Ostersonntag, 30.3.1975 Möhrendorf
79, 1-6 Gelobt
sei Gott
80, 1-5 Erschienen
ist
86, 1-3 Auf,
auf mein Herz
86, 6-8 Ich
fang…
75 Christ
ist erstanden
Intr. 15
Vers. 58
1. Ko 15, 19-28 Matthäus 28,1-10
Liebe Gemeinde!
Die Ostergeschichte ist nicht fertig!
Was hier erzählt wird, läuft auf den Auftrag an die Frauen
hinaus: „Geht hin und verkündet es meinen Brüdern, dass sie gehen nach Galiläa;
daselbst werden sie mich sehen.“
Sicher sind die anderen Elemente der Erzählung nicht
unwichtig: Der Gang der Frauen zum Grab. Das Erdbeben, das ihnen anzeigt, wie
hier etwas Gewaltiges geschehen ist. Der Engel, dessen Lichtglanz die Wächter
am Grabe zu Tode erschreckt. Erst recht nicht die Erscheinung Jesu vor den
Frauen. Aber all dies läuft auf den Auftrag für die Jünger hinaus, erst durch
den Engel, dann durch Jesus selbst: Sie sollen nach Galiläa gehen, um dort
Jesus zu sehen.
Die Erzählung vom Ostermorgen am Grab Jesu weist also über
sich hinaus. Sie weist hin auf neue Erfahrungen, weist hin auf ein neues
Erleben mit dem auferstandenen Jesus Christus. Und so gewiss das Geschehen, von
dem hier die Rede ist, eine einmalige Sache ist; so gewiss auch die Erscheinung
des Auferstandenen vor den Jüngern auf dem Berg in Galiläa eine einmalige Sache
ist – so wenig sind wir doch einfach ausgeschlossen von der Wirklichkeit, von
der da die Rede ist.
Gerade wenn wir auf den Auftrag an die Frauen achten, und
dem Hinweis folgen, in dem da aus der erzählten Geschichte heraus auf neue
Erfahrungen mit dem Auferstandenen verwiesen wird, merken wir das. Und wenn wir
ausführen wollen, wozu uns diese Ostergeschichte anleitet, dann haben wir so zu
fragen: Wo ist dieses Galiläa – wo er sich seinen Brüdern zeigen will: Der
Auferstandene denen, die ihm folgen wollen? Wo ist es, dieses Galiläa?
Natürlich wissen wir, dass da eine bestimmte Gegend ist, in
Palästina, am Fuß der Golanhöhen, von denen seit dem letzten Nahostkrieg so
viel die Rede ist. Aber es ist ja nicht diese bestimmte Gegend – sondern es ist
das Sehen des Auferstandenen, nach dem wir fragen.
Wo ist das? Wie sieht das aus? Wie können wir unsere
Erfahrungen mit dem Auferstandenen Christus machen? Darauf kommt es ja an. Nur
dann bleibt die Osterbotschaft nicht der bloße Bericht von einem fremden und
fernen Erleben anderer. Nur dann wird Wahrheit unseres Lebens. Wo also ist unser
Galiläa, wo wir ihn sehen können?
Eine vorläufige und allgemeine Auskunft lautet: Dort,
wo uns der Geist Christi den Glauben, die Liebe und die Hoffnung schenkt, dort
können wir ihn sehen. Nicht leibhaft, wie er den Frauen, oder wie er dann den
Jüngern erschienen ist. Sondern so, dass wir ihn durch die Menschen und durch
die Dinge hindurch wahrnehmen, die wir vor Augen haben.
Ich will das nun in drei Schritten ausführen:
1.
Da sieht der Glaube den Auferstandenen, wo Tod und Leben
miteinander aufgehoben sind in ihm.
2.
Da sieht die Liebe den Auferstandenen, wo Sympathie und
Abneigung einander aufgehoben sind in Jesus, dem Gekreuzigten.
3.
Da sieht die Hoffnung den Auferstandenen, wo Optimismus und
Pessimismus miteinander aufgehoben sind in Jesus selbst.
1.
Da sieht der Gaube den Auferstandenen wo Tod und Leben
miteinander aufgehoben sind in Jesus! Wir wollen gerne glauben – an die Macht
des Lebens glauben, die den Tod besiegt. Das ist ein Bedürfnis des Menschen,
der weiß, dass er sterben muss, und der doch die Macht des Todes nicht
wahrhaben will. Ein Zeichen dieses Bedürfnisses sind die Symbole des
Osterfestes – das Ei und der Hase: Heidnische Symbole für Leben und
Fruchtbarkeit, mit denen man einst das Frühlingsfest gefeiert hat, das Erwachen
der Natur nach dem Tod unter Schnee und Eis. Das Leben soll wiederkommen, soll
den Tod besiegen! So sehen wir das, und mancher, dem die christliche Botschaft
von der Auferstehung des Gekreuzigten fraglich geworden ist, meint, er könne
sich doch wenigstens an diese Wahrheit halten – auf jeden November folgt wieder
ein Mai.
Wir können das schon nachempfinden denke ich, diese
Sehnsucht nach Leben. Aber dieses Leben, das ist doch nur die halbe
Wirklichkeit. Das Blatt, das jetzt grün und frisch aus der Knospe drängt, wird
im Herbst dürr und leblos zu Boden sinken. Und Frische und Jugendkraft
vergehen, besiegt durch die Macht des Todes. Nur da nehmen wir in Wahrheit das
Leben wahr, wo dieses Leben auch den Tod in sich aufgehoben hat – in Jesus.
