Septuagesimae, 10.2.1963                    Wolfenhausen/Nellingsheim

 

218,1-7 Sonne der Gerechtigkeit (226)

242,1-6 Es ist das Heil uns kommen (71)

512, 4.5 Seelen, lasst uns (172)

197,8 Du meine Seele (58 oder 59)

 

Römer 12, 1-6

Lukas 17, 7-10

 

Liebe Gemeinde!

 

Einen solchen Knecht sollte man haben – das mag dem einen oder anderen beim Hören dieses Gleichnisses durch den Kopf gegangen sein – und es haben sich wirklich die Verhältnisse seit der Zeit Jesu so gründlich geändert, dass wir uns schwer tun, was hier als Gleichnis geschildert ist, zu verstehen. Denn die Zeit der Sklavenhaltung, um die es hier geht, ist längst vergangen, und auch Dienstboten, wie es sie vor ein – oder zwei Menschenaltern noch gegeben hat, finden wir heute nicht mehr. Vielleicht, dass wir darum, um zu verstehen, was Jesus mit seinem Vergleich meint, übertragen müssen, und statt an den Knecht, den leibeigenen Sklaven einmal an unsere Mütter und Hausfrauen denken sollten, und an das, was sie ganz selbstverständlich tun. Das ist nun einmal so, da gibt es gar keine Frage und wir sollen ja nun gewiss nicht uns darüber Gedanken machen, ob das richtig ist. Wir werden vielmehr das sehen müssen, worauf  es in dem Vergleich Jesu ankommt: Dass da ein Mensch ganz selbstverständlich von seiner Pflicht in Anspruch genommen ist, und zwar so in Anspruch genommen ist, dass er gewiss keine Zeit hat, nun nebenher auch noch etwas anderes zu treiben, gar sich noch durch besondere Leistungen einen besonderen Dank zu verdienen. Er hat gerade genug zu tun, mit dem fertig zu werden, was seine Schuldigkeit ist! Darauf kommt`s an, dass wir einen solchen Menschen uns denken, der seine Pflicht tut, und darüber hinaus gar keine Zeit hat, nun etwas anderes zu tun, eine besondere Leistung zu vollbringen. Wir werden uns einen solchen Menschen vorstellen – und uns dann von Jesus sagen lassen: so bist du dran, deinem Gott gegenüber.

Was heißt das? Es heißt einmal: Zweierlei Tun gibt es für einen Christen nicht! Es ist nicht so, dass er einmal sein normales Leben habe, und seinen alltäglichen Verrichtungen nachgehe, und dass er dann noch zum andern besondere Dinge treiben könne, fromme, gottgefällige Dinge, wie beispielsweise Beten, Bibellesen, Opfern, in die Kirche gehen, oder in die Bibelstunde, oder was es immer sei. Das gibt es nicht, eine solche Trennung frommer Dinge, welche Gott zu gefallen geschehen, und der alltäglichen Dinge, welche wir machen, weil sie nun einmal geschehen müssen. Es gibt solches zweierlei Tun, das fromme und das alltägliche, nicht. Es hat der Christ gar keine Zeit, nun in besonderem, frommen Tun sich das besondere Wohlgefallen Gottes zu erwerben – denn wenn er betet, die Bibel liest, wenn er opfert, wenn er in die Kirche geht, so ist das nichts anderes, als was er ganz selbstverständlich Gott schuldig ist: „Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Ich sage: Was Jesus uns da lehrt, ist dies, dass es nicht zweierlei Tun gibt, das alltägliche, das wir eben tun, weil es nötig ist, und daneben noch ein besonderes frommes Tun, welches wir um Gottes willen, um Gott zu gefallen, vollbringen. Es gibt vielmehr nur einerlei Tun; und dieses einerlei Tun umfasst beides, das, was wir als das alltägliche Tun betrachten, und das, was wir als ein frommes Tun anzusehen pflegen. Es ist uns beides in gleicher Weise geboten, und es ist beides in gleicher Weise das Tun, das Gott von uns sehen will!

Das ist das Erste, was wir aus diesem Gleichnis Jesu lernen sollen. Und daraus folgt, meine ich, ganz selbstverständlich das Zweite: Wenn es kein zweierlei Tun gibt für uns, eines, das wir um Gottes Willen tun, und das andere, das wir tun, weil es die Notwendigkeiten unseres Lebens eben so von uns verlangen, dann werden wir umgekehrt zu begreifen haben, dass uns gerade im alltäglichen, gerade in dem, was die Notwendigkeiten des Leben von uns verlangen, Gottes Wille entgegentritt. Das mag oft nicht einfach zu durchschauen sein. Denn es tritt uns dieser Wille Gottes ja in diesen Notwendigkeiten gewiss nicht rein entgegen, sondern so, dass er vermischt ist mit menschlicher Willkür, mit viel unreinem und verderbten menschlichen Streben, und mit viel schwachen und kurzsichtigen und falschen Entschlüssen dieser Menschen, denen wir uns doch hier und dort fügen müssen. Es mag sein, dass Gottes Wille, hinter diesen menschlichen Trübungen und Verkehrungen fast ganz verschwunden erscheint, dass wir nicht ihn, sondern nur diese banalen und widerlichen Menschlichkeiten sehen. Torheit, dann Gott nachweisen zu wollen. Nein! Wenn wir sagen, dass das Gott sei, der uns hier begegnet, der uns hier fordert, dann wissen wir das nur aus seinem Wort, das uns zeigt, dass wir keine Zeit haben, neben allem übrigen das Werk Gottes zu besorgen. Und von da aus wissen wir es, und können dann, nachträglich, versuchen, das auch einzusehen, dass es Gottes Forderung ist, Gottes Wille, der uns im Alltäglichen begegnet, der es uns lehrt, mit der Gewalt unentrinnbarer Notwendigkeiten, dass wir nicht allein sind auf dieser Welt, dass wir uns aufeinander einstellen und ineinander schicken müssen. Und wo wir das sehen, werden wir leichter tun, und Gehorsam und Liebe können uns leiten, statt Angst und Trotz und ohnmächtigem Aufbegehren.

 

Das ist das andere, was uns Jesu Gleichnis sagt, und ich meine, es sei uns ein rechter Trost, wenn wir gerade das so verstehen und uns zu Herzen nehmen. Doch damit ist nun das Dritte unlösbar verbunden, was uns in Pflicht nimmt: „Alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen.“ Es wird also darum gehen, dass wir es lernen, unser alltägliches Tun genauso zu verrichten wie unser frommes Tun, Gebet und Arbeit recht zusammen zu ordnen und von da aus, diese Arbeit in einer ganz besonderen Weise zu achten – als Gottesdienst.

Es mag uns das hier und da recht schwer fallen, da wir es in dieser Arbeit doch eigentlich gar nicht mit Gott, sondern vielmehr mit den Menschen und ihrer Art und Unart – und mit uns selbst, die wir gewiss nicht besser sind als alle anderen, zu tun haben.

Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Lehre, die wir aus Jesu Gleichnis ziehen können, ist, meine ich, genauso nützlich und notwendig: Dass wir merken, dass jenes Tun, welches wir als das fromme Tun gerne vom alltäglichen Tun unterscheiden, sei eine genauso wichtige und notwendige Sache, wie dieses alltägliche Tun. Gewiss hat jedes seine Zeit, wie all unser Tun seine bestimmten Zeiten hat. Aber es ist nicht weniger notwendig, als alles, was wir sonst tun und darum mögen wir`s ernst nehmen: Eine Zeit haben wir, und die für Gott!

Amen