Phil 4,4-9
24.12.1979 (Heiligabend), Kosbach

Liebe Gemeinde,
Ich will zunächst eine Frage und eine vorläufige Antwort auf diese Frage nennen. Dann aber muss noch ein Hinweis folgen, der weiter weist als dieses vorläufige Fragen und Antworten.
Zunächst also die Frage: Kann man Freude befehlen? In „Freuet euch! Und abermals sage ich: Freuet euch!“ So kann einer ja auch Weihnachten verstehen – das Fest der Freude. Auf jetzt! Freu dich! Auf! Jetzt müssen wir uns freuen, miteinander, etwa in der Familie, so recht von Herzen fröhlich sein. Aber geht das? Kann einer sich nach dem Kalender freuen? Jetzt ist der 24. Dezember, Weihnachten – ich freue mich? Die Freude kommt doch von außen: Ich hab gewonnen! Wir haben unser Kind bekommen! Ich bin wieder gesund! – Das sind Anlässe, sich zu freuen. Aber die kommen ja nicht mit dem Kalender. Nein! Freude kann man nicht befehlen.
Aber dieses Nein ist nun noch nicht einmal die vorläufige Antwort auf die Frage, die wir zunächst gestellt haben. Freu dich! Das lässt sich nicht befehlen, weil Freude ihren äußeren Grund braucht. Aber wir selbst können ja nun ein solcher Grund zur Freude werden. Das ist die vorläufige Antwort. Dass wir uns freuen, dazu braucht es den Anlass, der uns das Herz füllt. Der ist da oder nicht, lässt sich nicht herbeibefehlen. Aber das andere lässt sich schon eher befehlen: Mach Freude! Mach anderen eine Freude! Das wissen wir ja auch – jeder von uns hat Geschenke ausgesucht und hoffentlich das richtige getroffen, das, was Freude macht.
Hier in unserem Bibelwort freilich wird das nun zugleich präzisiert und ausgeweitet: „Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen.“ Lindigkeit, unsere Lindigkeit, macht Freude. Das Gegenteil kennen wir eigentlich besser – jeder hat gelernt, die Ellbogen zu gebrauchen und sich durchzusetzen. Und wenn uns einer zu nahe kommen will, machen wir’s wie der Igel und signalisieren: Rühr’ mich nicht an! Lindigkeit dagegen, das ist heilsame, weiche Nähe – wie wir gerne ein kleines Kind an uns drücken. So sollen wir sein. Dass andere uns nicht ausnutzen, sondern sich freuen, uns zu begegnen und mit uns nahe zusammenzukommen. Das soll Freude machen, und zwar nicht nur jenen, die uns sowieso nahestehen, sondern gerade auch anderen – allen Menschen.
So weit die vorläufige Antwort auf die Frage: Kann man denn Freude befehlen? Sie ist vorläufig – denn die richtige Antwort, die gibt unsere Lindigkeit. Da ist’s mit Reden nicht getan!
Aber nun der Hinweis, der an das letzte Sätzlein unseres Bibelwortes anschließt: „Der Herr ist nahe!“ Dazu will ich daran erinnern, wie zu Weihnachten allerlei seltsame Verkleidungen – in Worten und sogar manchmal tatsächlich – üblich sind, hinter denen wir uns verstecken, wenn wir unsere Kinder beschenken. Da ist der Weihnachtsmann oder auch das Christkind, das die Geschenke gebracht hat. Warum verstecken wir uns so? Gewiss, das tut man eben. Unsere Eltern haben’s auch so gemacht, und die Großeltern. Aber damit ist nicht genug gesagt. Ich erinnere dazu an einen Liedvers, den wir vorhin gesungen haben: „In unser armes Fleisch und Blut verkleidet sich das ewig Gut!“ Wenn wir vom Christkind reden – von dem Christuskindlein in der Krippe – das hat dann seinen Sinn, wenn es wegweist von uns selbst, und hinweist auf diesen, der die Freude bringt: „Seht, was in dieser hochheiligen Nacht der Vater im Himmel für Freude uns macht.“
Wenn wir allerdings genauer zusehen, dann bemerken wir: Eigentlich ist es mit dem Verkleiden genau umgekehrt. Nicht Menschen verkleiden sich in das Christkind, das seltsame Himmelswesen, um Freude zu machen. Sondern der Vater im Himmel verkleidet sich „in unser armes Fleisch und Blut“, um uns Freude zu schenken. Es hat mich gefreut, dass ich vorgestern einen Anruf bekam von einem Menschen, zu dem die Verbindung abgebrochen schien. Seht! Der Herr ist nahe!

Herr, unser Gott, der du uns in Jesus Christus zu unserem Heil erschienen bist, wir bitten dich: Erleuchte unsere Herzen und erfülle uns mit deiner Gnade durch unsern Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geiste lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.

Herr, wir danken dir für deine Freundlichkeit. Dein Licht erleuchtet unsere Dunkelheit, und dein Leben ist uns nahe in unserem Heiland Jesus Christus. Gib, dass es in unser aller Herzen hell und warm werde und wir deine Güte erfahren jetzt und in Ewigkeit. Amen.