30 August 1964 Wolfenhausen/Nellingsheim
189, 1-2 Lobt Gott, den Herrn (166)
283, 1-5 Von Gott will ich nicht (237)
254, 6.7 Ich will dich lieben (124)
371, 14.15 Geh aus mein Herz (84)
Mk
4, 26-29
1. Thess. 1, 2-20
Liebe Gemeinde!
Haben wir Grund, so von uns zu denken, wie der Apostel hier von den Christen
an die er schreibt? Sie werden da ja zweifellos gelobt, und zwar mit großen
Worten gelobt: Es erweist sich an der Wirksamkeit ihres Glaubens, es erweist
sich an der Mühe ihrer Liebestaten, es erweist sich an der Kraft ihrer
Hoffnung, dass sie von Gott erwählte Menschen sind!
Ein Lob, zweifellos – auch wenn es, und gerade wenn es zuerst das
Lob Gottes mit einschließt – wir danken Gott allezeit für euch
alle!
Haben wir Grund so zu denken von uns? Nun, ich will jetzt nicht anfangen, zu
klagen, statt zu loben – aber mir scheint doch, dass da eine ganz andere
Art des Christseins deutlich wird – und das zeigt sich gerade dort, wo
es um das Bekanntwerden geht – „von euch aus ist erschollen das
Wort des Herrn nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten
ist euer Glaube an Gott bekannt geworden“.
Nun
kann man gewiss sagen: Das ist auch etwas anders gewesen, damals – das
war ja auch der erste Anfang des christlichen Glaubens, und da musste es selbstverständlich
bekannt werden, wenn in einer Stadt eine Reihe von Menschen sich zu einer Gemeinde
dieses neuen Glaubens zusammenfanden.
Aber heute – da ist es doch selbstverständlich, dass alle Christen
geworden sind. Wie sollte es da noch irgendein Aufsehen erregen, das man beispielsweise
sagen würde – hier, oder da, da sind die Christen! Gewiss, da stimmt
schon: Wie sie alle als Christen gelten und gelten wollen, darum scheint das
Christsein gar nichts Besonderes mehr zu sein. Aber gerade da müssten wir
nun eigentlich doch unzufrieden sein – mit uns! Nichts Besonderes? Wie
man ein anständiger Bürger ist, der die Gesetze seines Staates nicht
übertritt, genauso ist man ein guter Christ? Nichts Besonderes? Seht, da
kommen uns ja nun des Apostels Worte ganz besonders eindeutig in die Quere:
Von Gott geliebte Brüder, wir wissen, dass ihr erwählt seid! Erwählt
– das heißt doch: Herausgelesen, ausgesondert, von Gott selbst!
Etwas Besonderes – jawohl! Und ich meine, davon dürften wir uns nichts
abbringen lassen, dass das ein-für-allemal so ist: Christen sind besondere
Leute, solche, die herausgelesen sind aus der Allgemeinheit. Nicht dass wir
uns missverstehen: Jenes Besondere, von welchem wir da reden müssen, das
ist nicht eine Besonderheit, die uns Christen als eine Qualität anhinge:
Das ist ein besonders gescheiter oder ein besonders guter oder in besonders
frommer, geduldiger, verträglicher Mensch, darum ist er auch ein besserer
Christ als andere. Vielmehr: Jenes Besondere, das ist Gottes Tun, der da auswählt,
herausliest! Vielleicht, dass uns das entgangen ist wegen der Selbstverständlichkeit,
mit welcher sie doch alle wenigstens dem Namen nach zur christlichen Kirche
dazugehören – dass das Christsein damit anfängt, nicht, das
einer Christ sein will, nicht mit dem menschlichen Entschluss, sondern mit Gottes
Entschluss, damit, dass er diesen und diesen ganz bestimmten Menschen sich auswählt:
Der soll mir gehören, der soll glauben, der soll ein Mensch nach meinem
Herzen sein!
Etwas Besonderes: Jawohl! Aber nicht einfach etwas Besonderes so, dass das geheim
bleibt, verborgen in Gottes unerforschlichen Ratschluss. Seinen Christen in
Thessalonich jedenfalls konnte der Apostel schreiben: Wir wissen, dass ihr erwählt
seid!
