3. Advent 14.12.1986           Kosbach

 

Jesaja 40,1-5               Lk 3,1-14

 

6,1-5 Macht hoch die Tür

9,1-4 Mit Ernst, o Menschenkinder

14,1-5 Die Nacht ist vorgedrungen

139   Verleih uns Frieden

 

Herr, Gott,

der du uns dein Kommen verheißen hast, das uns selbst und unsere Welt zurecht bringen wird, wir bitten dich, erbarme dich unserer Sünde, bereite uns zu, dich recht zu empfangen, verändere unsere Herzen und unser Tun, dass wir dein Kommen getrost und in Freude erwarten können, durch unsern Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.

 

 

Lasst uns Gott bitten, dass er uns in dieser unruhigen Zeit für sein Kommen bereite, dass wir auf ihn hören, dass wir seine Zeichen wahr nehmen und aufmerken lernen auf das, was er uns zu tun gibt. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten für die Christenheit hier an diesem Ort und in aller Welt, dass sie selbst ein Zeichen Gottes sei in ihrem Reden und Tun und ohne Scheu Gottes Gerechtigkeit bezeuge. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten um Gerechtigkeit und Frieden bei uns und in aller Welt, dass die Völker und Staaten in Eintracht leben, dass Konflikte vernünftig beigelegt werden, dass es endlich zu einem Ende des Wettrüstens und zur Abrüstung kommt. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten für alle, denen die Menschenrechte vorenthalten werden, für die unterdrückten Völker in Afghanistan, Chile und Südafrika, dass die Menschen lernen, einander zu achten und miteinander in Gerechtigkeit und Freiheit zu leben. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten um Arbeit und Brot und Anerkennung für alle Menschen, dass wir es lernen, Überfluss und Mangel aus zu gleichen, dass wir sorgsam umgehen mit allem Leben auf dieser Erde und bewahren für zukünftige Geschlechter, was Gott uns anvertraut hat. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten für die Menschen, die er uns in besonderer Weise anvertraut hat, und vor ihm ihre Namen nennen. Er bewahre und schütze sie und lasse ihr Leben gelingen. Wir bitten ...

Lasst uns Gott bitten für die Einsamen, die Alten, die Kranken, alle, die in Not sind, dass ihnen Freundlichkeit und Hilfe begegne. Wir bitten ...

Herr, nimm dich unser gnädig an.

 

Liebe Gemeinde,

 

da bahnt sich etwas an; und es ist wichtig, dabei zu sein. So mögen die Leute damals das Auftreten Johannes des Täufers aufgefasst haben. Da bahnt sich etwas an: Unruhige Zeiten waren das damals sowieso, gerade in Palästina. Unruhige Zeiten, wo die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse alles andere als stabil waren. Wir haben ja eben die Namen jener Herren gehört, des römischen Kaisers Tiberius, und seines Statthalters Pontius Pilatus und der Landesfürsten da: Das waren Söhne des Herodes, den wir als den Verfolger des Kindleins Jesus kennen. Unter sie war das Land aufgeteilt worden. Aber so richtig souverän waren sie allenfalls darin, dass sie ihre Untertanen aussaugten und das Recht der Schwachen nach ihrer Willkür handhabten: Der Herodes, der da als der Landesfürst von Galiläa bezeichnet wird, der hat ja dann nur kurze Zeit später den Johannes enthaupten lassen, der Herodias und ihrer Tochter Salome zu Gefallen. Unruhige Zeiten damals, unruhige Zeiten wohl auch heute. Aber vielleicht gehört das überhaupt zu unserer menschlichen Wahrnehmung mit dazu, dass wir die Zeiten unruhig finden, und wissen: Das ist eine bedrohliche Sache! Der künftige Zorn meldet sich da. Da bahnt sich etwas an: Die unruhigen Zeiten allein machen das nicht. Sondern der da auftritt, Johannes der Täufer, der ist dafür das Zeichen.

