Röm 12,3-16
19.01.1992 (2. Sonntag nach Epiphanias)  Prackenfels

EG 67,1-3 Herr Christ, der einig Gotts Sohn
EG 184,1-5 Wir glauben Gott im höchsten Thron
48,3+4 Gieß sehr tief
EG 421 Verleih uns Frieden gnädiglich

Joh 2,1-11                   Röm 12,3-16

 

Du unser Gott, wir danken dir, dass deine Liebe uns verbindet in Jesus Christus, deinem Sohn, unserm Bruder.
Wir bitten dich für die Kirche. Gib dein Wort, dass Leute da sind, die das Richtige sagen, und Leute, die es verstehen und dich erkennen und tun, was dein Wille ist. Steh’ du unseren Kirchen und den Frauen und Männern, die in ihnen Verantwortung haben, bei, dass sie zurechtkommen mit ihren Ämtern.
Wir bitten dich für Völker und Staaten, für alle, die Gewalt erleiden und die Gewalt ausüben. Schaff’ dem Recht Einfluss und hilf du zu einer gerechten Friedensordnung, die allen Raum zum Leben lässt.
Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Wehre der Ausbeutung der Menschen und der Natur und erhalte die Fülle des Lebens auf dieser Erde für die, die nach uns kommen.
Besuche die Kranken und Einsamen, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.
Du hast diese Welt in Händen. Lass dein Reich kommen. Amen.

Du unser Gott, dessen Freundlichkeit und Güte uns in Jesus Christus erschienen ist, wir bitten dich, lass uns deine Nähe wahrnehmen, in dem, was uns begegnet, damit wir in Vertrauen und mit gutem Mut erleben und tun, was an der Zeit ist, durch unsern Herrn und Bruder Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Hlg. Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.

