Okuli, 1. März 1964     Wolfenhausen/ Nellingsheim

 

249, 1-3     Such wer da will (71)

212, 1-4     Christe, du Beistand (108)

258,7.8      Herr Jesu, Gnadensonne (98)

147            O Gott und Vater (76)

58, 9.10     Jesu Kreuz, Leiden (219)   die beiden letzten!

 

Offenbarung 3, 14-22

 

1.    Petrus 1, 13-21

 

Liebe Gemeinde!

 

Was uns allen eigentlich klar sein sollte – das fällt uns doch oft recht schwer: Glauben und Unglauben zu unterscheiden! Wer von uns könnte das einfach beantworten, mit Ja oder mit Nein – wenn er jetzt gefragt würde: Glaubst du? Hatten es die in der ersten Christenheit nicht einfacher? Sie konnten sagen: Ich bin einmal wirklich ein Ungläubiger gewesen – ich bin als Heide aufgezogen worden, und habe es nicht anders gewusst – bis ich dann die christliche Predigt hörte, und die hat mich getroffen, dass ich sagen musste: Jetzt ist es vorbei mit dem heidnischen Unwesen – ich lasse mich taufen, ich werde ein Christ! Da ist`s dann leichter, zu unterscheiden zwischen Glauben und Unglauben, da ist eine Grenze zu sehen – eindeutig, klar – und daran kann einer dann erinnern, so, wie es hier der Apostel tut: „Bleibt nicht bei dem, was vormals war, da ihr in Unwissenheit nach den Lüsten lebtet“ und kann den Christenstand abheben gegen das, worin einer aufgezogen wurde, ehe er Christ geworden ist – gegen den eitlen Wandel nach der Väter Weise.

Bei uns läuft das vielmehr ineinander. Wir sind als kleine Kinder getauft worden, wir sind alle mehr oder weniger christlich erzogen worden – für uns gehört der Glaube eigentlich schon mit dazu zu „der Väter Weise“. Ist da die Möglichkeit, sich an ein Vorher so zu erinnern, dass einer sagen kann: Jetzt ist es anders geworden, jetzt glaube ich, jetzt bin ich ein Christ? Gewiss, da mag sich einer erinnern an ein Erlebnis, dass er gehabt hat: Dass ihn eine Predigt, ein Evangelisationsvortrag getroffen hat – dass er sagen musste: Jawohl, so ist das! Jetzt glaube ich wirklich. Aber ist dann nachher alles anders geworden? Oder ist dieses Leben nicht einfach in seinen vorgezeichneten Bahnen weitergegangen – so, dass ein solches Erlebnis zurücksinkt, dass es gerade nicht eine entscheidende Wendemarke vom Unglauben zum Glauben ist und bleiben kann. Es mag sich einer erinnern, wie ihn eine Not – eine äußere Not oder eine Gewissensnot – beten lehrte, von ganzem Herzen und inbrünstig Gott um Hilfe anrufen ließ. Er hat geholfen –jawohl! Aber das ist ja dann auch vorbei, bleibt eine Erinnerung, dass einer vielleicht sagen kann: Damals, da habe ich geglaubt – aber jetzt? Bleibt für das Jetzt nicht gerade nur noch „Die Weise der Väter“ – die Sitte, die wir bewahren: Dass einer seine Kinder taufen lässt, dass er den Pfarrer zur Trauung und endlich zur Beerdigung begehrt, dass er mehr oder weniger regelmäßig in die Kirche und zum Heiligen Abendmahl geht, dass bei Tisch gebetet wird und man jeden Tag sein Kalenderblatt liest?

 

Aber ist das alles wirklich schon Glaube? Müssten wir nicht eher sagen: Es ist mehr oder weniger dazwischen, zwischen Glauben und Unglauben – das eine nicht ganz, und das andere auch ja nicht. Und es könnte dann der eine sich mit dem anderen vergleichen, und je nachdem, wie fest er an der Sitte des Glauben hält, sagen: Nun, eigentlich bin ich doch näher am Unglauben – oder: Ich bin näher am Glauben. Gerade darum, so meine ich, wären wir in einiger Verlegenheit, wollten wir nun einfach unterscheiden zwischen Glauben und Unglauben – oder sollten wir gar auf die Frage: Glaubst du? Eine runde und unumwundene Antwort geben. Und werden dabei schon wissen, dass das eigentlich notwendig wäre – gerade wenn wir uns an die Worte erinnern, die ich vorhin las: Ach, dass du kalt oder warm wärest! Nun du aber lau bist, will ich dich ausspeien aus meinem Munde!

