Gen 4,1-16 5.9.1982 Johanneskirche, Alterlangen
Intr. 16
142, 1-3 Erhalt uns Herr
244,1.2 Ich ruf zu dir
227,1-8 Nun lasst uns Gott
232 Sollt ich meinem Gott
139 Verleih uns Frieden
1. Joh 4,7-12
Luk
10, 25-37
1. Mose 4,1-16
Herr, allmächtiger Gott,
der du uns unser Leben
gegeben hast und wendest uns deinen Segen zu trotz unserer Sünde,
wir bitten dich,
erneuere uns durch deinen
Geist, dass wir mit unserem Tun deiner Liebe dienen an unseren Menschenbrüdern
durch unseren Herrn Jesus Christus, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und
regiert in Ewigkeit. Amen
Liebe Gemeinde,
es mag vielen unter ihnen
wie mir gehen: Natürlich hat man die Geschichte von Kain und Abel schon von
klein auf gekannt. Aber als Predigttext begegnet sie mir das erste Mal. Und die
Fragen, die da dann kommen, sehen doch ein wenig anders aus als die
Fraglosigkeit, mit der einer als Kind eine solche Geschichte hört - vor allem
dann, wenn sie gut und spannend erzählt wird. Ich fange mit der nächstliegenden
Frage an: Woher kommt diese Geschichte eigentlich? Natürlich weiß ich genau,
dass sie in der Bibel steht, im ersten Buch Mose. Aber das ist ja nicht vom
Himmel gefallen. Leute haben sich diese Geschichte von Kain und Abel ausgedacht
und erzählt. Ich will die jetzt nicht mit unterschiedlichen Theorien der
Theologie über die Herkunft und Entstehung der Geschichte von Kain und Abel
behelligen. Es soll uns genügen, dass wir wissen: Eine alte Sage ist das, eine
erfundene Geschichte.
Wir müssen dann bloß gleich
dazusetzen: Gerade weil es eine erfundenen Geschichte ist, darum ist sie wahr.
Wir sind’s andersherum gewöhnt zu sagen: Wenn diese Geschichte bloß erfunden
ist, dann kann sie doch nicht wahr sein. Nun, wenn diese Geschichte nicht
erfunden wäre, dann wäre sie voll von Ungereimtheiten und Widersprüchen. Zum
Beispiel vor wem sollte sich Kain denn so gefürchtet haben - wenn es doch außer
ihm und dem toten Abel bloß noch seinen Vater Adam und seine Mutter Eva gegeben
hätte. Wieder will ich es dabei lassen; es lohnt sich nicht, da dann mit
Spitzfindigkeiten hin und her zu kommen, ob die Geschichte nicht vielleicht
doch so passiert sein könnte. Ich bleibe dabei: Sie ist erfunden, diese
Geschichte von Kain und Abel. Aber gerade als erfundene Geschichte ist sie eine
wahre Geschichte - , von Anfang bis zum Ende. Ich will versuchen, ein bisschen
von dieser Wahrheit auszudeuten. Nehmen wir das so: Da wird nicht einfach
erzählt, was einmal geschehen ist, und dann ist es vorbei. Da wird uns gezeigt,
wie es steht mit uns Menschen. Sie ist sozusagen wie ein Spiegel, diese
Geschichte - ich kann mich da sehen.
Ich fange einmal dort an, wo
Kain, der Ackermann opfert, und Abel, der Schafhirte, opfert auch. Sie wissen
beide: Dass es gut geht, dass die Arbeit ihnen Ertrag bringt, dass es glückt im
Leben – das steht nicht in meiner Hand allein. Dazu braucht es mehr – eben
Glück, oder Segen. Weiß das nicht jeder von uns? Vielleicht geht das mit dem
Opfern bei uns dann nicht ganz so direkt – von dem, was das Glück gebracht hat,
soll etwas zurückgegeben werden an den, dem wir das Glück verdanken. Jedenfalls
das kennen wir : Dem einen läuft’s dann weiter, sein Glück. Er hat die richtige
Frau, und den rechten Beruf, und die Kinder geraten und bleibt gesund. Warum?
Er hat eben Glück – der Herr sah gnädig an Abel und sei Opfer. Und dem andern
läuft’s nicht. Er bringst’s zu nichts bei aller Mühe, und die Ehe geht schief,
und ist ein ums andere mal krank! Warum? Kain und sein Opfer sah er nicht
gnädig an. Wir wollen jetzt nicht gleich mit unserer Moral kommen: Der Abel ist
eben gut, und der Kain böse! Das wäre zu leicht gesagt, nach dem was hier
erzählt ist. Wahr ist die Geschichte gerade deshalb, weil sie nicht so erklärt,
sondern sagt es, wie es ist. Dem einen gelingt’s, und dem anderen gelingt’s
nicht – warum? Ich will da lieber noch nicht gleich Gott sagen, wie unsere
Geschichte. Ich sage: So ist es eben im Leben.
Freilich, nun kommt das mit
dem gut und böse schon: Gottes Warnung an den Kain: Sei nicht so zornig; lass
dich nicht so …, dass du bloß nach den Abel siehst, und dass es ihm gelingt –
und dir gelingt’s scheinbar nicht. Wart ab, und beherrsch dich – deine Sünde.
