9. nach Trinitatis 16.8.1981 Johanneskirche,
Erlangen
EKG 336,1-4 All
Morgen ist ganz frisch
384,1-4
Ich weiß mein Gott
207,1-9
Ach bleib bei uns
Intr 16
Mt 7,24-27
Herr, unser Gott,
der du durch dein Wort diese Welt geschaffen hast und sie
erhältst nach deinem Willen – wir bitten dich, leite uns in unserem Tun, dass
wir uns an dein Gebot halten und unser Werk bleiben kann durch unsern Herrn
Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir in der Einheit des Hlg. Geistes lebt
und regiert in Ewigkeit. Amen
Herr, unser Gott,
wir bitten dich für die ganze Christenheit auf Erden, und
für deine Gemeinde hier an diesem Ort: Lass uns die Zeichen der Zeit erkennen,
dass wir deine Zuwendung nicht versäumen und tun, was du uns sagst, damit wir
Zeugen deiner Wahrheit sind.
Wir bitten dich um Frieden und Gerechtigkeit bei allen
Völkern und unter uns, dass wir Vertrauen haben in das Recht, und dieses
Vertrauen nicht enttäuscht wird; dass wir Frieden suchen und finden, wie dein
Wort uns gebietet.
Wir bitten dich für das gefährdete Leben auf unserer Erde,
das Leben der Menschen und das Leben aller deiner Geschöpfe, dass es erhalten
werde und wir uns alle an deinem Reichtum freuen können.
Amen.
Liebe Gemeinde!
Es ist die Bergpredigt Jesu, die mit diesem kurzen Vergleich
schließt; da wird uns eingeschärft: Mit dem bloßen Hören ist es nicht getan.
Vielmehr muss es zum Tun dieser Worte kommen. Das ist zunächst einmal so
sonnenklar, dass ich darüber nicht lange zu reden brauche. Aber zugleich ist
der Verweis auf die Bergpredigt Jesu gerade in unserer gegenwärtigen Situation
wieder einmal recht umstritten. Wie weit darf denn wörtlich genommen und
angewandt werden, was Jesus da seinen Jüngern sagt. Z.B dies: „Ihr hat gehört,
dass da gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, dass ihr
nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern wenn dir jemand einen Streich gibt
auf die rechte Backe, dem biete die andere auch dar. Und wenn jemand mit dir
rechten will und deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel.“ Oder dies:
„Liebet eure Feinde; bittet für die, so euch verfolgen.“ Oder auch dies: „Selig
sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Oder dies:
„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen.“
Ich lasse es einmal bei der Anführung dieser Worte aus der
Bergpredigt Jesu – wir hören diese Worte, und sie sind klar und eindeutig. So
scheint es wenigstens – und doch ist ihre Anwendung heftig umstritten, in der
Politik wie in der Kirche. Was da gesagt ist, das kann allenfalls für den
einzelnen Christen und sein persönliches Verhalten gelten. Aber zwischen
Völkern, Staaten, den verfeindeten Gesellschaftssystemen unserer Welt, da kann
das nicht praktiziert werden, was Jesus hier befiehlt. Da muss man dem Übel
widerstehen, da braucht es Drohung und Gewalt, da ist der Feind mit allen
Mitteln in seine Schranken zu weisen – und wenn er sich durch Drohungen nicht
abschrecken lässt, dann müssen die Waffen eben eingesetzt werden, die in den
Arsenalen gehortet sind – und seien sie noch so unmenschlich und schrecklich,
wie die Neutronenbombe oder das von den Amerikanern produzierte Nervengas, von
dem wir vorgestern in der Zeitung lasen. So sagen die einen: In der Politik,
zwischen Völkern und Staaten, da gilt nicht dieses Wort Jesu. Da kann man
höchstens sagen: Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind – und
für den anderen darf es keinen Frieden geben, wie neulich einer unserer
Politiker in einer schlimmen Verkehrung des Gloria gesagt haben soll. Alles
andere als diese Klugheit wäre Torheit.
Die Anderen sagen: Nein! Gerade das ist der Fehler, dass man
da, wo es um den Frieden unter den Völkern geht, sich um Christi Weisung nicht
kümmert. Das Evangelium ist doch gerade auch eine politische Weisheit – und nur
das kann uns helfen, dass wir diese politische Weisheit auch berücksichtigen,
dass wir Frieden nicht von Drohung und Gewalt erwarten, sondern von der
Gewaltlosigkeit, von der Bereitschaft, lieber Unrecht zu leiden als Unrecht zu
tun. Das ist der kluge Mann, der sich an Jesu Wort hält und nicht an
irgendwelche scheinbare Vernünftigkeit, von der wir doch genau wissen, wie oft
sie schon versagt hat. Wer ist nun der kluge und wer der törichte Mann?
Ich will das hin und her, das oft genug in sehr harten
Vorwürfen und mit großer Gereiztheit sich abspielt, jetzt nicht weiter vor
Ihnen ausbreiten. Ich meine, es leide unter einem großen Denkfehler, der es
weder hier noch dort zu einer klaren Entscheidung kommen lässt: Man scheint zu
vergessen, dass diese Rede da Gottes Wort ist. Dass hier nicht Menschen hin und
her zu befinden haben, ob dies gut ist oder nicht etwas Anderes, was ein
Anderer sagen kann, vielleicht noch besser ist. Wäre es so, dann ginge es mit
dieser Rede Jesu, wie es sonst vielleicht mit Worten geht: Aus dem Ohr in den
Kopf, und von da aus dann vielleicht, wenn es einer für gut befindet, das
Gehörte in die Tat um zu setzen, auch hinein in die Welt. Da hieße es: Das Wort
wirkt, wenn Menschen es mit ihrem Tun wahr machen. Und ich habe manchmal den
Eindruck, dass bei all dem Streit darum, wie die Bergpredigt zu verstehen und
auszulegen und zu praktizieren ist, dass doch selbstverständliche Voraussetzung
der Streitenden hier und dort ist: Wahr wird dieses Wort und wirksam wird
dieses Wort erst, wenn wir uns dran machen, es in die Tat um zu setzen.
