Jes 6,1-11 Trinitatis
13.6.1976 Büchenbach
98,1-3 Komm,
Heiliger Geist
Intr 18
109,1-3 Gott, der
Vater wohn uns bei
111,1-5 Gelobet
sei der Herr
Vers. 61
Röm 11,33-36
Herr Gott, himmlischer Vater, der du dich durch Jesus
Christus mit uns Menschen in göttlicher Treue verbunden hast und durch deinen
Geist in uns den Glauben wirkst, wir bitten dich: erhalte uns in der Gewissheit
deiner Gegenwart, bis wir dich anbeten
und preisen in Ewigkeit, durch unsern Herrn Jesus Christus, deinen Sohn,
der mit dir in der Einheit des Hlg. Geistes lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.
Herr Gott, du bist uns nahe mit deiner Ehre in der Welt, die
uns umgibt. Du bist uns nahe mit deinem Wort, durch das du uns zu dir rufst. Du
bist uns nahe in deinem Geist, der uns das Herz öffnet, dass wir deine Nähe
wahrnehmen. Dafür danken wir dir. Wir bitten dich, reinige unser Herz und
unsere Lippen, dass wir dir die Ehre geben. Gib deiner Christenheit Einsicht
und den Mut, das Rechte auch zu tun. Gib den Zweifelnden Vertrauen, den Mutlosen
Hoffnung und den Suchenden Weisung, dass sie dir näher kommen. Wir bitten dich
für die Menschen, die du uns insbesondere anvertraut hast, und nennen in der
Stille vor dir ihre Namen. Sende du allen, deren wir vor dir gedacht haben, die
Hilfe deines Geistes, und stärke sie im Glauben. Herr Gott, Vater, Sohn und
Heiliger Geist, von dir und durch dich und zu dir sind alle Dinge. Dir sei Ehre
in Ewigkeit. Amen.
Lb. Gemeinde,
das Sprichwort ist uns geläufig: „Wer nicht hören will, muss
fühlen.“ Kann sein, dass einer dieses Sprichwort in hämischer Freude gebraucht,
aus Besserwisserei oder aus Bosheit: Ich habe es ja gesagt, dass es so kommen
muss – aber man hat nicht auf ich gehört. Darum geschieht’s denen gerade recht,
wenn sie nun ins Unglück geraten. Es kann aber die Wahrheit dieses Wortes einem
Menschen beinahe das Herz abdrücken, wo er rät, und warnt, und bittet – und
kein Gehör findet gerade bei Menschen, die ihm nahe stehen, einem guten Freund,
gar den eigenen Kindern! Und dann läuft’s, wie man das voraus gesehen hat – und
da ist es dann gewiss kein Trost, am Ende recht zu behalten, wenn das Unglück
da ist, das Auto zu Schrott gefahren, das Geld verloren, die Chance im Beruf
vertan, das Liebesverhältnis zerbrochen. Da kann man zwar auch noch sagen: So ist
es eben, wer nicht hören will, muss fühlen. Aber das geht dann nicht mehr mit
dem inneren Abstand dessen, der es besser weiß. Es ist der Schmerz der Liebe,
der da dann mitfühlt, die Trauer dessen, der sieht, was kommen muss, und es
doch gerade nicht abwenden kann.
So ist der Prophet Jesaja dran mit seiner Berufung: Er
sieht, was kommen muss – und kann es doch nicht abwenden. Er redet, er warnt,
er mahnt – und weiß doch, dass die nicht hören werden, zu denen er gesandt ist.
Ja, sie werden durch sein reden erst recht hinein getrieben in ihre
Verstocktheit, in der sie nicht merken, was die Stunde geschlagen hat – bis es
zu spät ist. So erfasst Jesaja ja seinen Auftrag: „Geh hin und sprich zu diesem
Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz
dieses Volkes – mach es fett, verstopfe ihre Ohren, verklebe ihre Augen – dass
sie’s nicht sehen mit ihren Augen, noch hören mit ihren Ohren, noch verstehen
mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.“ Dahin gerät der Prophet mit
seiner Berufung – dass er sieht und hört und versteht und doch denen, auf die
es mit ankäme, solches Sehen und Hören und Verstehen nicht beibringen kann!
