Kantate 3.Mai 1953    St. Johann

256,1-5      O dass ich tausend…

164,1-4      Lasset uns mit Jesu…

241,1+2     Ich steh in meines …

256,9+10  Ich will von deiner …

Ps 27,1-3+7-14

Mt 10,24-33

 

Liebe Gemeinde,

ihr habt die Worte, die Jesus in unserem Evangelium spricht, gehört. Es sind Worte der Anrede, in der zweiten Person gesprochen, Worte, die uns ganz persönlich ansprechen. Aber sind wir denn auch wirklich gemeint? Zu wem spricht Jesus in  unserem Text? Zu seinen Jüngern, denen er den schwierigen und gefährlichen Auftrag gibt, zu zweien und zweien das ganze jüdische Land zu durchziehen und die Botschaft vom Reich Gottes zu verbreiten. Diese Jünger bringen für diesen Auftrag die eine, entscheidende Voraussetzung mit: Sie stehen ganz und gar in der Nachfolge des Herrn, sie haben alles verlassen, Familie, Beruf und Heimat, um ihm ganz zu dienen. Können wir es darum wagen, uns ihnen zu vergleichen? Können wir sagen, dass das, was zu diesen Menschen gesagt ist, in gleicher Weise und ohne jede Einschränkung auch uns gilt? Oder müsste Jesus zu uns nicht zuerst ganz andere Worte sprechen – Worte, die uns heraus rufen aus unserem alltäglichen Leben, Worte, die uns hinein stellen in die Nachfolge Jesu, die in uns zuerst einmal die Bereitschaft wecken, mit ganzem Ernst ihm zu dienen und zu gehorchen? – Seht, liebe Freunde, es ist wohl so, dass in unserem Herzen eine Voraussetzung da sein muss, um diese Worte Jesu richtig zu hören: Das muss sein die innere Bereitschaft, ihm nach zu folgen, wirklich seine Jünger zu sein! – Doch weckt nicht diese Forderung gleich wieder alle Frage und Zweifel auf, mit denen wir so oft zu kämpfen haben, die uns immer wieder unsere Zuversicht und Freudigkeit nehmen wollen – gehören wir wirklich dazu? Sind wir nicht viel zu feige, viel zu träge, viel zu sehr der Welt verhaftet, unserem eigenen Willen preis gegeben, der dem Willen Gottes widerstrebt, als dass wir uns wirklich Jünger heißen könnten, Jünger Jesu? Ist unser Christentum nicht viel zu sehr bloß Gewohnheit, nur ein äußerlicher Anstrich, viel zu wenig Herzenssache, ein Anliegen der innersten Überzeugung? – Es hat keinen Sinn, wenn wir nun alle diese Fragen und Zweifel aufzählen – es werden ihrer immer mehr werden, die sich schließlich als ein unüberwindliches Hindernis  zwischen uns und Jesu Worte einschieben!

Wir wollen Jesu Jünger sein! Darum lasst uns nun darauf hören, was unser Meister uns zu sagen weiß über seine Jüngerschaft! – Seid getrost und voll Zuversicht, die ihr meine Jünger seid! In dieser Überschrift können wir das fassen, was Jesus uns zuspricht. Er tut es, indem er uns darüber belehrt, was uns zu Jüngern macht – was unser Los ist, wenn wir ihm angehören – was der Lohn ist, der uns zuteil wird, wenn wir ihm dienen!

