2. Christfeiertag 1962,                   Wolfenhausen/Nellingsheim

 

27, 1-6 fröhlich soll mein Herz (82)

28, 1-4 Ich steh an deiner (73)

33, 6+7 Jauchzet ihr Himmel (161)

25, 3 Freuet euch ihr (80)

 

2. Kor. 4, 7-14

Johannes 8, 12-16

 

Liebe Gemeinde!

 

Gewiss gehört es immer wieder zum Christfest, dass wir uns versenken in das Bild des Kindleins in der Krippe. Gehört es dazu, dass wir dies Bild an uns herantragen lassen in Worten und Liedern, in Bildern und Darstellungen. Doch nun wird es nicht nur darauf ankommen, dass wir uns dieses Bild nicht durch falsche Vorstellungen verderben lassen. Es wird nicht nur darauf ankommen, dass wir nicht unter der Hand aus diesem Bild der Armut und des Preisgegebenseins ein verklärtes und unwirkliches und unglaubwürdiges Bild des Christkindes machen, wie das leider oft genug schon geschehen ist.

Es genügt dies nicht, dass wir einfach jenes Bild uns vor Augen stellen und seine Wahrheit festzuhalten suchen.

Denn dies, dass das Christkind in unserer Vorstellung und in den Gedanken unserer Kinder zu so etwas wie einer Märchengestalt geworden ist, einer Art freundlichen und hilfreichen Fee – die es aber natürlich in Wirklichkeit gar nicht gibt, das hat seinen guten Grund, der hier freilich zu einem bösen und falschen und verlogenen Ende geführt hat!

 

Ich sage: Es genügt nicht, dass wir uns einfach das Bild des Kindleins in der Krippe vor Augen malen lassen, dass wir uns dies Bild der Armut und der Schwachheit klar machen und wissen, dass hier gar kein Grund ist, mit viel Gold und Silberglanz zu verklären, was die bittere Wirklichkeit dieses Bildes uns zu zeigen hat. Aber das ist zu wenig. Und darauf mag uns jenes falsche Verklären und Verniedlichen und Verzieren dieses Bildes, wie es leider nur zu oft bei uns geübt wird, hinweisen: Wir müssen wissen, wer der ist! Wir müssen sagen können, wer der ist! Und das wollten die Maler, die alten wohl mehr als die neuen, mit ihrem Gold und Silber, mit dem Lichtglanz und den Engelscharen, die sie malten, sagen: Was ihr da seht – dies Kindlein in der Krippe, das ist nicht alles. Was ihr da vor Augen seht, das erfasst ihr erst, wenn ihr erfasst habt, wer der ist! So, wie es der Evangelist Johannes dann dem Manne Jesus selbst in den Mund gelegt hat: „Ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wisset nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.“

Woher der kommt, Jesus – dessen Bild als Bild eines Kindleins in der Krippe wir uns vorstellen in diesen Tagen, von dem als von dem Christkindlein wir reden – woher der kommt, darauf müssen wir die Antwort geben. Und haben diese Antwort gewiss noch nicht gegeben, wenn wir sagen, es sei dies eben ein besonderes Kind, und haben diese Antwort auch dann noch nicht gegeben, wenn wir sagen, der sei der Heiland, der sei Gottes Sohn, der komme von Gott!

Denn was haben wir damit schon gesagt? Was meinen wir, wenn wir sagen: Gott? Wissen wir, wer das ist, Gott? Wissen wir, wo das ist: bei Gott?

 

Liebe Freunde! Darum fällts uns ja so schwer, richtig zu hören, weil wir schon viel zu viel wissen. Darum können wir solche Sätze wie die aus dem Johannesevangelium so schwer begreifen, weil wir meinen, beispielsweise, wir seien natürlich nicht damit gemeint, wenn es hier heißt: „Ich weiß, woher ich komme und wohin ich gehe; ihr aber wisset nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.“ Wir meinen, es seien eben die Pharisäer damals mit ihren Fragen gemeint gewesen. Die hättens nicht gewusst – aber wir heute, wir wüssten es!