 

Liebe Freunde! Mag sein, dass jene ersten Christen es leichter hatten, zu unterscheiden. Denn sie konnten sich an ein eindeutiges Vorher erinnern, und an eine Wende, nach der es dann anders geworden war. Aber so eindeutig muss das nun doch auch wieder nicht gewesen sein – wie hätte es sonst der Mahnung bedurft: Bleibt nicht bei dem, was vormals war, da ihr in Unwissenheit nach dem Lüsten lebtet; sondern wie der, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel!

Seht: Eindeutig scheiden sich Glauben und Unglaube gerade nicht, wo wir uns selber ansehen, nach unserem Glauben fragen. Eindeutig scheiden sie sich nicht, wo wir in unserer Erinnerung suchen nach unserem Erleben, wo wir fragen nach unserem vorher und nachher – eindeutig scheiden sie sich erst dort, wo wir wahrnehmen, was Gott tut.

Darum genügt`s gerade nicht, wenn wir uns jetzt selbst nach Glauben oder Unglauben, wenn wir uns nach Vorher oder Nachher befragen. Vielmehr: Darauf werden wir gewiesen, auf die Macht dessen, was Gott getan hat! Darum heißt`s: „Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem eitlen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teurem Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.“

Wissen wir das? Natürlich wissen wir etwas von dem Kreuzestod Jesu. Wir haben die Leidensgeschichte schon als Kinder in der Schule kennengelernt, und vielleicht hat sie uns sehr ergriffen. Und Jahr für Jahr werden wir in diesen Wochen, wo es auf Karfreitag und Ostern zugeht, daran erinnert. Wir wissen von dem, was geschehen ist, jawohl, und können uns nicht genug bemühen, es immer besser und immer genauer kennenzulernen. Aber was wir da so erzählt bekommen und nacherzählen – wie Jesus einzog in Jerusalem auf dem Esel, und wie er dann die Händler aus dem Tempel trieb – wie sie beschlossen, ihn zu töten – wie er im Garten Gethsemane betete – wie Judas ihn verriet – wie er gefangen wurde – wie Petrus ihn verleugnete – wie die Juden ihn verurteilten und dem Pilatus übergaben – wie der ihn geißeln und schließlich kreuzigen ließ - das alles ist doch eigentlich nur die Außenseite dieses Geschehens. Richtig wahrnehmen könne wir es nur dort, wo wir begreifen, dass da verurteilt wird, was vorher gewesen ist: Da kommt es heraus, was Unglaube heißt, da, wo sich zeigt, wie für Jesus kein Platz ist in dieser Welt. Nehmen wir Kaiphas, den Kirchenfürsten: Ruhe braucht es, Ordnung im Gottesdienst, Bewahrung der Formen – die schönen Lieder, die Feste, Feierlichkeit. Jesus stört, weil er fragt: Wo bleibt das Gebet? Nehmen wir die jüdischen Pharisäer und Schriftgelehrten: Wir wissen, was recht ist – berufen uns doch auf die Bibel. Wir wissen was fromm ist. Geben Gott die Ehre mit unserem Tun, schärfen die Gebote ein. Aber Jesus? Er hilft – trotz des Gebotes, sagt, es komme nicht aufs Äußere an, sondern aufs Herz! Weg mit Jesus, der so fragt. Da ist Judas, der Verräter. Warum? Ein Rätsel – Enttäuschung über die Ohnmacht. Gewalt gehört her gegen die Gottlosen, die Ungehorsamen – gegen die Feinde der Religion! Aber Jesus redet nur – weg mit ihm. Da ist Pilatus: Macht! Er paktiert um dieser Macht willen. Da ist die Religion recht, wo sie mit dem Staat zusammengeht. Darum sein Unverständnis. Aber: Jener muss sterben. Die Gleichgültigen, die eben mitschreien: Kreuzige!

Da kommt der Unglaube zusammen - jenes vorher – das Jesu Tod bewirkt, weil er in diese Welt nicht passt! Und der Glaube? Da ist keiner da!

 

Könnten wir sagen: Mit jenem habe ich jedenfalls nicht zu tun – religiöser Verklärung – Selbstgerechtigkeit – Gewalttätigkeit – Politik? Seht, da wird der Unglaube auf einmal eindeutig – Das Vorher! Verurteilt in der Verurteilung Jesu. Aus diesem Vorher aber wandert der gerne aus, der das einmal bemerkt hat, was hier herauskommt – an Jesu Sterben. Wandert aus -  wohin? Noch einmal zu Jesus - der heilig ist: Abgesondert von diesem Vorher, nicht, um es zu verdammen, sondern da den Glauben zu eröffnen – der seinen Ort nicht in der Vorfindlichkeit hat – der von seinem Vorher wegstrebt, auf Jesus hin! (Amen)