1.   Was macht uns zu Jüngern? Jesus gibt uns eine Antwort, die uns zunächst vielleicht etwas überraschen mag: Nicht die Liebe zu ihm ist es, nicht das Vertrauen auf sein Wort – was uns zu Jüngern macht, ist die Furcht Gottes! „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht können töten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle.“ – Ist das wirklich etwas Richtiges? Gott zu fürchten? Ist das nicht unwürdig? Furchtlosigkeit – das zu erreichen wäre doch wohl eher ein lohnendes Ziel. Nur – diese Furchtlosigkeit gibt es gar nicht! Sondern wir haben nur zu wählen, welche Furcht uns beherrschen soll: Die Furcht vor den Menschen, die Furcht vor der Welt – oder die Gottesfurcht! Oder – eigentlich müssten wir so sagen: Jesus zeigt uns, wie wir die Furcht vor der Welt überwinden können durch die rechte Gottesfurcht. – Wenn wir’s einmal nachprüfen, was uns hindert, wirklich dem Herrn nach zu folgen, wirklich Jünger zu sein mit Ganzem; ungeteiltem Herzen – ist es nicht immer im letzten Grund die Furcht: Die Furcht, die einen festen Platz behauptet in diesem Herzen, das doch ganz und gar Gott gehören sollte! Diese Furcht, die uns davon abhalten will, anders zu sein, als man das ist, anders zu reden und zu handeln, als man das heutzutage gewöhnlich tut. Denn wenn wir so anders sind, daa fallen wir ja auf, und das ist oft eine recht peinliche Sache. Da könnten wir ja vor unseren Nachbarn als die Blamierten dastehen, wir könnten schief angeschaut werden, ja, dieses Auffallen könnte uns womöglich noch irgendwelche Nachteile bringen. Ist es nicht diese Furcht, die uns so oft dazu bringt, dass wir den Mund halten, wo wir eigentlich reden sollten, die uns dazu treibt, dass wir mit machen, wo wir eigentlich abseits stehen sollten? Doch diese Furcht sitzt gar noch tiefer: Wie, wenn unser Glaube doch nicht der Richtige wäre, wenn wir doch auf die falsche Karte gesetzt hätten? Und dann am Schluss unseres Lebens als die Betrogenen dastünden, als die, die einem Trugbild nachjagten, und darüber versäumt hätten, das Leben richtig auszukosten? Kennt ihr nicht auch diese Stimme der Furcht, in unserem Herzen! Und diese Stimme der Furcht, die in uns wohnt, wird immer lauter und zudringlicher, je größer die Gefahren werden, die uns bedrohen – sie wird zur Todesfurcht, die uns packt, wenn die Feindschaft der Welt gegen Gott sich ihre Opfer sucht, diese Opfer sich sucht unter denen, die den Namen des Herrn bekennen.- Diese Furcht wohnt in uns allen  - und es hat eigentlich keinen Sinn, das zu bestreiten, weil wir hier gerade so halbwegs sicher leben, weil wir ungestört z unserem Gottesdienst zusammen kommen können, weil die Kirche staatlich anerkannt und geschützt ist! Nein – nicht v erstecken sollen wir diese Furcht, sie hinab drücken in irgend einen verborgenen Winkel unseres Herzens, wo sie dann weiter lebt und doch eines Tages wieder zum Vorschein kommen und uns von unserem Glauben abtreiben kann! Nicht verstecken sollen wir diese Furcht, sondern wir sollen sie überwinden – überwinden durch die Furcht Gottes! Die Macht der Welt, die ist beschränkt, sie geht nur über den Leib, über dieses leibliche Leben. Das, was wir hier fürchten, der Schaden, den uns die Menschen, den uns die Welt zufügen – das Leid und die Verachtung, der Spott und Schmerz, der leibliche Tod – all das geht vorüber, es ist vergänglich wie diese ganze Welt – es kann unserer Seele nichts anhaben! Das sollten wir uns immer neu deutlich vor Augen halten! „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht können töten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in die Hölle.“ Dieser Eine ist Gott der Herr! Ihn gilt es zuerst zu fürchten, denn er hat unumschränkte Macht über uns, über Leib und Seele! Wie sollten wir die Welt fürchten – und darüber die Gottesfurcht verlieren? Freilich, die Welt, die Menschen sind nah, das, was sie uns tun können, das spüren wir sogleich! Aber wie töricht, wenn wir darüber Gott außer Acht lassen, und lieber versuchen, uns mit der Welt gut zu stellen! Nein: Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten! Wer das einmal gesehen und erkannt hat, der hat ein Mittel gefunden, die Menschenfurcht aus dem Herzen zu treiben, der wird es gewahr, dass ihn die Gottesfurcht treibt zur Jüngerschaft, dazu, dem Herrn Jesus Christus in allem Ernst nach zu folgen. Was macht uns zu Jüngern? Die Gottesfurcht  - so gibt uns Jesus zur Antwort.