Warum ist das so? Indem wir dem nach zu denken suchen, werden wir dem Geheimnis
des Gottes nach zu denken haben, den Jesaja gesehen hat – unseres
Gottes.
1. ... Wir fragen zuerst, wer dieser Gott ist. Die
Antwort kann uns der Lobgesang der Seraphim geben – er ist uns ja geläufig als
ein Stück der Abendmahlsliturgie: „Heilig, heilig, heilig ist der Herre
Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Wir sind es gewöhnt – ihn, diesen
Gott in seiner Erhabenheit zu denken, unserer Erfahrung weit entrückt. Das aber
ist nur die eine Seite seines göttlichen Wesens – wie ihn der Prophet schaut
auf dem hohen und erhabenen Stuhl. Die andere Seite seines Wesens heißt: Alle
Lande sind seiner Ehre voll – wir können das auch umkehren und sagen: Was die
Welt erfüllt – das ist seine Ehre, seine Herrlichkeit, und ist damit ein Stück
von ihm selbst. Die unendliche Weite des Sternenhimmels, in dem wir in einer
klaren Nacht schauen, ist seine Ehre! Die Schönheit de Blume, an der wir uns
freuen, ist seine Ehre! Die Gewalt des Sturmes, von dem wir uns ducken, ist
seine Ehre! Und die freundliche Wärme der Sonne, die wir auf unserer Haut
spüren. Die Vielfalt des Lebens auf dieser Erde ist seine Ehre – und erst recht
wir Menschen sind seine Ehre. „Alle Lande sind seiner Ehre voll“ – was diese
Welt füllt, ist seine Ehre. Wir bekennen ihn ja als den Vater, den
Almmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Aber wir sollen das dann
auch ernst genug nehmen – nicht nur pauschal und allgemein – sondern in seiner
Unmittelbarkeit und Besonderheit, in der es uns begegnet. Und begreifen dann
vielleicht auch, was das heißt, dass dieser „heilig, heilig, heilig“ ist – es
ist seine Ehre, was diese Welt füllt, (und also nicht unser, der Menschen
Eigentum, über das sie nach Belieben verfügen können). Solange wir Gott bloß in
seiner Erhabenheit denken, ist es nicht schwer, ihn gelten zu lassen. Aber
sobald wir sehen, wie er da ist in der Unmittelbarkeit seines Wirkens,
begreifen wir vielleicht doch ein Stück weit das Erschrecken des Propheten –
heilig ist er, Gott, dessen Ehre wir antasten, wo wir uns vergreifen an dem,
was die Erde füllt – nicht zuletzt an den Menschen, die er nach seinem Bild
geschaffen hat. Gott ist nicht fort – weit weg. Er ist nahe in der Fülle
dessen, was seine Ehre ausmacht. So haben wir mit ihm zu tun.
2. ... Dazu haben wir nun einen zweiten Schritt
in unserer Überlegung zu gehen: Warum
gerät der Prophet in die Situation, von der ich eingangs redete – die Situation
dessen, der sieht und hört und versteht, wo andere blind und taub und
uneinsichtig sind? Die Situation dessen, der sieht, was kommen muss – und doch
mit seiner Warnung nichts erreicht?
