Pfingstmontag, 22.5.1961             Wolfenhausen/Nellingsheim

 

103, 1-3 O heiliger Geist (257)

100, 1-3 Jauchz, Erd und Himmel (76)

103, 5 O Heiliger Geist (257)

147 O Gott und Vater (76)

105, 13 Zeuch ein zu deinen (276)

 

2. Kor 5,17-21

Johannes 3,16-21

 

Liebe Gemeinde!

 

Wir kennen alle jenes Wort, das am Eingang unseres heutigen Textes steht „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Doch freilich: Wenn uns die Worte auch vertraut sind, so muss das noch lange nicht so sein mit dem Sinn dessen, was mit diesen Worten gesagt ist – und ich denke, es werde lange dauern, bis wir mit dem Sinn dieser Worte zurecht kommen.

Da ist Gott, da ist die Welt. Und zwischen Gott und Welt da steht sein einziger, sein geliebter Sohn, den Gott hineingegeben hat in diese von ihm geliebte Welt, um diese Welt zu heilen, um sie zurechtzubringen – und nicht, um sie zu verurteilen und zu verdammen – wie sehr deutlich gesagt wird.

Wir könnten fragen, warum Jesus das eigentlich so betont sagen muss: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn selig werde.“ Und würden darauf vielleicht sogar selbst unsere Antwort finden. Denn wenn wir „Welt“ sagen, so hat dieses Wort in unserem Munde sehr leicht eine abschätzige Bedeutung. „Die böse Welt, die arge Welt, die falsche Welt – und ganz gewiss steht dahinter der Gedanke, dass diese Welt eben nicht so sei, wie sie sein solle, dass sie Strafe verdiene und Gericht, dass sie es verdiene, dass ihr von Gott einmal gründlich der Meister gezeigt werde. Ich sage: So können wir das Wörtlein Welt auffassen, gerade in unserem frommen und christlichen Sprachgebrauch: Die böse Welt. Und hören nun: Nicht die böse Welt, sondern die von Gott geliebte Welt ist es, in der wir leben. Diese Welt – ich könnte schildern, wie es in ihr zugeht, aber das brauche ich gar nicht zu tun. Denn wie es in dieser Welt zugeht, das können wir nicht nur täglich in der Zeitung lesen, sondern das erfahren wir, erfahren es sehr deutlich. Erfahren es an unserem Leibe, und erfahren es in unserem eigenen Herzen. In unserem Herzen, das doch auch zu dieser Welt gehört, zu dieser argen und bösen Welt gehört. In unserem Herzen, das an dieser Welt hängt mit allen Fasern, und das doch nicht zufrieden sein will mit dem, was diese Welt ihm zu bieten vermag.

Ich sage: Wir sind mit dieser Welt zusammengebunden, gehören zu dieser Welt, die ganz gewiss nicht so ist, wie sie sein soll – das wissen wir ganz genau. Und wenn wir ehrlich genug sind, werden wir zugeben, dass das mit daran liegen mag, dass auch wir nicht so sind, wie wir sein sollen. Wir sind verhängt mit dieser Welt, und von ihr heißt es: Gott habe sie geliebt. Gott habe sie so geliebt, dass er seinen Sohn gegeben habe, um diese Welt zu retten. Freilich, so ganz einfach wird das nun nicht zu verstehen sein, dies, dass Gott seinen einzigen Sohn gegeben habe, um diese Welt zu retten – uns zusammen mit dieser Welt zu retten. Denn natürlich fragen wir: Wie kann das geschehen? Wie soll es denn überhaupt anders, besser werden mit dieser Welt? Wie soll es jetzt anders, besser werden, wo doch schon vor 1900 und etlichen Jahren jenes Kreuz auf Golgatha aufgerichtet wurde, an welchem Jesus sein Leben gelassen hat. Ist es anders geworden? Ist es besser geworden?

Ich könnte zwei Antworten darauf geben – könnte zunächst einmal sagen: Wenn er nicht an diesem Kreuz geblutet hätte – wenn nicht von diesem Kreuz seither die Ströme des Glaubens und der Liebe ausgegangen wären, so wäre diese Welt schon längst an ihrer eigenen Bosheit und Verkehrtheit zugrunde gegangen. Das ist freilich eine Behauptung, die man nicht beweisen kann – und die darum auch nicht auf eine allgemeine Zustimmung rechnen darf.