Wahrscheinlich ist Ihnen seine Gestalt, sein Auftreten geläufig, gerade auch das, was hier im Lukas-Evangelium gar nicht erzählt wird, was wir vielleicht aus dem Matthäus- und Markus-Evangelium kennen: Wie er in ein Gewand aus Kamelhaaren gekleidet war, mit einem ledernen Gürtel. Und dass er Heuschrecken aus und wilden Honig. Als Kind hat mich gerade das sehr beeindruckt. Da bahnt sich etwas an in den unruhigen Zeiten – und es ist wichtig, mit dabei zu sein. Johannes der Täufer ist dafür das Zeichen. Er, von Gott aufgerufen, damit sich die Leute einstellen können auf das, was sich da anbahnt. Er, der da in der Wüste am Jordan zu taufen beginnt, die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden.

Können wir hier uns nun bequem zurück lehnen – sozusagen als Zuschauer das betrachten, was uns hier erzählt wird? Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn wir da nun genau zu schauen, wie sich hier etwas anbahnt. Lange schon ist es angekündigt – schon so lange ist das her, dass es fast nicht mehr wahr ist, wie wir im Schwäbischen sagen. Aber nun fällt den Leuten der alte Spruch aus den Reden des Propheten Jesaja ein: Da bahnt sich etwas an, jawohl. Und was sich d anbahnt, das geschieht von Gott her. Da heißt es aufpassen. Da heißt es Obacht geben. Denn es ist wichtig, dass einer da dabei ist. Ob uns da das Zuschauen genügt?

Die damals jedenfalls, die wollten es nicht verpassen, was sich da anbahnte. Sie in ihren unruhigen Zeiten meinten: Jetzt muss die große Wende kommen. So, wie es ist, so darf es nicht mehr weiter gehen und so kann es nicht mehr weiter gehen. Deshalb hat sich das Auftreten des Täufers mit Windeseile herum gesprochen im ganzen Land. Und die Leute liefen in Scharen hinaus und hinunter, dorthin, wo dieser Johannes predigte und taufte. In Scharen liefen sie hinaus und hinunter. Jawohl! Ist das nicht der Traum eines jeden Predigers, eines Pfarrers, eines Evangelisten, dass die Leute so in Scharen kommen? Dass sich die Menge versammelt, wie das etwa passiert, wenn der Papst irgendwo seinen Besuch macht. Oder wenn der Billy Graham im Fußballstadion seine Evangelisation abhält, damit die Leute auch Platz haben, die ihn hören und sehen wollen. Gerade weil das so natürlich und einleuchtend und selbstverständlich ist: Es freut einen, wenn die Leute kommen, wenn sie zuhören wollen, wenn ihnen wichtig ist, was so ein Prediger zu sagen hat – gerade darum ist nun doch erst recht merkwürdig, wie sich der Täufer Johannes verhält. Sie sollen mit den Leuten freundlich umgehen, sollen sie ja nicht vor den Kopf stoßen: so lernen das die Studenten und Vikare, die einmal Pfarrer werden wollen. Die Leute sollen sich wohl fühlen im Gottesdienst, so dass sie gerne dabei sind und gerne wieder kommen: Das leuchtet ja auch ein. Aber bei Johannes dem Täufer, da beobachten wir das genaue Gegenteil: Er fährt die Leute an. Er beschimpft sie mit harten Worten: „Ihr Schlangenbrut - !“

Ist das den nicht richtig gewesen, dass sie gekommen sind? Ist das nicht richtig gewesen, dass sie das bemerkt haben: Da bahnt sich etwas an, und es ist wichtig, dabei zu sein? Doch, das ist schon richtig gewesen. Aber es war falsch, dass sie meinten: Wenn wir bloß kommen, dann können und dürfen wir auch dabei sein. Denn wir haben Abraham zum Vater. Also gehören wir doch dazu! Ein Pfarrer, der würde das wohl gelten lassen: Es ist gut, wenn die Leute kommen. Und wer kommt, der soll dann auch gewiss mit dabei sein. Natürlich! So ein Pfarrer, der ist ja auch angewiesen auf die Leute, die kommen. Der braucht sie. Aber so ein Pfarrer ist dieser Johannes der Täufer gewiss nicht. Gottes Wort geschah zu ihm, so heißt es hier. Und da redet er nun, in Gottes Auftrag und Vollmacht. Und das ist ja der Unterschied zwischen einem Pfarrer und Gott, dass Gott nicht angewiesen ist auf seine Frommen: „Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken!“ Das muss nachdenklich machen. Ich frage da nicht, wie man es heute gerne und häufig tut: „Was wird aus der Kirche?“ – „Was wird aus unserer Volkskirche?“ Nein! Wenn sich da wirklich etwas anbahnt, auch in unserer unruhigen Zeit, und wenn es dann wichtig sein wird, dabei zu sein: Sind wir dann dabei? Bin ich dann dabei?

