26.7.1981, 6.n.Trinitatis       Erlangen-Neustadt

 

336, 1-4     All Morgen

Intr 4

188,1-4      Nun lob, mein Seel

250            Ist Gott für mich

 

 

Herr, du treuer Gott,

du hast dir dein Volk erwählt, dass es deinem Willen gehorche und dir diene, und hast uns in Jesu Christus zu diesem Volk hinzuberufen – wir bitten dich,

gib uns Einsicht in deine Wege, dass wir dir gerne folgen in dem, was du uns aufgibst, durch unseren Herrn Jesus Christus, der mit dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit. Amen

 

Herr, wir bitten dich für die ganze Christenheit auf Erden und für deine Gemeinde an diesem Ort: Lass uns die Zeichen der Zeit erkennen, dass wir deine Zuwendung nicht versäumen und für deinen guten Willen und für dein Gebot mit Wort und Tat Zeugnis geben.

Wir bitten dich um Frieden und Gerechtigkeit bei allen Völkern und unter uns, dass wir Vertrauen haben in das Recht, und dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird.

Wir bitten dich für das gefährdete Leben auf unserer Ede, das Leben der Menschen und das Leben aller deiner Geschöpfe, dass es erhalten werde und wir uns alle an deinem Reichtum freuen können!

Amen

 

Deuteronomium 7, 7-11

 

Liebe Gemeinde!

 

Da ist Gottes Zusage, er werde dabei sein. Darum ist die Zukunft eine heilsame Zukunft. Diese Zusage Gottes ist begründet. Nicht in einem besonderen Vorzug der erwählten Menschen – die Größe des erwählten Volkes wird hier genannt. Aber man könnte auch seine Klugheit und Bildungsfähigkeit nennen, seine Tüchtigkeit, Fleiß, Mut und Ausdauer – was immer einer sich ausdenken kann an Tugenden, die Menschen vor anderen auszeichnen mögen. Nichts von alledem begründet Gottes Zusage. Sie ist begründet allein in seiner Liebe, - er hat euch geliebt, - und darin, dass dieser Gott sich selber treu bleibt – er hält den Eid, den er den Vätern geschworen hat. Sie ist begründet, diese Zusage: Gottes Geschichte mit seinen erwählten Menschen dauert, sie soll nicht plötzlich abbrechen. Das hat angefangen – die Väter, Abraham und Isaak und Jakob sind schon genannt, und nun wird an die Heilstat Gottes erinnert, den Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. Wir können diese Geschichte noch weiter ausziehen, bis hin zu der Erinnerung an das Sterben Jesu Christi, die wir in seinen Mahl miteinander feiern, und an seine Auferstehung – er ist gegenwärtig bei uns – und seine Zukunft, die wir erwarten. Die Zusage Gottes ist begründet, in dieser Geschichte begründet: „So sollst du nun wissen, dass der Herr, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um.“

Hier mag einer stocken, und sich fragen, wie denn diese Drohung sich mit der Zusage zusammenreimt, mit dieser vollen und begründeten Zusage dessen, der seine Erwählten liebt. Wir könnten das als einen Widerspruch empfinden, meinen vielleicht, das passe nicht mit solcher Liebe zusammen, und hier habe, gerade wenn wir das neutestamentliche Zeugnis mit zu diesem Text aus dem alttestamentlichen Gesetz hinzunehmen, doch eher die Zusage der Sündenvergebung ihren Platz.

Da muss ich anders sehen. Gottes Ja schließt das Nein mit ein, seine Zusage die Drohung, seine Zuwendung das Gericht – freilich dann so, dass auch dieses Nein noch vom Ja getragen ist, und die Drohung ist selbst Zusage und das Gericht ist Zuwendung Gottes. Davon muss ich heute reden, und bitte, was da zu sagen ist, in diesem Zusammenhang zu hören: Das Nein getragen vom Ja, die Drohung als Zusage, das Gericht als Zuwendung zu verstehen.

