Sexagesimä       25.2.1962 Wolfenhausen/Nellingsheim

 

205,1-4      Lobt Gott getrost mit Singen (165)

265,1-5      Es glänzet der Christen ... (93)

265,7

205,6          Lobt Gott getrost mit Singen (165)

 

Mt 13,24-30

 

2. Kor 12,1-10

 

Liebe Gemeinde!

Was ist es, das den Christen ausmacht? Dieser Frage geht der Apostel hier nach, indem er sie an seinem eigenen Beispiel verdeutlicht. Was ist es, das den Christen ausmacht? Natürlich, in einem landläufigen Sinne sind wir ja alle Christen, Leute, die getauft sind, Leute, die die Kirche, die den Pfarrer gelten lassen, Leute, die gewiss etwas vom Glauben halten. Aber ist das genug? Reicht es wirklich aus zum Christsein – dies was man so landläufig als christlich bezeichnet, als eine allgemeine Christlichkeit, die jeder hat, und die im Grund doch recht unverbindlich ist. Muss mehr dazu kommen? Denn es gibt ja nun einmal jenes Gleichnis Jesu vom Unkraut unter dem Weizen, welches uns davor warnt, einfach eine äußerliche Zugehörigkeit zum christlichen Glauben für völlig genügend und ausreichend zu halten. Nein – wir werden schon recht haben, wenn wir uns damit nicht einfach zufrieden geben, dass es der Christen Name sei, der einen Christen von einem Nichtchristen unterscheide, dass es die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche sei, welche den Christen ausmache, ein Beobachten dessen, was die christliche Sitte eben gebietet. Man kennt sie schlecht auseinander – wenn die Erntezeit noch nicht da ist, kennt sie schlecht auseinander, das Unkraut und den Weizen – die wahren Christen und die Namenschristen, die wirklich glauben, und die anderen, die nur als Gläubige erscheinen. Aber das ist ja auch nicht unsere Aufgabe, zu sortieren, Zeugnisse zu verteilen, über den Christenstand unserer Mitmenschen abzuurteilen. Vielmehr, wenn wir fragen: Was macht den Christen aus? – So fragen wir das ja nicht ins Allgemeine hinein, sondern fragen um unserer selbst willen – um unseres eigenen Christenstandes willen: Gehörst du dazu? Bist du dabei bei denen, die wirklich von Gott erwählt sind? Bist du bei den wahrhaftig Gläubigen – oder bist du nur bei den scheinbar Gläubigen, bei denen, die ihr Lebtage eben so mitlaufen – und am Ende, da fehlt ihnen doch das Entscheidende?

Liebe Freunde! So fragen wir nach dem, was den Christen ausmacht. So fragen wir, indem wir den Apostel befragen, nach unserem eigenen Christenstand. Und hören da zunächst einmal von wunderbaren Erfahrungen, die Paulus gemacht hat, und über die er nun in einer seltsam geheimnisvollen Weise berichtet, so, als ob er von einem anderen redete, und nicht von sich selber: „Ich kenne einen Menschen in Christus – „ so spricht der Apostel von dem, was er erfahren hat. So spricht er von dem Erleben seiner Seele, von jenem Höhepunkt, der ihm nun, lange danach, nach 14 Jahren, noch unmittelbar gegenwärtig ist. Davon spricht er wohl. Seine Gegner in Korinth hatten’s ihm abgenötigt. Sie wollten ihn nicht gelten lassen. Sie meinten: Wer  nicht besondere geistliche, göttliche Erfahrungen der Seele vorzuweisen hat, der kann kein Christ, und erst recht kein Apostel Jesu Christi sein! Wohl also: Der Apostel Paulus rühmt sich – wenn’s auch nichts nützt. Rühmt sich dessen, das er auch Erfahrungen seiner Seele vorzuweisen hat, ganz andere noch wahrscheinlich, als die, welche seine Gegner erzählen konnten, wollten sie bei der Wahrheit bleiben. Aber Paulus bringt das nicht über die Lippen: Ich, ich bin das gewesen. Ich bin entrückt worden. Ich habe jene Worte gehört, die ein Sterblicher Mund nicht aussprechen darf. Nein! Nichts von alledem. Ich kenne einen Menschen – für den will ich mich rühmen – das ist das äußerste, wozu sich der Apostel hergibt.

Seht – wir wissen das ja gut, liebe Freunde, wie es eine Sorte von Christen gibt, die immer schnell bei der Hand sind damit, zu erzählen, was sie  erlebt haben. Die Erfahrungen preis zu geben, die sie in ihrem Glauben gemacht haben. Andere gar darauf an zu sprechen: Hast du das auch erfahren? Hast du das auch erlebt? Weißt du das auch, wie das ist, wenn ... Und dann kommen Schilderungen der verschiedensten Art. Der Apostel Paulus ist jedenfalls nicht einer von denen gewesen. Und hätten ihn seine Gegner nicht sozusagen mit Gewalt genötigt, sein Erlebnis damals preis zu geben, wir hätten keine Ahnung davon!