2.   Doch nun lasst uns mit das Andere hören: Was ist unser Los, wenn wir Jesus angehören? So ganz angenehm mag die Antwort uns zuerst nicht in den Ohren klingen: In seinem Schicksal ist das Schicksal seiner Jünger vor gezeichnet: „Der Jünger ist nicht über seinem Meister noch der Knecht über dem Herrn. Es ist dem Jünger genug, dass er sei wie sein Meister und der Knecht wie sein Herr.“ Auf uns wartet das gleiche Schicksal, das Jesus getroffen hat: Nicht umsonst ist das Kreuz das Zeichen der christlichen Gemeinde – nicht nur als ein schön verzierter Schmuckgegenstand, den man in den Kirchen aufstellt, oder sich um den Hals hängt, sondern als eine stete Erinnerung daran, was uns erwartet, wenn wir Ernst machen damit, dass wir zu Jesus gehören! „Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen – einen Teufel – wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen also heißen!“ – Freilich, wenn wir fein stille halten, wenn wir das Kreuz nur in einen Winkel unseres Herzens stellen, dann wird uns wohl kaum etwas passieren! Doch das ist nicht der rechte Weg: Hören wir doch den Auftrag des Herrn: Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht! Und was ihr hört in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Wenn wir unserem Herrn treu bleiben wollen – dann bedeutet das, dass wir uns zu ihm bekennen. Wir stellen uns das oft so vor: Dies Bekennen muss eine große, erhabene und gewaltige Sache sein, so etwa wie Luthers mannhaftes Bekenntnis auf dem Reichstag zu Worms! – Aber Gott kann nicht für jeden von uns einen Wormser Reichstag veranstalten, damit wir dort unser Bekenntnis ablegen können. Sonst könnte es geschehen, dass, während wir auf diese eine, besondere, große Gelegenheit warten, ein Bekenntnis ab zu legen, wir das versäumen, was wirklich von uns gefordert ist. Seht, schon das, dass wir jeden Sonntag zum Gottesdienst kommen, ist ja ein Bekenntnis, das bestimmt nicht unbeachtet bleibt. Und wie oft ist es nur ein ganz kleines Wort, eine ganz einfache Tat – ein Schweigen, wo die anderen dreckig lachen; oder ein Händedruck, der es einem Mitbruder zu Bewusstsein bringt: Du stehst nicht alleine da. – Dies Bekennen, liebe Freunde, es zieht einen ganz scharfen Trennungsstrich zwischen denen, die sich Jesu Jünger nennen und den Anderen, die von Gott und seinem Reich nichts wissen wollen. Es zieht diesen Trennungsstrich nicht allein in unserem Herzen – so dass wir uns selber sagen: Das tust du nicht, dahin gehörst du nicht – sondern so, dass diese Trennung für alle deutlich sichtbar wird: Als eine Mahnung, als eine Warnung, als eine Zurechtweisung! Doch weil sich das niemand gerne gefallen lässt, dies Warnen, Mahnen, Zurechtweisen, darum wird es immer so kommen, dass uns die Feindschaft derer trifft, deren wir durch unser Bekenntnis unbequem werden, und desto mehr werden wir die Feindschaft zu spüren bekommen, je treuer unser Bekenntnis ist, je weiter der Abstand, den wir von der Welt gewonnen haben! Das ist unser Los, wenn wir Jesu Jünger sind: Dass wir an unserem Teil mit betroffen werden von seinem Schicksal, dass wir den Hass und die Feindschaft der Menschen mit zu spüren bekommen, die ihn ans Kreuz gebracht hat.

3.   Doch nun lasst uns auch das Dritte hören: Was unser Lohn ist, wenn wir Jesus dienen! Wir können diesen Lohn ganz kurz in die Worte fassen: Wer Jesu Jünger ist, der steht unter der ganz besonderen, unter der väterlichen Vorsehung Gottes. Das ist kein Geringes – wenn sich dieser Lohn auch nicht gleich in irdische Werte und Zahlen umrechnen lässt – wie wir das vielleicht gerne haben wollten. Es besteht ein unlösbarer Zusammenhang zwischen diesem Einen, unserem Bekenntnis zu Jesus Christus, und dem Anderen – dieser besonderen Fürsorge Gottes, des Vaters. „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ Was bedeutet das? Wenn sich Jesus vor Gott zu uns bekennt? Das heißt: Jesus steht für uns vor seinem Vater – er tritt für uns ein, er heißt uns seine Brüder. Sind wir aber Jesu Brüder, so ist auch Gott unser Vater. – Wir sind es so gewöhnt, Gott beim Vaternamen zu nennen, dass wir uns dabei gar nichts mehr denken, dass wir uns gar nicht mehr richtig der Größe des Vorrechtes bewusst sind, das wir damit genießen. Vielleicht, dass Jesu Wort uns das, was uns damit geschenkt ist, ein wenig mehr wieder in unser Gedächtnis zurück ruft: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Dennoch fällt keiner auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählt. So fürchtet euch denn nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.“ – Wie groß muss die Macht Gottes sein, wenn er sogar über so geringe Geschöpfe wacht – wenn er vermag, die Haare auf unserem Kopf zu zählen. Wenn Gott so über das Kleine sorgt – wie viel mehr wird denn sein Auge wachen über seine Kinder – über die Hausgenossen seines lieben Sohnes!
Seid getrost und voll Zuversicht, die ihr meine Jünger seid – denn ihr stehet unter Gottes ganz besonderem Schutze, und darum kann eurer Seele nichts Übles widerfahren! Fürchtet Gott, dann kann euch alle andere Furcht nicht rühren! Diese Worte lasset uns fest halten, lasst die uns im Herzen tragen, dann werden wir etwas erfahren von der herrlichen Freude, die der spürt, der Jesu Jünger ist!

Amen.