Wir können Gottes Zusage nicht in eine Versicherung verwandeln, derart, dass wir sagen: Wenn Gott treu ist, dann ist doch alles gut – und was vielleicht nicht so gut ist, vor allem bei mir selbst, das kann ich dann vergessen. Und was hier in dieser Welt im argen ist, das wird er in der zukünftigen Welt zurecht bringen. Solchen Denken wird hier ein Riegel vorgeschoben; es ist gut, dass uns die alttestamentlichen Texte bei dem Leben hier und jetzt und bei seiner Ordnung oder auch Unordnung behaften. Und es wäre nicht gut, da dann zu rasch in ein scheinbar neutestamentliches Denken auszuweichen. Hier, in dieser Welt und bei diesen unserem Leben ist der treue Gott dabei. Weil er sich um dieser Leben kümmert, darum kann seine Zusage gar nicht anders sein als dass sie die Drohung in sich enthält, und seine Zuwendung ist auch Gericht. Und ich fürchte, jetzt ist Zeit, Gottes Zusage gerade als Drohung zu hören, und seine Zuwendung im Gericht zu erwarten. Ich habe vorhin erwähnt, wir könnten die Geschichte, in der Gott seine Treue bewärt, weiter erinnern, bis hin zum Kreuzestod und zu der Auferstehung Jesu Christi: Darin sind wir denen vielleicht voraus, für die diese Predigt des 5. Buches Moses zuerst aufgezeichnet wurde. Aber wir stehen gewiss da bei ihnen, wo angesichts der drohenden Katastrophe Gottes Zuwendung gerade als Gericht erwartet werden muss.

Es ist mir bei der Vorbereitung zu dieser Predigt das Wort des Propheten Jeremia nicht aus dem Kopf gegangen: „So oft ich reden will, muss ich schreien. Frevel und Gewalt!“ muss ich rufen.“ Aber das lässt sich nicht verschweigen, wenn ich recht reden will. Es ist schrecklich, was wir wahrnehmen: Eine Jugend, die keine Perspektive mehr hat, und die darum in Gewalt und Zerstörung ausbricht. Und ein Staat, der nicht nur gegen äußere Bedrohung rüstet, sondern seine Polizei gegen die eigenen Kinder bewaffnen muss. Und das nun doch nicht nur ein London und Liverpool und Manchester, sondern auch in Berlin und Frankfurt, München und Nürnberg.

„Gewalt und Frevel - da reicht es nun nicht, zu sagen: „ Von diesen brüllenden Affen im Audimax lasse ich mir meinen Staat nicht kaputt machen,“ und sich entsprechend zu verhalten. Unsere Welt und unser Land ist nicht die ...(?), in der alles in Ordnung wäre, wenn es diese randalierende Jugend nicht gebe. Bei dem Bibeltheologen J.T.Beck habe ich die feine Formulierung gefunden, „die Natur sei dem Menschen gegeben, dass er sie besitzt zu seinen Dienst als Gotteskind und Gast.“ Es ist gewiss viel alttestamentliches Denken in diese Formulierung eingeflossen, Erkenntnis, wie menschliches Leben sich einfügen soll in die Welt. Etwa dieses Gebot: „Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinberge beschneiden und die Früchte einsammeln, aber im siebenden Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten; da sollst du dein Feld nicht besäen noch deine Weinberg beschneiden „(Lev 25, 3.4)

Da kann sich Natur erholen – und die Menschen lassen ihr das eigene Recht. Dagegen plagt wohl nicht nur mich die Zukunftsvision einer zerstörten Erde – vielleicht bevölkert von riesigen Schaben, weil die die atomare Strahlung ausgehalten haben. Das wäre dann unsere Erde, wie wir „Gäste“ sie zurücklassen!

Angesichts dieser düsteren Vision einer möglicherweise gar nicht mehr so fernen Zukunft ist es tröstlich, sich an die Treue des Gottes zu halten, der über sein Gebot wacht, dessen Zusage darum auch Drohung ist und dessen Zuwendung Gericht: Er vergilt ins Angesicht dem, der ihn hasst. Er wird es so weit nicht kommen lassen, dass wir Gäste sein Land zerstören. Diese Gewissheit ist noch kein politisches Rezept.

Weder das konservative Rezept, das sich am Vergangenen orientiert und meint, wir könnten dorthin zurück; dann wäre es wieder gut. Noch das progressivere Rezept, das alles umstürzen will, was ist, um damit eine neue, heilsame Zukunft zu gewinnen. Mit solchen Rezepten, abwechselnd oder auch miteinander angewandt, wird es kaum weitergehen.

Die Gewissheit der Zuwendung Gottes ist mir vielmehr Gewissheit des Gerichtes, eines gerechten Gerichtes. Wir – und ich meine da nun gerade meine eigene Generation – öffnen keine neue Zukunftsperspektive für unsere Jungen. Das, was kommen muss, wenn sich etwas ändern soll, das muss ein harter und schmerzhafter Stoß sein, der vieles zu Ende bringt, an dem unsere Herzen hängen. Es braucht dieses Nein, wenn auch umfangen vom Ja gegen die tausend Generationen, die leben sollen – es braucht die Drohung und das Gericht. Und eigentlich sollten wir dafür, gerade auch dafür, danken.

 

Amen