2. Sonntag nach Trinitatis, 28.6.1987 Schornweisach
Matthäus
22, 1-14
371,1-8
Intr 14
371,9-12
371,13-15
Lesung: Spr 9,1-6
Du, unser Gott, der du uns leben lässt in deiner Welt, wir
bitten dich, gib uns dein Wort, dass wir dich erkennen und dich preisen, durch
unsern Herrn und Bruder, Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Hlg.
Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.
Liebe Freunde,
wenn das hier ein normaler Gemeindegottesdienst wäre, dann
hätte ich nachher die Abkündigungen vorzulesen. Da würde ich einladen zum
Gottesdienst am kommenden Sonntag. Zu dem Kirchenkaffee der anschließend an
diesen Gottesdienst stattfindet, würde ich sogar herzlich einladen, und ganz
besonders herzlich würde ich alle jungen Mütter mit ihren Kleinkindern zu der neugegründeten
Krabbelgruppe am Dienstagvormittag um 9 Uhr einladen – jeder von denen, die da
schon ein kirchliches Amt führen, lädt ein, zu diesen und jenem immer und immer
wieder. Und oft genug geht es doch wie bei den Knechten, die der König da im
Gleichnis aussendet: Die Eingeladenen wollen nicht kommen. Sie verachten das!
Wer mein homiletisches Schema im Kopf hat, und immer wieder
einmal sich über 1.3, seinen Kopf zerbrochen hat, und versucht hat, „die
Gemeinde im Text“ zu finden, soll sich durch diese Einleitung bitte nicht auf
eine falsche Fährte locken lassen. Die Einladenden, die Knechte, die der König
aussandte – das ist nicht der Ort, den wir selbst uns hier zuzuweisen hätten.
Auch wenn man dies Gleichnis hier in allerhand Einzelzügen allegorisch auslegen
könnte: Dahin gehören wir nicht, jedenfalls nicht zuerst und vor allem.
Hinterher ist dann auch zu dieser Rolle der Einladenden noch etwas zu sagen.
Zunächst aber sollte klar sein: Die hier, die laden ein zu
der Hochzeit, die der König seinem Sohn bereitet hat. Das ist stehendes Bild
für das kommende Reich Gottes, und jeder der Jesu Gleichnis hörte, hätte das
sofort begriffen! Auch ohne die einleitende Formel: Das Himmelreich gleicht…“
Die hier laden ein zum Reich Gottes – und die Krabbelgruppe, der Kirchenkaffee,
auch der Gottesdienst, zu dem wir einladen, ist dieses Reich Gottes nicht. Wenn
wir einladen, dann laden wir zu dem ein, was wir veranstalten. Und wenn die
Leute nicht kommen, dann deshalb, weil sie unsere Veranstaltungen eben nicht
besonders attraktiv finden. Und das kann ich schon verstehen. Hier aber wird
eingeladen zu dem, was Gott veranstaltet. Und wir alle miteinander sind dazu
eingeladen.
Was Gott veranstaltet: Da mag nun die Zwischenfrage kommen –
verständlich gerade für den Theologen, der die lange Geschichte der
enttäuschten Naherwartungen kennt: Wann ist das? Wann beginnt es denn, dieses
Hochzeitsfest? Wenn wir zu unseren Veranstaltungen einladen, dann doch gerade
deshalb, weil inzwischen auch etwas geschehen muss. Inzwischen – bis es
endgültig so weit ist, bis der Sohn Gottes Hochzeit hält mit seiner Braut, der
Gemeinde. Inzwischen - Sie kennen die Geschichte, kennen die Frage, kennen
allerlei Versuche, mit dieser Frage und mit ihrem Problem fertig zu werden,
dass wir zwar immer noch in unserem Glaubensbekenntnis sagen: „Von dort wird er
kommen“ – aber das ist schon so oft gesagt worden, und so oft erwartet worden,
dass wir uns darauf jedenfalls nicht einlassen mögen. Da geht es uns wie den
Eingeladenen im Gleichnis: Sie wollten nicht kommen.