Müsste ich Jesu Rede, und gerade das Gleichnis von dem
klugen und dem törichten Mann, mit dem die Bergpredigt schließt, so verstehen,
dann könnte ich gleich aufgeben. Wäre diese Bergpredigt nur so weit wahr, wie
wir selbst sie richtig verstehen und dann auch mit unserem Tun wahr machen,
dann ginge es wirklich bloß um Worte in dem Streit um die Bergpredigt, und die
hätten schon recht, die meinten, darum solle man sich am Besten gar nicht
kümmern, sondern solle das eben treiben, was nun einmal Sache der Welt ist:
Drohung und Gewalt, damit durch die Angst vor Vergeltung das Schlimmste Übel in
den Schranken gehalten wird.
Aus dem Hören ins Tun – wenn das die Wirklichkeit dieser
Worte Jesu ausmachte, dann wären wir arm dran. Aber das ist doch nicht einfach
menschliches Wort, was Jesus da sagt. Das ist Gottes Wort, von dem der Psalmist
sagt: So er spricht, so geschieht’s, so er gebietet, so steht’s da. Dieses Wort
da braucht nicht erst unseren guten Willen – wie armselig der ist, weiß jeder
ganz genau – um eine Realität zu werden in dieser Welt. Dieses Wort ist die
Realität, denn es ist das Wort, durch das alles geschaffen ist, was besteht. Es
ist das Licht, das alle Welt erleuchtet. Das sind die Klugen, von denen Jesus
hier redet, das sind die Leute, die auf festen Grund bauen, die sich darauf
einlassen. Die wissen: Dieses Wort ist die Realität – weil Gott sich in diesem
Wort ausspricht. Und wenn da dann beispielsweise Jesus auffordert dazu, die
Feinde zu lieben, dann heißt das nichts Anderes als dies: Mach’ es Gott selbst
nach. Nichts ginge, die Welt stünde still und das Leben hörte auf mit einem
Schlag, wenn nicht Gott selbst immer und immer wieder wahr machte, was Jesus
hier sagt. Und wer will, und die Augen aufmacht, der kann das auch sehen:
„Liebet eure Feinde ... auf das ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er
lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen
über Gerechte und Ungerechte.“ Wenn ich das Licht der Sonne sehe, und wenn ich
ihre Wärme auf der Haut spüre und mich freue über den schönen Sommertag: Dann
hab’ ich die Realität dieses Wortes Jesu vor mir. Ich brauche das nicht erst
wahr zu machen – ich, der ich mich selbst keineswegs selbstverständlich den
Guten zurechnen kann, die verdienen, dass es ihnen gut geht. Es ist unverdiente
Güte, die mich umgibt, und die sie alle trägt, die Friedfertigen und die
Streitsüchtigen, Reagan wie Breschnjew, selbst den Ayatollah Khomeini!
Ob die Bergpredigt nur für den einzelnen Glaubenden und sein
persönliches Verhalten gelte, oder ob sie auch eine politische Geltung
beanspruchen könne – das ist eine Streitfrage unter uns. Sie ist töricht – weil
sie meint, eine Realität sei das, was da gesagt ist, nur, soweit wir es mit
unserem persönlichen oder auch politischen Tun realisieren. Wie wenn die
Wahrheit des Gotteswortes in unserem Kopf und Herzen anfangen müsste, um dann
durch uns in die Welt hinein zu wirken! Torheit wäre es in der Tat, so zu
denken. Da hätten wir Gott außer Acht gelassen und meinten, wir selbst seien
es, die Gottes Willen tun müssen – sonst geschieht er nicht. Nein! Dieses Wort,
Gottes guter Wille und seine Realität, die ist um uns herum, die umgibt uns von
allen Seiten – da geschieht, was er will, und kommt uns zugute, dass er Gott
ist und nicht ein törichter Mensch. Dazu will ich noch einen Satz aus der
Bergpredigt anführen: „Darum sorget nicht für den anderen Morgen, denn der
morgende Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass ein jeglicher Tag
seine eigene Plage habe.“ Der Tag, der für das Seine sorgt – das ist
Umschreibung Gottes, der diesen Tag wie jeden Tag in der Hand hat. Darum kann
hier gelassen das außer Acht bleiben, was wir sowieso nicht in der Hand haben:
„Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen kann, ob er
darum sorget?“
Das heißt dann gewiss nicht, dass für uns Nichts zu tun
bliebe. Und es heißt auch nicht, dass wir unentschieden verharren könnten dem
Anspruch des Gotteswortes gegenüber. Nein! Da bleibt ganz klar und deutlich der
Ruf in die Gotteskindschaft, der Ruf, sich einzulassen auf Gottes Wort, auf die
Realität, die diese Welt bestimmt. Man kann sich dem entziehen – das Wort
beschränken und in die Ecke drücken wollen. Aber das hat keine Zukunft. Nicht
wir schaffen die Welt – sondern das Wort.
Amen.