Exaudi, 26.5.1974                Möhrendorf

 

Intr. 5

Vers. 59

 

96, 1-3                Jesus Christus herrscht…

208, 1-6              Auf bleib mit deiner Gnade

108, 1                 0 komm, du Geist der Wahrheit…

108, 7                 Du heiliger Geist bereite

 

Apg. 2, 1-11

Gen 11, 1-8

 

Eingang:

 

Herr Gott,

wir danken dir, dass du dich unser erbarmt hast und deinen Sohn Jesus Christus zu uns gesandt hast, dass wir in ihm deine Wahrheit erkennen. Du hast ihn zu dir genommen und ihn zum Herrn über alles gemacht.

Gib uns deinen Geist, dass wir deine Wahrheit erkennen und dir in Worten und Taten dienen

durch Jesus Christus unsern Herrn, der mit die in der Einheit des Geistes lebt und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen

 

 

Herr, wir bitten dich

für deine Kirche in der ganzen Welt, für die Gemeinden und ihre Pfarrer, die Bischöfe, Synoden und Kirchenleitungen. Gib den heiligen Geist der Eintracht, die Liebe und des Verstehens, dass sie ein Beispiel dafür geben, wie Menschen miteinander übereinkommen können.

Wir bitten dich

für die Nachbarschaften, Häuser und Familien, Eltern und Kinder. Lass sie Verständnis lernen, dass sie sich gegenseitig achten und miteinander leben zu ihrem Glück und deiner Ehre.

Wir bitten dich

für unseren Staat, seine Regierung, die Politiker und Parteien, dass sie über der gegenseitigen Konkurrenz nicht die Achtung voreinander verlieren, sondern das gemeinsame Wohl höher achten als die eigene Macht.

Wir bitten dich

für Völker im Nahen Osten, für die streitenden Parteien und Gruppen in Irland, für die gespaltenen Völker in Indochina. Wehre dem Hass und Terror, und lass die Bereitschaft zur Verständigung wachsen.

Uns aber mach willig dir zu folgen.

Lass uns den Namen Jesu Christi über alles achten und ihm dienen. Dazu gib uns deinen Heiligen Geist.

Amen

 

 

1.Mose 11, 1-8

 

Liebe Gemeinde!

 

Zweierlei will ich vorweg nehmen, damit wir diese Geschichte vom Turmbau zu Babel mit guten Gewinn miteinander betrachten können: Einmal will ich sagen, warum ich gerade über diese Geschichte etwas sagen will, und dann möchte ich ein paar Worte zur Erklärung dieser Geschichte sagen.

 

Zunächst: Diese Geschichte vom Turmbau zu Babel, die gehört zur Pfingstgeschichte dazu, als ihr negatives Gegenbild. Ist dort von dem Wunder die Rede, dass sich Menschen plötzlich verstehen, obwohl doch eigentlich die Voraussetzungen dazu gar nicht gegeben sind, so ist hier davon die Rede, wie sich die Menschen plötzlich nicht mehr verstehen.

Weil diese Geschichte vom Turmbau zu Babel das negative Gegenbild zur Pfingstgeschichte ist, darum predigt man über sie hin und wieder am Sonntag vor Pfingsten, Exaudi.

Das ist seit langem schon der Fall gewesen. Darum habe ich für heute diesen Text erzählt.

Nun aber noch ein paar Worte vorweg zur Erklärung dieser Geschichte.

