5. nach Trinitatis 6. Juli 1958 Wolfenhausen/Nellingsheim
102, 1-4 Freut euch, ihr Christen alle
206, 1-4 Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren
499, 2.3 Du Wort des Vaters
206, 5 Preis, Lob und Dank
Liebe Gemeinde!
Wenn wir genau auf die Worte
unseres Kapitels achten, dann werden wir einen merkwürdigen Zweispalt, eine
merkwürdige Uneinheitlichkeit in ihnen beobachten können. Es ist notwendig,
dass wir diesen Zwiespalt in den Worten des Apostels sehr genau beobachten.
Denn er weist uns hin auf einen Zwiespalt in der Ordnung unserer Welt. Wir
können sogar noch mehr sagen: Das ist die eigentliche Aufgabe unseres
Christenstandes, dass wir diesen Zweispalt sehen. Dass wir ihn uns nicht
verdecken und verbergen, dass wir keineswegs so tun, als ob er nicht da wäre.
Dass wir uns ganz klar sind über diesen Zwiespalt, und dass wir ihn doch im
Glauben überwinden.
Doch nun haben wir zunächst
einmal zu sagen: wo zeigt sich denn dieser Zwiespalt in den Worten des Apostels?
Er führt in seinem Brief einige Worte des 34. Psalms an: „Wer leben will
und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge,
dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht trügen. Er wende
sich vom Bösen und tue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach.“
Diese Worte – sind sie nicht
ganz einfach die Formulierung einer Lebensweisheit, die zunächst einmal mit
unserem christlichen Glauben noch gar nicht viel zu tun hat. Das, was die Worte
des Psalms sagen, den der Apostel da anführt, das ist ja im Grunde dasselbe,
was etwa unser deutsches Sprichwort meint: „Ehrlich währt am längsten!“ Es ist
die Einsicht in eine gerechte Ordnung der Welt, in der es sich noch immer am
besten auszahlt, wenn man dem Guten nachkommt. Aber seht – wenn wir nun unsere
Lebenserfahrung befragen, ob das wirklich stimmt, dieses „Ehrlich währt am
längsten“ – ob das wirklich wahr ist, dass es sich in diesem Leben, dass wes
sich in dieser Welt auszahlt, ganz einfach dem Guten zu folgen – dann werden
wir wohl kaum aus voller, ehrlicher Überzeugung mit „Ja!“ antworten können.
Denn ganz gewiss lehrt uns die Erfahrung unserer Welt ganz deutlich, dass eben
nicht das Gute unangefochten über das Böse triumphiert, sondern dass oft genug
das genaue Gegenteil der Fall ist. Dass
nicht die Ehrlichkeit Erfolg hat, sondern oft genug gerade die
Skrupellosigkeit, die es nicht so genau nimmt mit wahr und unwahr, gut und
böse, mein und dein.
Seht, in ganz ähnlicher
Weise redet der Apostel, der zunächst einmal seine Zuversicht ausdrückt, dass
es seiner christlichen Gemeinde gewiss gut gehen wird in dieser Welt, wenn sie
dem Guten nachkommt und sich in ihrem ganzen Handeln an das Gute hält. „ Und
wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommt?“ Da spricht
Petrus seine Zuversicht aus in die gerechte Ordnung der Welt, in der es dem
wirklich gut geht, der das Gute tut. Und dann muss er sich doch sogleich selber
korrigieren. Denn er weiß es sehr genau, aus seiner eigenen Erfahrung und aus
der Erfahrung seiner Mitchristen, dass das so einfach hingesagt eben doch nicht
stimmt. Und darum redet er sogleich im
nächsten Satz von den Leiden, das die Christen nun doch betreffen kann, sie
gerade auch dann betreffen kann, wenn sie tun, was ihr Glaube von ihnen
verlangt. „Und ob ihr auch leidet um Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch
selig.“
Seht, das ist der Zwiespalt,
in dem der Apostel steht mit seinen Worten, der Zwiespalt, in dem wir alle
miteinander stehen in unserem Leben in dieser Welt: Dass wir merken, wie diese
Welt nicht zusammenstimmt mit den Forderungen, die unser christlicher Glauben
an unsere Lebensführung stellt. Wie die Gesetze, nach denen das Leben in dieser
Welt läuft, nach denen sich Erfolg und Misserfolg, Macht und Ohnmacht, Ansehen
und Verachtung in dieser Welt vergeben, ganz einfach nicht zusammenstimmen mit
den Gesetzen, die unser Glaube uns verschreibt. Die Gesetze dieser Welt sind
eben anders. Und wer sie kennt, wer den Erfolg in dieser Welt sucht, wer gerne
gute Tage hätte – der wird sich eben an diese Gesetze der Welt anbequemen
müssen, und darf sich nicht durch die Gesetze des christlichen Glaubens beirren
lassen. Oder meint ihr – um ein ganz grobes Beispiel anzuführen – Chruschtschow
wäre heute der unbestritten mächtigste Mann der Sowjetunion, wenn er sich an
die Gesetze des Guten, wie sie unser Glaube lehrt, gehalten hätte?