Liebe Gemeinde,
es ist schon gut, wenn wir das gesagt bekommen, auch wenn eine derartige Fülle von Imperativen leicht erdrücken kann und wohl auch Gefühle der Abwehr erregt. Es ist gut, wenn wir das gesagt bekommen. Denn, was man nicht weiß, das sieht man nicht. Und offenbar sollen da möglichst wenige blinde Flecken in unserem Wahrnehmungsfeld übrigbleiben. Wir sollen wissen, damit wir dann auch sehen. Deshalb denke ich, es ist gut, auch in dieser Fülle, damit wir wissen und dann auch sehen. Und eine gewisse Ordnung lässt sich ja auch auffinden in dieser Fülle von Imperativen: Einmal geht es da um die Gemeinschaft des Leibes Christi. Und dann geht es darum, wie dieser Lieb Christi in die Welt hinein handelt. Ich will freilich diese Zweiteilung nicht zu scharf sehen. Gewiss sind es auch im zweiten Teil gerade die Schwestern und Brüder, auf die die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Und was im ersten Teil über das auf die Gemeinde bezogene Tun gefragt wird, ist ja gewiss nicht aus der Welt.
Es ist gut, wenn wir so etwas gesagt bekommen. Denn was man nicht weiß, das sieht man nicht. Und es schadet dann ja auch nicht, wenn wir das eine oder andere, was wir schon wissen, noch einmal gesagt bekommen: Dass die prophetische Rede nicht darin bestehet, dass einer einen guten Einfall hat und den dann kundgibt und meint, sie müssten davon alle so begeistert sein wie er selbst; sondern dass so ein Einfall dem Glauben gemäß sein muss und sich also an dem Zusammenhang mit dem ausweisen muss, was den Glauben der Mitchristen bestimmt. Dass ein Amt zum Dienen da ist und nicht eine Herrschaft, die sich bloß verbal als solcher Dienst kaschiert. Dass einer sich nicht zu verstecken braucht, wenn ihm Lehre gegeben ist, wenn er etwas zu sagen hat – und soll das dann nicht in falscher Bescheidenheit verschweigen. Dass jeder von uns ab und zu seine Ermahnung braucht und es also dazugehört, dass einer dem anderen sagt, was er gut findet und was nicht so gut ist. Auf das Geld soll sorgfältig geachtet werden, dass da nicht Macht ausgeübt wird und falsche Hintergedanken sich einschleichen. Auf die Ordnung muss geachtet werden, sorgfältig, dass sie weder reglementiert noch bloßen Wildwuchs zulässt. Es ist gut, wenn wir das alles wissen und es also sehen und beachten, wenn dazu die Zeit ist.
Auch der zweite Teil der Ermahnungen ließe sich so durchgehen: Das einer dem anderen mit Ehrerbietung zuvorkomme, ihn gelten lasse und ihm das auch zeige, beispielsweise. Oder dass wir uns darauf einlassen, mitzumachen – freut euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden. Und dann das letzte Sätzlein in dem Abschnitt: Haltet euch nicht selbst für klug. So ist das übertragen: Um die Selbsteinschätzung geht es da. Die soll nicht einfach von innen heraus kommen, sondern sich von den Anderen her bestimmen lassen. Und also nicht zu hoch greifen, aber genauso nicht zu tief. Dass ich dabei bin in diesem Ensemble Leib Christi, meine Rolle spiele, das ist gut so. Ohne mich geht es nicht. Aber was für mich die wichtigste Rolle ist, denn es ist ja meine, muss nicht die Hauptrolle sein.
Wir wissen das also, damit wir es sehen. Denn was wir so gesagt bekommen, das sehen wir dann auch. Und mit so vielem, was da gut ist, im Kopf, sehen wir dann auch vieles, was zu tun ist: Erwartungen, denen entsprochen werden muss; Herausforderungen, die anzunehmen sind; Nöte, die nach Abhilfe schreien – viel gibt’s zu tun: Das ist schon wahr. Aber da ist mir nun der Erni Winkelried eingefallen, dieser schweizerische Nationalheld. Wie sie, die Bergbauern, mit ihren Messern und Äxten und Sensen bei Sempach auf das österreichische Heer gestoßen sind: Spieß an Spieß, dass kein Durchkommen und Entkommen möglich schien. Da hat der weit ausgegriffen und die starrenden Eisen zusammengenommen und sie in seine Heldenbrust gedrückt; da gab es dann Platz für die Anderen, und sie konnten sich gegen die Feinde wehren.
Erwartungen, Herausforderungen, Nöte, Aufgaben: Nebeneinander, in Fülle wie damals bei Sempach die Spieße der Österreicher. Aber: du bist gerade nicht der Erni Winkelried, der das nun alles zusammennehmen und sich da heldenhaft hineinstürzen sollte. „Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich selbst halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“ Was ich weiß, das sehe ich. Aber nicht alles, was ich sehe, muss und soll ich dann auch an mich reißen. Passen muss es, soll sich treffen – die Herausforderung und das, was einer kann. Das ist nun nicht ein Freibrief für meine Faulheit, die nichts tut, wenn ihr nicht gerade danach ist. Und es gibt sicher notwendige Dinge, die gerade ich tun kann, und sonst vielleicht niemand. Aber noch einmal: Wenn da Herausforderungen und Erwartungen und Nöte und Aufgaben mir entgegenstarren wie die Spieße der Österreicher bei Sempach: Gott sei Dank weiß ich, dass ich kein Erni Winkelried bin und sein muss.
Auch das gehört zu diesem Leib Christi, von dem Paulus hier redet: Dass da viele Glieder sind, ein Leib, aber dann die vielen Glieder, die alle ihre Gaben bekommen haben, und auch das gehört doch dazu, da dann dem Platz zu machen, der als der Nächste dran ist. Vielleicht macht es die oder der viel besser, als ich das erwartet habe. Und wahrscheinlich macht sie oder er es besser, als ich das machen könnte, wenn ich mir’s aufladen würde, weil ich meinte, dass es ohne mich nicht geht. Gerade das muss ich wissen. Denn was man nicht weiß, das sieht man nicht. Darum ist gut, wenn wir das gesagt bekommen, auch einmal mit so einer geballten Ladung von Imperativen wie hier: Aber zuerst dies – und zuletzt das.
Wir wollen uns gerne wagen in diesen Tagen der Ruhe abzusagen, die’s Tun vergisst. Wir wollen nach Arbeit fragen, wo welche ist, nicht an dem Amt verzagen, uns tröstlich plagen und unsre Steine tragen aufs Baugerüst.
Die Liebe wird uns leiten, den Weg bereiten, und mit den Augen deuten auf mancherlei, ob’s etwa Zeit zu streiten, ob’s Rasttag sei. Wir sehen schon von weitem die Grad’ und Zeiten verheiß’ner Seligkeiten, nur treu, nur treu!
Wir sind im Herrn zufrieden, was uns hienieden als Last von ihm beschieden, hat sein Gewicht. Doch ist das Joch für jeden drauf eingericht’. Drum mag der Leib ermüden, Wir gehen in Frieden von Jesus ungeschieden und sterben nicht.
Amen.