Sie stammt aus einer sehr alten Zeit – wir könnten sagen: Aus der Kinderzeit der Menschheit. Darum scheint es so, dass Kinder diese Geschichte fast besser verstehen als Erwachsene. Aber das ist nur vordergründig so. Freilich, dem Hintersinn dieser Geschichte lässt sich eher dann nachdenken, wenn man auch den Vordergrund des Erzählten recht begriffen hat. Die Geschichte antwortet auf eine Kinderfrage, die Eltern gut kennen. Warum hat der Mann einen Stock? Warum darf man kleine Kinder nicht hauen? Warum können die Vögel fliegen? Das sind solche Fragen. Und nun stellen wir uns einmal vor, wie einige Wanderhirten mit ihren Ziegen und Schafen nach einer Weide suchten, weil es bei ihnen lange nicht geregnet hatte (das ist nun zwischen 3000 und 4000 Jahre her), und fanden schließlich weit im Osten in der Ebene Sinear (heute ist das der Irak, Mesopotamien, das Land zwischen den Strömen Euphrat und Tigris) eine Riesenstadt, überragt von einen Riesenturm, zu dem eine endlose Treppe hinaufführt (was man davon ausgegraben hat, war vergangenen Donnerstag im Fernsehen zu sehen). Unfertig sah der Turm aus, und weite Teile der Stadt waren unbewohnt, und die Menschen verstanden sie nicht. Sie hörten nur: Dies heißt Babel – und das Klang in ihrer hebräischen Sprach wie: Verwirrung. Warum ist das so? Warum ist dieser Turm nicht fertig, und die Reisenstadt nur von so wenigen Menschen bewohnt? Warum heißt die Stadt da „Verwirrung“, Babel – und warum verstehen sich die Menschen nicht? Darauf hat unsere Geschichte – wir nennen sie gewöhnlich Geschichte vom Turmbau zu Babel – ihre Antwort. Bei manchen Einzelzügen der Geschichte werden wir sagen: Eine doch auch recht kindliche Antwort gegeben. Ich denke etwa an die Schilderung, wie Gott da vom Himmel herab fährt, um die Menschen zu sehen, und sich scheinbar ernstlich fürchtet, dass dieser Turm in den Himmel wachsen könnte, wenn er nichts unternimmt. Man diese Geschichte kann weiter erzählt, und später ist sie, mit anderen alten Geschichten, der Paradiesgeschichte etwa und der Sintflutgeschichte, in die Bibel aufgenommen worden. Das zur Erklärung dieser Geschichte. Wenn man sie so hört, als Antwort auf diese kindliche Warum- Frage, - warum diese halbleere Riesenstadt, und der unfertige Riesenturm, und der seltsame Name „Verwirrung“ – dann können wir manchen kindlichen Einzelzug dieser Geschichte schon verstehen, (begreifen, dass das eine Geschichte aus der Kinderzeit der Menschen ist).

 

Aber dies ist nur der vordergründige Sinn – und deshalb allein lohnte es sich kaum, dass wir uns mit der Turmbaugeschichte befassen. Sie hat ihren Hintersinn. Darum steht sie in der Bibel. Und auf diesen Hintersinn müssen wir kommen, wenn wir mehr an ihr finden wollen, als die Betrachtung einer feinen Erzählung aus der Kinderzeit der Menschheit.

 

Dieser Hintersinn lautet: Nur Gott kann machen, dass sich die Menschen wieder verstehen, weil ihr Nichtverstehen ihre Schuld ist. Das wollen wir nun weiter sehen, und dazu zwei Fragen stellen: Warum ist das Schuld, dass sich die Menschen nicht verstehen können? Und wie kann es dazu kommen, dass sie sich wieder verstehen?

 

1.

 

Warum ist das Schuld, dass sich die Menschen nicht verstehen können? Wir finden das doch ganz natürlich, dass es verschiedene Sprachen gibt. Schon von Dorf zu Dorf sind doch oft einige Worte und Redewendungen ein bisschen anders, und erst recht von Landschaft zu Landschaft. In Franken redet man anders als in Bayern oder in Schwaben. Und denkt man an die langen Zeiten, seit es Menschen gibt, und an die weiten Räume, die von diesen Menschen bewohnt werden, dann ist es nur natürlich, dass sie eben anders sprechen – und oft so anders sprechen, dass sie sich nicht verstehen können. Unsere Wissenschaft redet dann davon, das sich die verschiedenen menschlichen Sprachen aus einer Ursprache entwickelt haben, und es ist eine interessante Aufgabe der sog. Vergleichenden Sprachwissenschaft durch Vergleich möglichst vieler Sprachen wenigstens ein paar Urworte dieser Ursprache zu finden, Worte, die in allen Sprachen gleich oder doch ähnlich lauten.