Vorsicht! Jetzt soll und darf einer nicht zu rasch mit dem kommen, was er weiß und gelernt hat, und scheinbar ist das doch richtig so. „Bereitet doch fein tüchtig ...“, so haben wir das eben noch gesungen. Aber bin ich denn die richtige Adresse dafür? Anscheinend haben die damals, die in Scharen zu dem Täufer hinaus liefen, und sich taufen ließen und dachten: So bereiten wir uns vor – anscheinend haben sie nicht verstanden, was es hieß, dass sich da etwas anbahnt. Wohl, das Herz soll da bestellt werden. Aber was da dann geschildert wird mit den Worten aus dem Propheten Jesaja – haben wir denn das in der Hand und gar fest im Griff, so, wie wir vielleicht meinten, wir hätten es im Griff, unser Leben? Was sich da anbahnt, im wörtlichen und im übertragenen Sinn, das ist Gottes Kommen, als Heiland. Er bahnt sich den Weg, der für ihn passt. Es ist wichtig, dabei zu sein. Aber nicht ich bestimme, ob ich da dabei bin! Ich habe zwar nicht Abraham zum Vater – aber viele Pfarrer und fromme Leute unter meinen Vorfahren, und bin seit 35 Jahren ein ordinierter Pfarrer. Aber ob ich dabei bin bei dem, was sich da anbahnt – auch in unseren unruhigen Zeiten? Vielleicht merke ich das gelegentlich, das sich da etwas anbahnt – auch in meinem Herzen: Wo es weh tut! Wo ich mir sagen lassen muss, was ich nicht gerne höre, und das womöglich von den eigenen Kindern. Wo ich merke, wie mir die Hände gebunden sind.

Aber hier in der Geschichte von Johannes dem Täufer, da muss es ja nun noch einmal weiter gehen. Gerade weil sich da etwas anbahnt, und es wichtig ist, dabei zu sein – und keiner hat’s in der Hand, sondern jeder ist darauf angewiesen, dass er gerichtet wird, hergerichtet, damit er dabei sein kann, wenn das Heil und der Heiland kommt, gerade darum sollen die Leute nun nicht ohne Weisung gelassen werden. Darum gibt ihnen Johannes seine Antwort auf ihre Frage: Was sollen wir tun?

Noch einmal: Wir müssen ja etwas tun, keiner hält’s aus, bloß die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, ob sich etwas ändert. Erst wenn einer tot ist, tut er nichts mehr. Aber es kommt nun darauf an, dass er das Richtige tut. Und was Johannes dann sagt, das ist ganz einfach und doch ganz schwierig. Es versteht sich eigentlich von selbst und ist doch alles andere als selbstverständlich. Teilen? Verdoppeln, das passte uns: Den Einsatz und den Gewinn verdoppeln, wie bei so einer Fernseh-Show. Und dann werden die Zöllner hingewiesen auf das, was sie tun sollen, und die Soldaten. Abhängig sind die – wie wir abhängig sind. Von ihrem Ersten sind sie abhängig, von ihrem System sind sie abhängig, und zu diesem System gehört Gewalt und Ausbeutung der Schwachen. Und was die da oben machten, ein Tiberius und Herodes und Pilatus (und die Hohepriester mit! Wie wenn die Kirche sich nicht auch die Finger dreckig machte) – das machen auch die, die weiter unten sind, genau so. Hört auf damit, so sagt ihnen der Johannes da. Er weiß: Sie können nicht einfach aussteigen. Aber sie sollen recht handeln. Ganz einfach ist das und ganz schwierig. Da wird dann Krummes gerade gerückt, dass der Heiland kommen kann.