wendung in unserem Leben erinnern können. Nicht darauf kommt es an, sondern darauf, dass wir in die richtige Richtung blicken.

Darauf kommt es an, dass wir nicht rückwärts schauen, auf uns, auf unser Tun, auf das, was wir geleistet haben und leisten können!

„Was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet“…“Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich nach dem, das da vorne ist“…..

Darauf kommt es an, auf die richtige Richtung, auf die Wendung zu Christus hin, auf die Erkenntnis dessen, dass er der Herr ist. Natürlich, dass sagen wir oft, dass wissen wir genau. Es steht im Glaubensbekenntnis: Wir glauben an Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, unseren Herrn. Aber was heißt das? Liebe Freunde! Da ist die hilfreiche Einsicht, da ist das heilsame Verstehen – da ist die Kraft, die wir nötig haben. So, wie das Paulus sagt: „Ich möchte ja ihn erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden. Damit ich gelange zur Auferstehung der Toten.“

Da ist die heilsame Einsicht, da ist der Trost und die Kraft, die wir nötig haben, gerade auf jenen öden, herben Strecken unseres Lebens, von denen ich zum Eingang redete.

Freilich: Wir werden uns dabei mühen müssen um diese heilsame Erkenntnis. So, dass jenes: Christus der Herr! nicht irgendwo in der Luft hängt, als ein Gedanke, als ein Bild unserer Vorstellung. Nein!

So gerade nicht. Wenn Paulus hier vom Erkennen redet, dann meint er ein Zusammenfinden, ein Zueinandergehören, ein Einswerden: Die Gemeinschaft seiner Leiden! Die Gemeinschaft mit dem leidenden Christus. Gewiss können wir sagen: Der ist doch anders als wir.

Der ist doch anders, der da am Kreuze hängt. Der ist doch anders als wir. Bei dem hat doch alles ein ganz anderes Maß! Gewiss! Keiner von uns kann sein wie Jesus. Keiner von uns kann auch sein wie der Apostel Paulus. Das gewiss nicht. Aber darauf kommt es auch gar nicht in erster Linie an. Darauf kommt es an: Die Gemeinschaft seiner Leiden zu erkennen. Darauf kommt es an, sein Leiden so zu erkennen, dass wir in die Gemeinschaft seines Leidens hineingezogen werden und darum seinem Tode gleichgestaltet werden. O Nein!

Gerade dies Leiden Christi kann man nicht machen. Kann sich nicht selber heraussuchen, welches nun das Leiden sein soll, mit dem einer den Himmel verdient. Da mag sich einer sein Lebtag abquälen und einen Verzicht nach dem anderen auf sich nehmen und sich sagen, nach solchem harten und entbehrungsreichen Leben habe er doch den Himmel verdient:

Wenn es nicht das Leiden Christi ist, so ist`s gar nichts wert. O nein! Man kann es nicht machen, dies Leiden Christi. Man kann es sich nicht heraussuchen. Und wir haben das auch gar nicht nötig. Nein, dieses Leiden Christi, das legt uns Gott selbst auf.

Er verbraucht uns dort, wo er uns hingestellt hat. Dort nur verbraucht er uns, wo er uns braucht. Da fängt die Erkenntnis seiner Gemeinschaft der Leiden Christi an, wo uns das klar wird: Gott verbraucht uns. Und da mag nun jeder einmal getrost auf sich sehen, und mag es aufzählen, was ihn drückt. Und mag ansehen, was ihm sein Leben so schwer macht, so schwer, dass er es kaum durchzuschleppen vermag, gegen all die Widerstände die sich ihm entgegenstellen. Mag ansehen, wie der etwas von ihm will und jener. Seht, es geht ja jedem so, dass es an seinen Platz dem gerecht werden muss, was nun einmal notwendig sein muss.

Da verbraucht uns Gott! Liebe Freunde! Es kommt bloß darauf an, dass es Gott ist, der von uns Gebrauch macht, der uns verbraucht, und nicht der Abgott, der Mammon, der Geiz, das haben - und mehr haben und verdienen Wollen!

Es kommt darauf an, dass es Gott ist, der uns gebraucht und verbraucht in diesem Leben. Dann sind wir mitten drin in der Gemeinschaft der Leiden Christi:

Woran man das merke, dass es Gott ist, wirklich Gott und nicht ein Abgott, der uns verbraucht?

Auf die Richtung kommt es an! Darauf, dass wir`s nicht zusammentragen und aufhäufen, was wir tun, sondern es hineingeben in diese Welt, so wie Christus der Herr sich in diese Welt hineingegeben hat! Darum hat ihn Gott zum Herrn gemacht, zu dem, der gelten soll- weil sein unschuldiges Blut von dieser Erde aufgesogen wurde, so, dass sie nun in ihm bestehen kann, in seinem Leiden. Da gehören wir mit dazu. Das mögen wir erkennen. Dann werden wir auch etwas verspüren von dem, was Paulus die Kraft der Auferstehung Jesu Christi nennt – dies, dass wir mit dabei sind bei seiner Herrschaft.

Amen.