16.12.1962, 3. Advent,                  Wolfenhausen/Nellingsheim

 

11, 1-7 Gott sei Dank (94)

9, 1-4 Mit Ernst, 0 Menschenkinder (237)

6,4 Macht hoch die Tür (170)

147 O Gott und Vater (76)

6,5 Macht hoch die Tür(170)

 

Jesaja 40, 1-8

Lukas 3, 1-9

 

Liebe Gemeinde!

Wenigstens das ist in Ordnung, dass wir den rechten Glauben haben – wenn es auch sonst in der Welt drunter und drüber geht. Wenigstens daran können wir uns halten, dass wir mit Gott im Reinen sind, und darum vor dem Tode keine Angst zu haben brauchen, wenn es auch sonst Vielerlei gibt, das wir fürchten: Das etwa meinten die Juden, wenn sie sagten: Wir haben Abraham zum Vater. So sagen wir natürlich nicht. Aber wir meinen doch wohl häufig etwas ganz ähnliches, wenn wir uns über dieses Leben, und das, was nach diesem Leben kommt, Gedanken machen. Und haben gerade darum den Johannes den Täufer nötig, mitsamt seinen schroffen und harten Worten. Brauchen diesen absonderlichen Mann, der die, welche doch mit der besten Absicht zu ihm kommen, um seine Predigt zu hören, nicht etwa gelobt hat, dass sie nicht zu Hause blieben, wie gewiss viele andere, sondern dass sie zu ihm kamen. Sondern der sie mit harten und bösen Worten angefahren hat: „Ihr Otterngezücht, wer hat denn euch gewiesen, dass ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Sehet zu, tut rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmet euch nicht vor, zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“

Ich sage: Wir brauchen den Johannes den Täufer, der uns vor Augen rückt, was Gottes Wille ist. Wir brauchen den, damit wir es uns nicht zu leicht machen. Damit wir nicht so tun, als sei es an uns, eben zu klagen über diese  Welt mit ihrer Unordnung, und uns dann damit zu trösten, dass doch jedenfalls unser Glaube in Ordnung sei. Uns zu trösten damit, dass uns zwar in diesem Leben mache Widerwärtigkeit erwarte, die durchgestanden und durchlitten werden muss, dass wir aber dafür doch das Recht auf ein besseres Jenseits einhandeln. Ich sage: Da brauchen wir den Johannes den Täufer, brauchen ihn, gerade mit seinen harten Worten, damit wir merken: Wir können nicht so tun, als ob das einfach zweierlei wäre, die Unordnung in der Welt, die gewiss sehr beklagenswert ist, und unser Glaube. Dass das nicht einfach Zweierlei ist, die Widerwärtigkeiten dieser Welt, die wir durchzustehen haben, und das bessere Leben, das wir nach dem Tode erwarten. Sondern das wir merken: Gerade das gehört zusammen: Dass uns Gott hier in diesem Leben begegnet, verhüllt unter den Dingen, dass er hier auf uns zukommt, verborgen unter seinen Geschöpfen, er, derselbe, dessen unverhüllter Majestät wir einmal begegnen müssen! Wir brauchen den Johannes, dass wir das merken! Wir brauchen diesen, der uns anfährt: „Ihr Otterngezücht, wer hat denn euch gewiesen, dass ihr dem zukünftigen Tod entrinnen werdet?“

Natürlich passt uns eine solche Anrede nicht so ganz, und jeder meint so insgeheim: Ich werde da wohl nicht gemeint sein! Wir lassen das an uns herab laufen – es geht uns nichts an, es dringt nicht in uns hinein. Denn mit diesen bitteren Scheltworten, da können doch wir nicht gemeint sein!

Liebe Freunde: Es hat eigentlich gar keinen Wert, weiter zu reden, wenn wir nicht zugeben, dass wir gemeint sind. Tatsächlich wir, die wir hier beieinander versammelt sind– und dabei hat es ja gar keinen Sinn, wenn wir sagen, auch andere seien doch damit gemeint und diese anderen seine wahrscheinlich viel mehr gemeint, als wir selber! Nein! Wir alle sind gemeint, wir alle sind gefragt, was wir denn tun, damit Gott Raum gewinne, Raum gewinne unter uns, in dieser Welt. So hat es doch schon der Prophet Jesaja ausgerufen, und so ist es nun die Aufgabe des Johannes geworden, das zu predigen: „Bereitet den Weg des Herrn und machet seine Steige richtig! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll richtig werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden.“ Natürlich ist das ein Bild, das hier gebraucht wird, von dem glatten, ebenen Weg, den wir bauen sollen, damit Gott kommen kann. Aber wir verstehen schon, was damit gemeint ist, mit dieser Aufforderung, dem Herrn den Weg zu bereiten. Wir wissen schon: Da geht es gerade um die Ordnung in dieser Welt unter uns! Und dieser Unordnung gegenüber können wir uns ja gerade nicht darauf zurückziehen, dass wir sagen: Wenigstens unser Glaube ist in Ordnung. Und können gerade nicht auf Gottes Heil hoffen, wo wir uns jetzt, in dieser Welt und diesem Leben, eben treiben lassen!

Nein! „Sehet zu, tut rechtschaffene Früchte der Buße!“ Darum geht`s. Man soll etwas sehen und merken davon, dass es uns ernst ist damit, dass wir auf Gottes Kommen hoffen. Man soll etwas sehen davon, dass uns das betrifft, dieses: Bereite dem Herrn den Weg! Dass wir uns dran machen, beispielsweise einige Täler auszufüllen. Und wenn wir meinen, das sei doch zuviel verlangt, und wir brächten das nicht fertig, dann sollen es wenigstens einige Gräben und Risse sein – Gräben beispielsweise zwischen Haus und Haus, Feindschaften oder auch bloß Unstimmigkeiten – aber eben gerade damit ein wenig von jenem Unfrieden, der in dieser Welt zu herrschen scheint. Wir sollen die hohen Berge abtragen – beispielsweise die hohen Berge, auf die wir uns so gern stellen, um von da aus auf andere herabzusehen.

Seht: Wenn wir es einmal begriffen haben, wie das uns angeht, dieses: Bereitet dem Herrn den Weg – dann werden wir auch Mittel und Wege finden, das zu tun. Auszugleichen, Ordnung zu machen. Oder wenigstens ein ganz kleines Teil mit zu dieser Ordnung beizutragen. Beispielsweise damit, dass wir noch ein wenig tiefer in den Geldbeutel greifen, wenn für die Hungernden dieser Welt gesammelt wird. Dass wir ein bisschen wenigstens auszugleichen versuchen zwischen unserem Reichtum und ihrer Armut! (Denn sind wir reich).

Das ist`s, wozu wir Johannes den Täufer brauchen, damit wir herauskommen aus unseren Einbildungen, es wäre mit uns und mit unseren Glauben alles in bester Ordnung, und nur diese Welt wäre eben in Unordnung.

Nein! Diese Klüfte und Gräben und diese Berge und Hügel, die auf die Seite geräumt gehören, die klagen uns an. Die rufen uns dazu auf, dass wir zupacken. Und sollen wissen, dass wir dabei nicht die törichten Idealisten sind, die sich`s schwer machen und doch nichts zuwege bringen, und die von ihrer ganzen Mühe gar nichts haben, sondern sollen wissen, dass wir da Gottes Werk treiben, und darum bei der rechten Sache sind.

Amen.