Nein – das gerade nicht. Natürlich können wir das sagen – von Gott, da ist er gekommen, und zu Gott ist er wieder zurückgekehrt, und schauen diese Geschichte ja Jahr für Jahr an, von Advent und Weihnachten bis Himmelfahrt und Pfingsten. Aber darauf kommt`s nun gerade an, dass wir nicht meinen, wir kennten dieses Woher? und dieses Wohin? Jesu, das wir mit dem Worte Gott bezeichnen. Nein! Nicht anders kennen wir`s als so, dass wir uns von Jesus zeigen lassen, wer Gott ist. Jene Pharisäer, mit welchen Jesus seinen Diskurs hatte, die meinten, sie wüssten, wer Gott ist. Die meinten, sie könntens prüfen, ob Jesus wirklich von Gott gesandt sei, meinten, sie könnten ihm das nachwiesen, dass er nicht von Gott sei, dass darum dies, was er sagte, dass er von Gott komme, und dass er zu Gott gehe, gewiss nicht wahr sei. Warum? Sie meinten, sie wüssten, was Gott sei: Gott ist Allmacht! Gott ist Heiligkeit! Gott ist Gewalt! Gott ist Erfolg! Gott ist Erfolg – und also müsste der Erfolg seines Tuns Jesus recht geben – es müsste mit ihrem Erfolg Gott für Jesus das Zeugnis ablegen, dass der wirklich von ihm komme, das er wirklich Gottes Vollmacht habe. Der Erfolg, beispielsweise so, wie er die Menschen immer anzieht: Dass sich einer durchsetzt und die Macht gewinnt über andere und sein Reich aufrichtet, ein Reich, in dem es die Menschen zu Glück und Wohlstand bringen. Aber nun hat es mit Jesus ja gerade nicht sehr erfolgversprechend angefangen, mit der Krippe im Stall! Und es hat erst recht nicht nach Erfolg ausgesehen, wie es dann mit ihm zu Ende ging – am Kreuz. Aber Jesus hält ihnen entgegen: Ihr richtet nach dem Fleisch! Das heißt: Was ihr vorgeblich wisst, das ist euer menschliches Wissen. Und das ist falsch, das ist verkehrt und verderbt – es ist Fleisch, es ist Sünde.

Wohl: Aber woher sollen wir`s dann wissen, dass Jesus recht hat? Wo sollen wir`s ablesen? Nirgends anders als bei Jesus selbst! Nirgends anders als bei ihm, bei ihm und dem, was er ist, was er sagt, was er tut. Darum geht’s, dass wir uns selber unser Denken und Vorstellen und Reichten und Urteilen über das, was wir Gott heißen, fahren lassen, und wissen: Er, Jesus, er allein ist`s! Er, Jesus, er allein zeigt uns Gott, wie er ist! Er ist das Licht der Welt. Dann, liebe Freunde, dann allein kann uns das Kind in der Krippe zum Bild und Gleichnis Gottes werden – ja zu mehr als zu Bild und Gleichnis, kann es uns zur Offenbarung Gottes selbst werden. Dass wir zu lernen beginnen, was das heißt: Gott! Dass wir dies Wort Gott zu buchstabieren beginnen! Dass wir`s an ihm lernen, an Jesus, was das ist: Gott!

Dass wir lernen: Er ist der, der sich in Liebe preisgibt! Er ist der, der sich seiner göttlichen Macht entäußert, um uns Menschen zu sich zu rufen! Er ist der, der unser Vertrauen will, und darum nicht den Gehorsam erzwingt, sondern sucht, bittet, ruft, redet! Der ist Gott!

Ja, wo wir dies Wesen Gottes zu buchstabieren anfangen, wo dies Licht uns aufgeht, da beginnt dann das Gericht, von welchem Jesus redet! Gericht über unsere Halbheit. Gericht über unser zerspaltenes Wesen, die wir gerührt tun am Christag, und das Christkind gelten lassen wollen, und glauben ihm doch nicht! Sondern meinen weiter: Gott, das sei der Erfolg. Und lassen uns bestätigen von unserm Erfolg - und begreifen nicht, dass nur das bestätigt wird, was wir in seinem Lichte tun!

Amen