29. Juli 1962                Wolfenhausen / Nellingsheim

 

349,1-5 Morgenglanz der Ewigkeit (178)

247,1-3 herzlich lieb hab ich         (105)

148,2 gelobt sei der             (205)

267,4 Rüstet euch                (239)

 

Mk 10, 35-45      Röm 6,3-11

 

 

Liebe Gemeinde!

 

Die Getauften redet der Apostel hier an – uns! Denn wir sind ja alle getauft. Freilich – wenn wir uns nun dessen versichern wollen, was dann? Wir könnten ja einmal auf den Gedanken kommen: haben sie es nicht vergessen, dich zu taufen? Wir könnten Zweifel daran bekommen, ob wir denn auch gewiss von der allgemeinen Sitte,

nach der es sich gehört, dass wir unsere Kinder taufen lassen, erfasst worden sind. Was würden wir tun, um uns dessen zu versichern, dass wir getauft sind? Eine eigene Erinnerung daran haben wir ja nicht!

Nichts einfacher als das: Wir würden die fragen, die mit dabei waren, den Paten; die Patin – die könnten uns dies ja gewiss bestätigen. Wir könnten auch auf dem Pfarramt nachfragen, könnten uns, damit wir es ganz gewiss wüssten, einen Taufschein ausstellen lassen und mit nach Hause nehmen, und hätten es dann schwarz auf weiß: Du bist getauft.

Liebe Freunde: Gewiss ist das richtig. Gewiss können wir uns auf diese Weise bestätigen lassen, dass wir einmal getauft worden sind, können uns auf diese Weise dessen versichern, dass man uns nicht vergessen hat. Aber reicht das? Reicht es, wenn wir uns dessen versichern: Ich bin tatsächlich getauft. Der Pfarrer hat Wasser über meine Stirn gesprengt und hat dabei den Namen des dreieinigen Gottes über mir genannt? Sind wir denn damit gewiss, dass das auch wirklich etwas gewesen ist, dass das etwas beschützt in unserem Leben, dass wir getauft sind. Dass das mehr war, als eine besonders feierliche Art der Namensgebung. Dass diese Taufe uns wirklich etwas bedeutet?

Genügt es, dass wir uns einfach dessen vergewissern, dass wir tatsächlich getauft worden sind, um damit zu sagen: Ich bin Christ. Ich gehöre meinem Heiland. Ich darf zu ihm Zutrauen haben. Ich kann der guten Hoffnung sein, dass er mich nicht verlassen wird, sondern dass er mit beistehen wird in diesem Leben und mich schließlich nach meinem Tod aufnehmen wird in seine himmlische Herrlichkeit?

Genügt es hier, dass wir es einfach wissen, und uns im Zweifelsfall durch einen amtlichen Taufschein bestätigen lassen: Ich bin getauft, tatsächlich getauft.

Seht – dieses einfache Festhalten der Tatsächlichkeit ist schon etwas! Aber es ist zu wenig. Das werden wir gleich merken, wenn wir den Zusammenhang in Betracht ziehen, der nach Meinung des Apostels zwischen Jesu Tod und unsere Taufe bestand. Wenn wir von Jesu Tod reden – genügt es dann, dass wir uns der Tatsächlichkeit dieses Todes versichern? Ganz gewiss genügt das nicht! Denn dass Jesus tatsächlich gestorben ist, das ist eine Binsenweisheit; und dass er den Verbrechertod am Kreuz gestorben ist, das wird auch kaum jemand bezweifeln wollen. Aber was ist uns damit geholfen, wenn wir das wissen: Da war einmal ein Mensch mit Namen Jesus von Nazareth. Der ist hingerichtet worden, und auch tatsächlich gestorben? Gar nichts hilft uns das, wenn wir nicht die Bedeutung diesen Todes Jesu begreifen. Mehr: Wenn wir die Bedeutung dieses Todes nicht nur begreifen, sondern wenn wir seine Macht in unserem Leben erfahren.

Genauso ist es mit unserer Taufe. Es genügt gewiss nicht, dass wir wissen wir sind tatsächlich getauft worden. Und es genügt genauso wenig, wie das Wissen, dass Jesus tatsachlich gestorben ist. Vielmehr: Wir sollen die Bedeutung unserer Taufe begreifen, mehr noch: Wir sollen ihre Macht in unserem Leben verstehen. Dazu will uns der Apostel Paulus mit seinen Worten anleiten.

Wir werden wohl dann am ehesten Zugang zu diesen bedeutungsschweren Worten finden, wenn wir zunächst einmal einen Satz herausgreifen, und diesen Satz uns näher klar zu machen versuchen:

„Wir wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.“

Wir wissen das, meint der Apostel, wissen es sehr genau, denn das ist etwas, das wir erfahren am eigenen Leibe – dies, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist. Wirklich? Erfahren wir das?