„Das Himmelreich gleicht einen König, der seinem Sohn die
Hochzeit ausrichtete.“ Und wir sind dazu eingeladen. Eingeladen, zu kommen und
dabei zu sein beim großen Fest des Sohnes Gottes. Wir sind dabei – bei dem
Fest: Dass wir das doch merkten, die Ohren aufbekommen, zu hören, und die
Augen, zu sehen, und den Mund und die Nase, zu schmecken, und die Haut, zu
fühlen, und das Herz frei dazu, das Fest des Sohnes Gottes mitzufeiern! Wir
haben es gesungen: Geh aus mein Herz! Da zeigt einer hin auf das Fest des
Lebens, das Gott ausrichtet, seinem Sohn. Und wir sind eingeladen. Muss ich das
rekapitulieren? Muss ich aufzählen, wie Paul Gerhardt das nennt, eins nach dem
anderen: Was da zu sehen ist, was da zu hören ist, was da zu schmecken und zu
fühlen ist? Wann ist das? Jetzt ist es, jetzt schon. Diese Hochzeit hat schon
längst angefangen. Paul Gerhardt sagt es uns vor, und wir können es nachsagen:
Jetzt schon ist es soweit. Und wer mit dem Einwand kommt: Aber diese Hochzeit
des Sohnes – die ist doch zukünftige Verheißung, der mag sich mit der
vielleicht ein bisschen banalen Auskunft zufrieden geben: Aber der Posterabend,
der läuft jetzt schon.
Der Dichter drückt es viel feinsinniger aus: „Ach denk ich,
bist du hier so schön und lässt du’s uns so lieblich gehen auf dieser armen
Erden, was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem reichen Himmelszelt und
güldnen Schlosse werden?“
Sein Fest ist es, zu dem wir eingeladen sind: Fest des
Sohnes Gottes, Fest des Wortes, Fest dessen, der Leben und Licht ist: Unser
Leben, unser Licht. Unser Leben und unser Licht, damit wir nicht bloß so
dahinvegetieren. Damit wir vielmehr dabei sind: Verstehen, was da läuft.
Begreifen, dass wir die Eingeladenen sind. Dass wir hinzeigen können – einer
den anderen darauf aufmerksam macht: Hör einmal, wie die Grasmücke da orgelt!
Sieh den Schwalbenschwanz auf der Nelke! Fühl doch, wie der
Wind über die Haut streichelt!
Schmeck ihn, diesen feinen Lemberger! Und erst recht: Du und
Ich, wir miteinander, und der offene Kreis - Leben, zu dem wir alle eingeladen
sind. Leben, und das Licht, in dem wir es wahrnehmen, mitteilen, miteinander
leben und wissen, wie das ist.
Ich denke, wenn wir die Einladung unseres Gleichnissen so
nehmen, begreifen wir erst recht, wie absonderlich es ist, dass es da Leute
gibt, die nicht kommen mögen, die für sich bleiben und vielleicht auch dies und
jenes sehen und hören und schmecken und fühlen. Aber dass da Gott seinem Sohn
Hochzeit macht, und jetzt ist schon der Polterabend im Gang – das interessiert
sie nicht. Aber da ist ja auch noch dieser seltsame Gast: Mitten unter denen,
die feiern, sitzt er, und hat doch kein hochzeitliches Gewand an. Wer das sein
mag? Doch wohl einer, der mit dazugeraten ist, ohne recht zu wissen wie. Er ist
der Spur nachgelaufen, hat sich
mitziehen lassen mit den anderen, ohne dass er so recht wusste, wohin es
geht. Und da ist er nun, eben auch so hereingekommen. Einer, so versteh ich
das, der sieht, und sieht doch nicht. Einer, der hört, und hört doch nicht.
Einer, der schmeckt, und schmeckt doch nicht. Einer, der fühlt, und fühlt doch
nicht. Es ist ihm kein Licht aufgegangen, er hat es nicht gehört: Das Fest wird
da gefeiert, das Gott seinem Sohn bereitet hat.
Wie ist er hereingekommen, unser Freund? Aber da er nun
einmal mit dabei ist, und wir noch Zeit haben, mit ihm zu reden: Vielleicht
muss er nicht gleich in die äußerste Finsternis hinausgeworfen werden. Er
könnte sich ja etwas sagen lassen. Und dabei kämen dann schon wir berufsmäßigen
Einlader zum Zug. Dass wir ihm sagen, wie er eingeladen ist. Genauso, wie wir
eingeladen zu Gottes Fest, zum Fest des Lebens. Vielleicht taugt so eine
Krabbelgruppe oder so ein Kirchenkaffee, und hoffentlich taugt erst recht unser
Gottesdienst dazu, das zu sagen. Ihm zu sagen, diesem Freund, der dabei ist,
und ist doch nicht dabei. Und uns allen miteinander – dass wir es nicht
vergessen: „Schönster Herr Jesu… alle die Schönheit Himmels und der Erden ist
verfasst in dir allein.“
Amen.