Seht, da zeigt sich der
Zweispalt, von dem die Worte des Apostels bestimmt sind, wie unser ganzes Leben
im Grunde von ihm bestimmt ist: Dass wir wissen: Eigentlich sollte das Gesetz
des Guten in dieser Welt herrschen. Eigentlich sollte es möglich sein, in
dieser Welt dem Guten wirklich nachzukommen, und dabei genauso im Leben
vorwärtszukommen. Aber das geht eben nicht immer. Es geht, wenn wir es genau
betrachten, sogar sehr oft nicht. Vielmehr: Das Gute, das wir tun sollen, das
harmoniert nicht zusammen, mit den Gesetzen, die den Lauf unserer Welt
bestimmt. Denn: Diese Welt ist nicht so, wie sie sein soll. Diese Welt ist
verkehrt – verkehrt durch den Menschen, der sich nicht an Gottes gute Ordnung
halten will, sondern an die böse Ordnung oder besser Unordnung seines eigenen
Herzens.
Diese Welt ist nicht so, wie
sie sein soll. Und sie weiß das auch, liebe Freunde! Sie weiß genau, wie sie
eigentlich sein sollte. Und darum liebt sie es nicht, daran erinnert zu werden,
wie sie eigentlich nach Gottes Ordnung aussehen sollte. Sie liebt das nicht -
und darum, liebe Freunde, liebt sie nicht die Menschen, die sich an Gottes
Ordnung halten. Und damit den anderen vor Augen halten, wie diese Welt
eigentlich aussehen sollte. Das ist eigentlich merkwürdig. Denn im Grunde
sollte doch jedermann froh sein, wenn es möglichst viele solche Menschen gibt,
die sich an das Gute halten, Menschen auf die man sich verlassen kann,
Menschen, wie sie der Apostel schildert: Gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich,
barmherzig, freundlich. Die Böses nicht mit Bösem vergelten, und Scheltwort
nicht mit Scheltwort.
Aber nein! Denn solche
Menschen sind unangenehm, weil sie die bequemen, unordentlichen, schlechten
Geleise, in denen sich das Leben der Welt vollzieht, in Frage stellen. Sollte
z.B. nicht jedermann einen jungen Mann achten, für den die Mädchen nicht
Gegenstand seiner Lust und Begierte sind, sondern der seine Reinheit bis zum
Ehe bewahrt? Weit gefehlt: Seine Kameraden, die mit ihren Abenteuern, werden
ihn nicht für voll nehmen, werden gar sich bemühen, ihn in ihr schmutziges
Treiben mit hineinzuziehen. Denn es ist ihnen unangenehm, einen unter sich zu
haben, der so ist, wie sie – dass wissen sie genau – eigentlich sein sollten!
Sollte nicht jeder Chef froh sein, wenn er seine Sekretärin hat, auf deren
unbedingte Wahrhaftigkeit er sich verlassen kann? Weit gefehlt: Sie muss sich
dem anbequemen, was eben üblich ist. Sei muss z.B. bereit sein, einen
unangenehme Besucher abzuweisen mit der Bemerkung, der Chef sei nicht da,
obwohl sei ganz genau weiß, dass er hinter der nächsten Tür sitzt. Und wie es
im Kleinen ist, so ist es im Großen. Wenn ein Albert Schweitzer, vor dessen
Lauterkeit doch jedermann die größte Hochachtung haben sollte, seine Stimme
gegen da unsinnige Atomrüsten erhebt, so wird er von der Presse totgeschwiegen,
oder man heißt ihn einen Schwärmer und Phantasten, der sich in seiner Torheit
für parteipolitische Zwecke einspannen lasse, der gar in seiner Einfalt den
Interessen der Sowjets in die Hände arbeite. – Genug der Beispiele, die sich
beliebig vermehren ließen, zu denen jeder von euch aus seiner Erfahrung
beisteuern könnte.