Es hat mir als jungen Pfarrer zuerst einige Mühe gemacht,
Menschen in Krankheit, Sterben und Tod zu geleiten. Ich habe es dann aber
erlebt, wie gerade hier die Herrlichkeit des Auferstandenen kenntlich werden
kann in der Kraft, die den Tod unter sich lässt: Jesus, er mein Heiland lebt –
ich werd auch das Leben schauen, sein, wo mein Erlöser schwebt;
Warum sollte mir denn grauen? Lässt auch ein Haupt sein
Glied, welches es nicht nach sich zieht! Manches Abendmahl, das ich Sterbenden
reichen konnte, steht da vor meiner Erinnerung: Leben, das den Tod nicht
übersieht, sondern, das ihn gelten lässt als eine Wirklichkeit, die
durchgestanden werden muss. Und doch ist da der Tod aufgehoben, weil wir mit
Jesus zusammengehören, dem Gekreuzigten, der auferstanden ist.
Da sieht der Glaube den Auferstandenen, wo Tod und Leben
aufgehoben sind in Jesus. Darum ist sein Abendmahl die unvergleichliche
Vergewisserung des Glaubens, weil wir hier in seiner lebendigen Gegenwart
seines Sterbens für uns gedenken. Da ist unser Galiläa, wo wir ihn sehen
können.
2.
Da sieht die Liebe den Auferstandenen, wo Sympathie und
Abneigung aufgehoben sind in Jesus! Wieder werden wir mit unserem Verstehen
dort anfangen, wo wir geläufige Erfahrungen aufbringen „Liebe ist stark wie der
Tod“. Das ist ein Bibelwort (aus dem Hohelied), das hinweist auf die Macht, die
Mann und Frau zusammenfügt. Und ich habe dieses Wort dann immer wieder so
zitieren hören: „Liebe ist stärker als der Tod.“ Wirklich? Sicher, es war die Liebe
zu Jesus, die die beiden Frauen am Ostermorgen hinaus zum Grab führte: Und
dieser Weg bleibt uns ja, wenn der Tod einen lieben Menschen von uns genommen
hat. Aber da zeigt sich ja gerade recht deutlich: Der Tod ist stärker als die
Liebe – denn die Liebe kann den toten Menschen nicht wieder ins Leben
zurückholen.
Liebe – das ist hier die Macht, die ich mit dem Ausdruck
Sympathie bezeichnen möchte – dass ich einen Menschen leiden mag, dass ich ihn
gerne treffe, mit ihm zusammen bin, aber hier gibt es ja auch das gerade
Gegenteil: Nicht nur die Gleichgültigkeit, sondern auch die Antipathie – dies,
dass mir ein Mensch unsympathisch ist, dass er mir auf die Nerven geht, dass
ich ihn weit fort wünsche – am liebsten soll er zum Teufel gehen, in die Hölle,
aus der niemand zurückkommt. Sicher – auch dieser Wunsch ist ohnmächtig, aber
er zeigt doch unser Menschsein mit großer Deutlichkeit, in seiner
Zweideutigkeit und Schwäche.
Erinnert euch an Jesu Auftrag für die Frauen: Gehet hin und
verkündiget meinen Brüdern, dass sie gehen nach Galiläa; dort werden sich mich
sehen. Nun wissen wir wohl, dass es das auch unter Brüdern gibt, dass einer den
andern nicht leiden mag, dass einer den anderen zum Teufel wünscht. Aber das
ist unnatürlich. Und hier, wo wir als Brüder Jesu angesprochen sind, wissen wir
genau, was das heißt: Zusammen gehören wir. Auch mit denen, die uns
unsympathisch sind. Denkt daran – wie wird das sein, wenn sich unsere Hoffnung
erfüllt!
„Auf Wiedersehen!“ schreiben wir auf die Kranzschleife, oder
lassen es in den Stein hauen. Wir sollen uns wiedersehen – und üben das ein, in
dem wir einander sehen lernen. Auch und gerade den Unsympathischen! Brüder, die
es miteinander gelernt haben. Die sieht die Liebe den Auferstandenen, wo
Sympathie und Antipathie miteinander aufgehoben sind in Jesus.
3.
Da sieht die Hoffnung den Auferstandenen, wo Optimismus und
Pessimismus miteinander aufgehoben sind in den Gekreuzigten, der auferstanden
ist. Nur wo Hoffnung ist, da ist Leben, das sich zu leben lohnt. Aber haben wir
eigentlich Grund zur Hoffnung? Wir reden gerne von Optimismus, der Gründe für
die Hoffnung findet. Der ist ein Optimist, der überall das Gute herausfindet
und auch dort noch einen Anlass zur Hoffnung sieht, wo andere verzagen.
Umgekehrt ist der ein Pessimist, der im Leben nichts zu lachen hat.
Wie ist das? Ist der Optimismus begründet, oder der
Pessimismus, im Blick auf uns selber, auf unser Leben, unsere Welt? Es liegt am
Wesen dieser Grundhaltungen, dass sie gerade nicht „durch Gründe“ bewiesen
werden können, sondern erst selbst ihre Gründe zusammen suchen. Wir kennen das.
Aber zugleich wissen wir, dass hier noch nicht die Wahrheit ist, wo wir die
Welt durch die rosarote Brille unseres Optimismus oder die schwarze Brille
unseres Pessimismus ansehen. „Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten, er ist nicht
hier, er ist auferstanden.“ – so der Engel zu den Frauen am Grabe. Dass sie
Jesus, den Gekreuzigten, suchen – das bestätigt den schwärzesten Pessimismus.
Aber er ist nicht da, auferstanden – das ist nun nicht einfach Optimismus gegen
diesen Pessimismus, sondern Grund der Hoffnung, die nicht trügt, weil sie
Optimismus und Pessimismus hinter sich
lässt, und auf Gott hofft!
(Amen)