 

Dass sich die Menschen nicht verstehen können, das ist das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung – das klingt ganz plausibel, leuchtet ein. Aber gerade wenn wir das nun mit der Turmbaugeschichte vergleichen, nehmen wir deren Hintersinn, ihre tiefere Wahrheit wahr. Wenn es nur an der Auseinanderentwicklung der Sprachen läge, dann müssten ja die Menschen leicht auch wieder zusammenkommen können. Dann brauchte es bloß gute Dolmetscher und die Bereitschaft, andere Sprachen zu lernen. Aber nehmen sie einmal das Glashaus der UNO in New York – ich will es nicht mit dem babylonischen Turm vergleichen. Da gibt es die besten Dolmetscher, und perfekte technische Übersetzungseinrichtungen. Aber man wird nicht sagen können, dass sich dort gerade die Menschen besonders gut verstehen.

 

Woran liegt das? Jeder will anders. Jeder will sich einen Namen machen. Genauso, wie es mit dem Turmbau angefangen hat. Da ist ja nur scheinbar die große Eintracht: „Wohl auf!“ Damit so etwas geschehen kann, braucht es Leute, die anschaffen, und andere, die gehorchen. Und sich einen Namen machen, das tun im großen Rahmen doch auch immer nur ein paar wenige. Je größer das Ziel ist, und je gewaltsamer es durchgesetzt werden soll, desto weniger besteht Aussicht, dass es zu Ende kommt! Dazu brauchen wir nicht bis in den Orient zu reisen – dazu genügt es, nach Nürnberg zu fahren und das ehemalige Parteitagsgelände zu studieren. Das sollten einen großen Namen geben – und wir genieren uns heute mit Recht, diesen Namen auszusprechen, weil wir alle – soweit wir älter sind – irgendwo von dem blamablen Ausgang dieses Unternehmens, den deutschen Namen zum größten in der Welt zu machen, mit betroffen sind.

 

So aber ist das! Schuld, dass sich die Menschen nicht verstehen, ist dieser Wille, sich den Namen zu machen – immer auf Kosten derer, die dann dafür verbraucht werden. Nicht nur in der Politik, oder in der Wirtschaft – wo heute die babylonischen Türme gebaut werden, weil man den Namen der eigenen Firma unter den 10 umsatzstärksten sehen will! Auf – wir müssen: Daran hängt das, dass sich die Menschen so schlecht verstehen können. Und das geht weit, bis hinein in das enge und nahe Zusammenleben. Hat die alte Turmbaugeschichte nicht recht: Das treibt die Menschen auseinander? Und das auch dann, wenn sie dieselbe Sprache sprechen! Jeder schreit durcheinander – und es müssen einem die Ohren gellen.

 

2.

 

Wie kann es dazu kommen, dass sich die Menschen wieder verstehen? Das ist dann die zweite Frage. Zwei Antworten können wir uns holen. Die eine aus der Turmbaugeschichte. Die kann mir sagen, was geschehen muss. Und die andere aus der Pfingstgeschichte, die sagt, was geschehen ist.

Was geschehen muss: Dass Menschen zweierlei begreifen: Mit unseren großen Taten, mit denen wir uns einen Namen machen wollen, mit denen geht’s nicht. Vielmehr braucht es da Gottes Taten und Gottes Namen, wenn es dazu kommen soll, dass sich die Menschen wieder verstehen.

 

Und die Pfingstgeschichte nennt den Namen – Jesus Christus, und nennt die großen Taten Gottes: Dass er diesen Jesu Christus von den Toten erweckt und zum Herrn gemacht hat. Einem merkwürdigen Herrn, gewiss. Ich erinnere an die Jünger, die sich mit Jesu Hilfe einen Namen machen wollten. Und er hat ihnen zur Antwort gegeben: „Ihr wisst, dass die weltlichen Fürsten ihre Völker niederhalten, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt.

Aber so soll es nicht sein unter euch; sondern wer groß sein will unter euch, der sei euer Diener, und wer unter euch will der Erste sein, der sei aller Knecht. Denn auch des ...“

Wir haben Teil am großen Geschrei und kleinen Verstehen, wo jeder, so laut er kann, seinen Namen ausruft. Aber wir sehen, und vernehmen, und hören Gottes Tat, anders als dies Geschrei, die den Namen Christi groß macht. Das geht durch uns mitten durch. Aber wir wissen, wo das Verstehen ist, und dass es mächtiger ist als das Nichtverstehen. Wir machen es nicht! Aber der Geist Christi macht es.

Amen