Das hat Kain nicht geschafft – und ist damit zum Mörder geworden. Wir auch? Ist
das wahr? Ich meine, gerade weil die Geschichte erfunden ist, darum ist sie
wahr – wie ein Spiegel zeigt sie mir das Kainsgesicht. Ich unterstreiche das,
in dem ich auf Jesu Wort verweise (Mt 5, 21f), das nun keinem von uns einen
Ausweg lässt.
Aber die Geschichte geht ja
weiter: Der Mensch – der Konkurrent – der Neider – der Brudermörder (Einzelne –
Völker!), lebt mit einer Tat. Und die freie Rede: Jeder muss eben sehen, wo er
bleibt. Soll ich meines Bruders Hüter sein? Aber da ist das Blut, das Zeter und
Mordio schreit, und da ist Gott, der das hört. Und ich habe doch auch Stunden,
wo ich’s höre – erinnere mich daran, an diesen und jenen Abel-Bruder, ich hab
mich gegen dich erhoben (wo bist du jetzt?) Und es ist vielleicht nicht bloß
die individuelle Schuld – ich habe Glück, dass ich keinen Menschen getötet habe
– nicht mehr in dem Krieg musste, weil ich jünger war als meine
Klassenkameraden. Und das Kind, das ich überfahren habe ist gut davongekommen.
Bin ich darum unschuldiger? Habe ich meine Brüder gehütet? Wenn ich in den
Spiegel der Geschichte da schaue, blickt mich ein Kain an! Wer das sieht, der
weiß: Sie ist wahr, diese Geschichte – schrecklich wahr.
Aber es ist doch ein
lebendiger Kain: Der Brudermörder lebt. Sicher, da ist Gottes Fluch. So ist das
Leben nicht, wie es sein könnte, in Gottes schöner Welt. Da ist Kain, bin ich,
verjagt, und unstet und flüchtig – wenn’s schön ist, und so bleiben sollte, das
Leben, ist es vorbei. Denn das Bruderblut, das der Erdboden aufgesogen hat, ist
unvergessen. Geht das – als Mörder leben? Kain sieht die Unmöglichkeit, und
fleht doch um das Leben, und erhält es geschenkt – samt dem seltsamen
Kainszeichen auf der Stirn oder der Brust. Und lebt im Lande Nod – auf Deutsch:
Elend, jenseits von Eden, vom Paradies.
Warum lebt er, der Mensch
Kain sei es auch unstet und flüchtig? Wo doch Abel tot ist, umgebracht, noch
und noch umgebracht wird: Indianer im brasilianischen Urwald, Bauer in
Afghanistan oder …, die Opfer des blutigen und des sanften Terrors, der
verzweifelte Junge, der sich umbringt, weil er nicht mehr weiß, wie es
weitergehen soll. Warum lebe ich, Kain – und Abel ist tot? Ist das nicht
genauso unerklärlich, wie das andere, von dem ich ausging: Dass dem einen sein
Leben gelingt, und dem andern gelinget es nicht. Nun – unerklärlich ist das
schon, gerade angesichts der Wahrheit dieser Geschichte, die mir den Spiegel
vorhält! Und ist doch so unerklärlich nicht. „Meine Sünde ist größer, als dass
ich sie tragen könnte“ – das sagt Kain: Und weist damit weg von sich;
vielleicht in der Angst, vielleicht in der Panik, der Verzweiflung. Und weist
gerade damit auf Gott selbst: Nimm sie weg, die Sünde.
Trag du sie, mir ist sie zu
schwer. Wir haben es nicht leicht mit dieser Geschichte. In den Spiegel zu
schauen, aus dem mir Kain entgegenblickt – ist nicht leicht. Ich würde mich viel
lieber als den guten Menschen sehen – so als barmherziger Samariter etwa. Aber
ich habe trotz allem diese Geschichte als eine Geschichte mit Trost und
Hoffnung lesen können: Weil ich sie in einem Gottesdienst predigen darf, in dem
wir das Abendmahl miteinander feiern. Ich denke an den gesegneten Kelch, über
dem wir Danksagen -. Die Gemeinschaft, des Blutes Christ: Nicht anklagend –
sondern befreiend. Abel – der Gerechte, der stirbt; mein Bruder: Ist das nicht
ein geheimer Hinweis auf ihn und sein Leben und seine Zukunft? Dieser Jesus
lebt – und mit ihm Abel, der Ermordete. Und in ihm kommt mir Gottes Vergebung
und Barmherzigkeit entgegen. Danksagung können wir feiern – hier, jenseits von
Eden, und hoffen, dass sich das Paradies auch uns wieder öffnet. Amen
Himmlischer Vater,
wir danken dir für die
Treue, mit der du uns trotz unserer Sünde begleitest.
Wir bitten dich für diese
Gemeinde und die ganze Christenheit: Gib du uns Vertrauen in deine Führung,
Liebe zu allen dienen Kindern und die Hoffnung auf dein Reich, damit wir dich
mit Worten und Taten glaubwürdig bezeugen.
Wir bitten dich für die
Völker und ihre Regierungen: Schaffe dem Frieden Raum und wehre der Angst, dem
Hass und der Ungerechtigkeit. Verschaffe den Unterdrückten ihr Recht und lass uns
Menschen nach deinem Willen miteinander leben.
Wir bitten dich um deinen
Segen für alle Arbeit; Wehre Hunger und Not, Ausbeutung und Verschwendung und
lass uns mit allen deinen Geschöpfen zusammen leben in dieser Welt als deine
Kinder und Gäste zu deinem Lob. Amen