Vielleicht erfahren wir es nicht so rein, erfahren es auch nicht so eindrücklich, wie es der Apostel Paulus erfuhr, aber hier, in dieser Erfahrung, da ist der Ort, wo wir uns unserer Taufe und ihrer Wirksamkeit, wo wir uns des Todes Christi und seiner Bedeutsamkeit versichern können.

Wir wissen – wir erfahren es, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist. Wie sieht sie aus, diese Erfahrung? Wir reden natürlich oft genug von unserem Kreuz, reden manches liebe Mal auch sehr oben hin, sehr leichtfertig von diesem Kreuz, das wir zu tragen hätten, von diesem und jenen Missgeschick, von diesem und jenem Leiden. Aber diese Erfahrung ist’s nicht, welche Paulus meint, wenn er sagt, wir wüssten, dass unser alter Mensch samt Christus gekreuzigt sei. Das meint er vielmehr, dass wir es erfahren, wenn wir das Rechte tun, auch dann, gerade dann, wenn uns das eigentlich weh tut.

Natürlich tut es weh, wenn mir einer mit seinem dummen Gerede an die Ehre geht. Und möchte mich wehren, möchte es ihm heimzahlen, denn ich hätte ja noch ganz anderes über den herauszubringen, und brauchte es kaum zurecht zu biegen, der wäre erledigt. Ich sage: Es tut weh, wenn mir einer so an die Ehre geht, und ich lasse es doch bleiben, mich auf gleiche Weise zu wehren. Da spürst du’s, jenes mit –gekreuzigt sein mit Christus. Gewiss, du hast dein Recht, genauso gut wie jeder andere. Und wenn es nun beispielsweise daran geht, das Erbe zu teilen, und du merkst, wie der Bruder, oder Schwager, oder wer es sei, für sich einen Vorteil herausholt, dann ärgert dich das. Es ist dein Recht, dich da zu wehren – und es tut weh, wenn du ich dazu entschließt, nach zu geben, um des Friedens willen, ein Stück Recht herzugeben, um den Unfrieden zu vermeiden. Es tut weh, so zu handeln. Da erfährst du es, was das heißt, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist.

Liebe Freunde! Es ist ein Segen Gottes wenn es uns oft so weh tut! Es ist ein Segen Gottes, wenn wir das erfahren. Denn dann wissen wir: Sie wirkt, meine Taufe! Ich bin getauft und mein Leben wird dadurch neu! Es ist ein Segen Gottes, sagte ich, wenn es uns so weh tut – wenn es dem alten Menschen weh tut, dem, der zurückschlagen will, dem der sich für sein Recht verkämpfen will, mag dabei auch alles andere in Scherben gehen. Es ist ein Segen Gottes, wenn es dem weh tut. Denn da erfahren wir’s: Ich bin getauft, auf Jesus getauft, in seinem Tod getauft. Dann das heißt: Mit der Sünde, da ist es für mich vorbei.

Das habe ich hinter mir. Wohl, der alte Adam, der in mir steckt, der wehrt sich noch. Er will sich’s nicht gefallen lassen, dass wir ihm weh tun, ihm weh tun durch das Gute, das wir tun. Das ist jene Erfahrung, dass die Taufe wirkt. Das, nur das, ist das Kreuz im unserem Sinn des Wortes. Es hängt etwas daran, dass wir dies Wissen suchen, dass wir in unserer Erfahrung so unterscheiden lernen. Denn es ist wohl eines der gröbsten Missverständnisse, und ist wohl die schwerste Bedrohung unseres Christenstandes, wenn wir meinen, alles, was uns weh tut, sei das Kreuz.

Wohl: Wenn wir jenes Mitgekreuzigtsein mit Jesus spüren, dann können wir uns damit dessen vergewissern, dass Gottes Geist an uns wirkt, dass unsere herrliche Zukunft im Werden ist, wie das Paulus sagt: „Wenn wir in ihn eingepflanzt sind zu gleichem Tode, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.“ Doch darum geht es ja auch um die rechte Erfahrung das Mitgekreuzigtseins, dessen, dass unsere Taufe wirkt!

 

Und wenn wir’s nicht erfahren? Wenn wir im Gegenteil zu unseren Schrecken erfahren, dass es anders ist, dass uns die Ehrabschneiderei Spaß macht, beispielsweise? Dann sollen wir uns erst recht für die Getauften halten, und danach tun. Die Erfahrung, die wird dann gewiss nicht auf sich warten lassen.

Amen.