Wenn wir so fragen, dann haben wir unsere erste Frage, die
Frage, wer Gott ist, gewiss nicht verlassen. Im Gegenteil, wir gehen dieser
Frage einen Schritt weiter nach: Dieser Gott ist nicht für sich und will nicht
für sich bleiben – seine ehre ist ihm nicht genug gepriesen, wenn sie von den
Seraphin, den Feuerengeln gepriesen wird. Er will Gott gerade der Menschen
sein, der Geschöpfe, die seine Herrlichkeit wahrnehmen und preisen! Darum holt
er den Jesaja auf seine Seite. Darum lässt er ihn nicht zergehen in der Furcht
dessen, der Gott gesehen hat, der weiß: Er gehört zu denen, die Gottes Ehre
angetastet haben, und die darum zurecht von der Heiligkeit dieses Gottes
verzehrt werden, wie Stroh von der Feuersflamme. Wohl berührt ihn das göttliche
Feuer – aber es verzehrt ihn nicht. Es reinigt ihn – es macht seine Lippen rein
und beruft ihn damit zum Träger des Gotteswortes.
Was heißt das? Nicht bewusstlose Materie ist das, was
Grundstoff unserer Welt ist, nicht Gesetz der Natur, Notwendigkeit,
Schicksal und Verhängnis, dem wir
Menschen ohnmächtig gegenüber stehen. Es ist die Fülle, Ehre, Herrlichkeit des
Gottes, der zu uns Menschen redet. Nicht stumm ist die Welt, tot und unbeseelt,
in der wir leben. Sie ist die Ehre des Gottes, der mit uns redet –
menschlich mit uns redet. Erinnert
euch, wie wir in unserer Abendmahlsliturgie das Dreimalheilig fort führen:
Hosianna in der Höhe. Gebenedeit sei der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna
in der Höhe! Der da kommt – Jesus Christus, der Mensch, der das Wort Gottes
ist! Hier im Propheten Jesaja ist das vorgezeichnet, was sich dann in Jesus
vollendet. Gewiss! Es ist ein geheimnisvoller Vorgang – und wer kann es
wahrnehmen, wie die Fülle der Welt durch Menschen redet?
3. ... Hier gehen
wir noch einen dritten Schritt weiter, in dem wir fragen, wo wir selbst den
stehen? Wir können ja nicht sagen, dass wir verfettete Herzen hätten, und
verklebte Ohren und verschmierte Augen! Aber zugleich sehen wir wohl, wie wenig
wir uns dem entziehen können, was in unserer Menschenwelt, mit uns und durch
uns geschieht – „weh mir, ich vergehe. Denn ich bin unreiner Lippen und wohne
unter einem Volk von unreinen Lippen“. Es ist ja nicht nur das Hören und Sehen und Verstehen – es
ist die Achtung vor Gott selbst, vor seiner Ehre in der Fülle dessen, was ist –
die wir aufbringen sollten, und bleiben weit zurück.
Kann das anders auslaufen, als so, dass es ein böses Ende
nimmt. Wir können uns vorstellen, wie die Katastrophe kommt – die Städte wüst
werden, ohne Einwohner und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst da
liegt – es braucht in unserer Gegenwart gar nicht so viel Phantasie dazu.
Aber nicht das ist jetzt unsere Sache, solche mögliche
Katastrophe aus zu malen. Unser Ort ist dort, wo der Prophet nun fragt: Herr,
wie lange? Das kommt aus dem bedrückten Herzen, das das Unheil kommen sieht und
es nicht abwenden kann, und doch nicht zugeben will, dass dies das Ende sein
soll: Der heilige Gott macht ein Ende mit denen, die seine ehre antasten. Nein
– die Hoffnung greift weiter, sie greift aus in die Zeit, wo das vorbei ist. Wo
sich die Herzen öffnen – für den Geist Gottes, der hinein führt in die Tiefe
des göttlichen Geheimnisses, das Geheimnis einer Wirklichkeit, die nicht stumm
ist, sondern zu uns redet. Und zu der wir selbst reden können, das Geheimnis
Gottes (des dreieinigen, dessen Fest wir heute feiern), dessen, mit dem wir
eins werden, weil wir sehen und hören und verstehen durch seine Gnade. ...
Amen.