Ich kann aber weiter sagen: Wo wir´s glauben, was da gesagt ist, wo wir ihm, dem Heiland und seinem Worte glauben, da wird unsere Welt anders. Und das ist eine Erfahrung, welche jeder machen kann, der bereit ist, zu glauben. Der bereit ist, sich auf Gottes Liebe einzulassen.

Der bereit ist, auf diese Liebe Gottes hin sein Leben zu wagen.

 

Freilich: Davon redet Jesus ja nun deutlich genug, dass viele dazu nicht bereit sind. Dass viele nicht bereit sind, sich auf diese Gottesliebe einzulassen, wie sie sich in der Hingabe seines Sohnes gezeigt hat – „die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer Arges tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, auf dass seine Werke nicht an den Tag kommen.“

Verstehen wir das nun ja nicht falsch, liebe Freunde. Natürlich reden wir von lichtscheuen Bösewichten, und haben gewiss eine bestimmte Vorstellung von dem, was solche Gesellen treiben. Aber uns dazu zu rechnen, uns, die wir hier beieinander sind, das wird uns gewiss nicht in den Sinn kommen. Freilich, wenn wir uns gegenüber ehrlich sind, werden wir zugeben müssen - : Von dem oder jenem, was du hier und dort getrieben hast, da ist es auch besser gewesen, dass es verborgen blieb und nicht herausgekommen ist, und dass es vorbei und vergessen ist. Seht - das, was Jesus meint, das ist noch mehr. Das, was er mit Licht und Finsternis meint und damit, dass sich Menschen scheuen, ihre Werke ans Licht kommen zu lassen, das ist noch mehr als das, was wir meinen, wenn wir von solchen Taten reden, welche besser nicht ans Licht kommen. Denn das Licht, von welchem Jesu redet, ist heller als das Licht der Sonne. Das Licht, von welchem Jesus redet, das ist das Licht der göttlichen Wahrheit, das alles durchdringt, auch das, was wir für sehr gut und ordentlich und ehrbar halten mögen, und das von allem unserem Tun zeigt, woher es kommt und wohin es führt.

 

Woher es kommt und wohin es führt, unser Tun: Das ist es, was jenes Licht zeigt, jenes Licht, welches die Worte und welches das Tun unseres Heilandes in diese Welt herein geworfen hat.

Wo wir es ernst nehmen, dieses Wort und Werk unseres Heilandes, da zeigt sich dieses unser Tun – woher es kommt zeigt sich da, und wohin es geht. Da zeigt sich`s dann, liebe Freunde, dass unser Tun nicht in dieser Welt aufgeht. Vielleicht, dass wir das von selbst spüren, dass wir begreifen, wie diese Welt nicht unsere Heimat ist, wie es anderes gibt, ein Ziel, dem wir entgegenwandern, und doch ein Ziel, welches nicht in dieser Welt ist. Ich sage: Vielleicht spüren wir das selbst. Aber es ist nun doch ein ganz anderes, wenn wir , wenn unser ganzes Leben in das Licht Jesu gerückt wird, in jenes Licht, das die Liebe Gottes hineinwirft in diese Welt. Dann begreifen wir, was unser Ziel ist. Dann begreifen wir auch den Sinn unseres Tuns, unseres Lebens in dieser Welt. Begreifen, wie dieses Leben nicht in dem aufgeht, was wir uns selber vornehmen wollen und können, sondern wie dieses Leben ein Leben für Gott ist. Für Gott, der nicht will, das diese Welt, welche er geschaffen hat, verludert und verkommt, und der nicht will, dass die Menschen, die er geschaffen hat, sich gegenseitig das Leben schwer machen oder gar sich mit immer scheußlicheren Mordwaffen das Leben nehmen.

Ich sage: Wer einmal in das Licht der Gottesliebe blickt, wie es sich in dem Leiden und Sterben unseres großen Heilandes gezeigt hat, der wird wissen, wozu er da ist in dieser Welt, und wird auch nicht lange fragen, was er nun Besonderes tun will.

Sondern wird merken, dass er zwar gewiss nicht der große Heiland, der eingeborene Sohn Gottes, werden kann und werden soll, aber doch vielleicht ein Heiland im Kleinen, ein Gotteskind, einer, der heil machen will und heil machen kann – einer von denen, von welchen Jesus spricht: „Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zum Licht, dass seine Werke offenbar werden, denn sie sind in Gott getan.“ So ist uns geholfen, und so ist dieser Welt geholfen, wenn wir`s uns gefallen lassen, wenn wir uns nicht in irgendeine Finsternis verkriechen, sondern ans Licht Gottes kommen.

Amen