Freilich: da fragen wir ja nun gleich weiter: Woher weißt du das? Das
steht einem Menschen doch nicht auf der Stirn geschrieben, dass er von Gott
erwählt ist! Nun, hier wird schon eine Antwort gegeben: Unsere Predigt
des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft
und in dem heiligen Geist und in großer Gewissheit. Nun können wir
da auch wieder anfangen und sagen: Gerade das sieht man nicht! Gerade das kann
man nicht feststellen – die Kraft, in dem heiligen Geist, und die große
Gewissheit, von der da die Rede ist. Vielmehr – man hört eben das
Wort, die Worte! Richtig – und es ist das gerade für den, der zu
predigen hat, auch eine tröstliche Sache, dass er die Kraft und den heiligen
Geist bei seinem Worte nicht vorzuweisen hat, dass er vielmehr eben sein Wort
sagt, so gut er es immer vermag! Es wird dann schon, so Gott will, zum Wachsen
und Reifen kommen, wie das Jesus in seinem Gleichnis von der selbst wachsenden
Saat so eindeutig herausgestellt hat.
Freilich: Es wird mit diesem Einwand doch auch noch nicht alles gesagt sein.
Wohl, diesen Geist, diese Kraft beim Worte, die sieht man nicht. Aber man sieht
sie nun doch – an dem, was dies Wort wirkt. Es ist dies Wort gleichsam
die Hand Gottes, mit welcher er nach dem Menschen greift, die er sich erwählt
hat, es ist dies Wort die Hand Gottes, mit welcher er diese Menschen für
sich nimmt. Nicht weil sie etwas Besonderes wären, das nicht, aber weil
sie eben von ihm, von Gott, zu einem Besonderen gemacht werden.
Damit wären wir wieder am Anfang unserer Überlegungen. Wie ist das
mit der Selbstverständlichkeit, mit der jeder und alle dem Christennamen
führen? So, dass es scheint, als sei das doch gar nichts Besonderes, wenn
einer ein Christ ist, so, als gehöre das für einen, der hier bei uns
und in unserer Zeit lebt, eben einfach mit dazu, dass er ein Christ ist! Hieße
das nicht, dass wir alle dann beanspruchten, solche besonderen, solche von Gott
ausgesonderten Leute zu sein? Oder ist es im Gegenteil so, dass wir alle miteinander
bloß noch von der Erinnerung leben, von der Gewohnheit, zu der nun einmal
gehört, was vom Glauben als christliche Sitte noch übriggeblieben
ist: Man geht in die Kirche, jawohl, da wird gepredigt, da wird getauft und
das Abendmahl gefeiert, jawohl – aber da fehlt die Kraft, da fehlt der
Geist, da fehlt jene Gewissheit, von der hier die Rede ist!
Glaubt mir – es ist nicht einfach, gerade diesen Überlegungen standzuhalten.
Es scheint so, als ob`s das wäre – das Wort, das Reden, das ist schon
noch da; aber wo ist die Kraft, und der Geist, und die Gewissheit – wo
ist etwas zu sehen von der Besonderung, welche dies Wort wirkt? Es brauchte
ja nicht durch ganz Mazedonien und Achaja, durch ganz Griechenland – oder
sagen wir nun: Durch ganz Württemberg und Baden das Gerücht laufen:
Da ist etwas Besonderes geschehen – da gibt es Christen! Es müsste
das ja nur einmal von Haustür zu Haustür laufen und sich bemerkbar
machen – wir wären schon zufrieden!
Und es wird uns da ja auch der Probestein genannt, an dem wir es herausbringen
können: Gewohnheit oder Kraft! Ganz einfach: Wenn es weh tut, ist das Wort
am Werk. Eben diese Sonderung, die spüren wir ja! Es tut weh, nein zu sagen
– wo sie erwarten, dass einer mitmacht. Zu widersprechen, wo sie hetzen
und verleumden. Zufrieden zu sein, und sich zu bescheiden, wo jeder mehr und
mehr will – weil einer weiß: Dies alles hat keinen Bestand. Aber
da kann es kann auch herauskommen, und wohl uns, wenn es herauskommt: Dazu bringt
dich dies Wort. Es hat seine Kraft nicht verloren. Amen