Sicher: Wir merken, dass der Apostel Paulus für sich selber Wert gelegt hat auf jene wunderbare Erfahrung, dass er auf seine Weise sogar stolz darauf gewesen ist, dass er diese Erfahrung machte. Aber sie gehörte eben ihm allein, sie ging ihn allein an und niemand sonst. Genau so sollen wir’s auch halten. Es möge der, welche seine Erfahrungen im Glauben gemacht hat, darüber froh sein. Er möge sie nicht gering achten. Sie sind ihm geschenkt und er soll sie dankbar annehmen. Aber sie sind es nicht, die den Christen ausmachen! Das mögen wir vom Apostel Paulus lernen. Nicht diese Erfahrung ist es, die einen Christen zum Christen macht, sondern, was uns zu Christen macht, das ist allein die Kraft Christi: Darum redet der Apostel dort, wo er von dieser Kraft Christi redet, nicht dunkel und verhüllt, wie er von seinen seelischen Erlebnissen spricht, so, wie wenn er das eigentlich gar nicht selber wäre. Sondern das ist es wirklich, was den Christen Paulus ausmacht, und was jeden Christen ausmacht, dass die Kraft Christi in ihm wohne.

Freilich: Da werdet ihr nun fragen, und werdet mit Recht fragen: Ist das denn nun nicht eben eine Erfahrung der Seele, dies, dass die Kraft Christi in einem Menschen wohnt? Ist das nun nicht eben ein besonderes, wunderbares Erlebnis? Wenn wir auf den Apostel hören, so müssen wir sagen: Nein! Das gerade nicht. Denn wo er, der Apostel Paulus, von dieser Kraft Christi redet, da redet er von dem schweren Dunkel, das über seinem Leben lastete. Redet davon, dass ihm’s gewesen ist, wie wenn ein Engel des Satans selber ihn mit Fäusten schlage, dass ihm’s ist, wie wenn ein Fluch auf ihm laste, dem er nicht entrinnen kann. Wir wollten natürlich gerne genauer wissen, was das gewesen ist. Es ist wohl eine Krankheit, eine seelische Krankheit gewesen, die ihn immer wieder überfallen hat, das, was wir heute die Schwermut nennen. Dies, dass er von aller Kraft verlassen war. Dass er nichts tun konnte, dass Leib und Seele wie in Fesseln lagen, dass er keine Hoffnung mehr haben konnte. Und verstehen wohl, dass er von dem brennenden Wunsch beseelt war, diese Plage los zu werden. Und bekam nur diese Antwort: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!

Seht: das ist es, was den Christen ausmacht. Nicht dies, dass er etwas hat, was ihn vor Anderen auszeichne: Eine besondere Seelenstärke, oder eine besondere Fröhlichkeit, oder eine besondere Kraft, Erlebnisse, von denen er zehren könnte, und die ihm helfen würden, fertig zu werden mit seinem Leben, besser fertig zu werden, als das Andere können. Nichts von alledem hat der Apostel gehabt. Was er hatte, war einzig und allein jenes Wort, das ihm zugesprochen wurde! Liebe Freunde: Das ist es, was den Christen ausmacht. Nicht das, was er hat! Nicht das, was sein innerer Besitz wäre. Sondern das, was ihm von Außen zugesprochen wird – dass er es hört, dass er es glaubt, dass er daran sich zu halten vermag. Nicht Erlebnisse der Seele machen den Christen aus, sondern jenes Wort, welches ihm von Außen zugesprochen wird – durch die Predigt, durch das Bibelwort, durch Andere, die ihn trösten und aufrichten. Da ist die Kraft Christi! Und darum macht nichts Anderes den Christen, als die Taufe und dies, dass er annimmt, was ihm in dieser Taufe zugesprochen wird: Mit dir ist es aus, auch wenn’s eben erst anfängt, dein Leben. Daran sollen, daran können wir uns unser Lebtag erinnern: Ich bin getauft. Mein Leben ist zu Ende. Mit aller seiner Schwachheit, seinem Versagen, seiner Hoffnungslosigkeit. Das alles ist vorbei, ausgelöscht, mitgestorben am Kreuz Christi. Und darum sorgt er, dass es mit dir weiter geht. Sorgt er, dass du kannst; dass du merkst, was recht ist; dass du begreifst, was zu tun für dich notwendig ist, und dass du es vollbringst in der Kraft Christi! Das kann man nicht erfahren – Das kann man nur glauben!