Seht, dass ist der
Zwiespalt, von dem ich eingangs geredet habe, der Zwiespalt, der sich in den
Worten des Apostels ausdrückt, der Zwiespalt, unter dem unsere ganze
Lebensführung steht, wenn wir ernst machen mit unserem christlichen Glauben.
Weil die Welt nicht so ist, wie sie sein soll, darum liebt sie das wahrhaft
Gute nicht. Weil die Welt nicht so ist, wie sie sein soll, darum geschieht das
Merkwürdige: Dass sie gar nicht so froh und dankbar ist für die Christen, die
in ihr leben, wie sie das eigentlich sein sollte. Sondern dass sie den Wunsch
hat, diese Christen auch in ihre Gesetze hineinzuzwingen, um sich nicht in
ihrer sündhaften Ruhe stören zu lassen! Das ist der Zwiespalt in dem wir leben
müssen: Dass die Gesetze dieser Welt nicht übereinstimmen mit dem Gesetz
unseres christlichen Glaubens. Und dass diese Welt mit all ihrer Macht der
Lockung, der Drohung, der Schreckensherrschaft, unser aller Leben in ihre
Gesetz zu zwingen versucht?
Und wie oft gelingt ihr das
– leider Gottes – auch. Seht, der Apostel ruft uns auf, diesen Zwiespalt
auszuhalten: „Fürchtet euch aber vor ihrem Trotzen nicht und erschrecket
nicht!“ Seht, dazu sind wir da, diesen
Zwiespalt zu ertragen. Dazu sind wir Christen da, wie das unser Heiland in
eine, Bild ausdrückte, das Salz der Erde zu sein: Das Salz, das diese böse,
sündige Welt vor dem endgültigen Verfaulen und Verderben schützt! „Vergeltet
nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet,
und wisset, dass ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbet.“ Darum,
liebe Freunde, erhält Gott diese Welt, die von ihm abgefallen ist, weil in
dieser Welt die christliche Gemeinde lebt, die ihm anhängt. So, wie er bereit
gewesen wäre, die sündige Stadt Sodom zu verschonen, wenn sich auch nur 10
Gerechte in ihr gefunden hätten – so hat er diese Welt verschont bis auf den
heutigen Tag, um derer Willen, die ihn anhängen, und denen er seinen Segen verheißen
hat. – Seht, das ist der tiefste Sinn unserer Christenlebens in die Welt, dass
wir dem Bösen in dieser Welt widerstehen sollen, das wir ihm wirklich
widerstehen und so wahrmachen, was Gott einst dem Abraham verheißen hat: Du
sollst ein Segen sein und in dir sollen gesegnet sein alle Völker Erde!
Dazu ist die christliche
Gemeinde da, dass es in dieser Welt einen Ort gibt, wo das Gesetz dieser Welt
nicht gilt, sondern das Gesetz Gottes, das der Apostel umschreibt mit den
Worten: „Gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, freundlich.“
Und ich möchte in diesem Zusammenhang an die Heime und Anstalten der Inneren
Mission erinnern, die heute um unser Opfer bitten. Ein reichliches Opfer, dass
es diese Stätten des Mitleidens und der Barmherzigkeit auch weiterhin gibt in
unserem Land, die heute vielleicht noch nötiger sind als seit eh und je.
Seht - das ist unsere
Aufgabe, diesen Zwiespalt auszuhalten. Uns nicht daran zu stoßen, dass wir
anders sind als die Welt. Und wahrscheinlich stimmt etwas nicht in unserem
Christenleben, wenn wir nicht anders sind. Wenn wir keinen Anstoß geben durch
unser Leben und Handeln. Seht – wenn wir wirklich so leben, wie unser Glauben
das gebietet, dann kann es leicht geschehen, wie das der Apostel sagt, dass wir
gefragt werden: Wie kommst du eigentlich zu solchem Leben? Was gibt dir die
Kraft zu solchem Anderssein? Da gilt uns die Mahnung: Seid allezeit bereit zur
Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in euch ist, und
das mit Sanftmüdigkeit und Furcht. Seht, das ist es, was allein uns die Kraft
geben kann, das Leben im Zwiespalt mit der Welt wirklich zu durchleben und
auszuhalten: Die Hoffnung. Die Verheißung des Lebens, die uns gegeben ist in
unserem Heiland Jesu Christus, der uns den Weg zu Gott eröffnet, hat „Denn
es ist besser, dass ihr von Wohltat wegen leidet als von Übeltat wegen.
Sintemal auch Christus einmal für uns gelitten hat, der Gerechte für die
Ungerechten, auf dass er uns zu Gott führte. Amen