Quasimodogeniti 5.4.1964  Wolfenhausen/Nellingsheim

 

88, 1-3       Wach auf, mein Herz (4)

79, 1-6       Gelobt sei Gott im (86)

260,7         Jesu, hilf siegen (138)

75              Christ ist erstanden

 

Joh 20, 21-29

Apg 3, 1-21

 

Liebe Gemeinde!

 

So ein rechtes, eindeutiges, handfestes Wunder, wie es uns hier berichtet wird, das müsste uns doch das Glauben erleichtern. Es müsste einfacher zu predigen sein, wenn ich wie der Apostel Petrus auf einen Menschen hinzeigen könnte, an dem eben ein solches Wunder geschehen ist. So werden wir im ersten Augenblick wahrscheinlich denken, wenn wir diese Geschichte hören. Und werden vielleicht auch ein wenig die beneiden, die derartiges erlebt und mitgemacht haben.

Aber vermutliche ist das mit solchen Wundern immer eine zweideutige Sache. So etwas gibt es ja auch in unsere Zeit noch. Beispielswiese in Lourdes passieren doch immer wieder Heilungen von Kranken, die medizinisch nicht erklärbar sind, und die der Wunderkraft der dort erschienenen Maria zugeschrieben werden - immerhin 57 sind in den letzten 100 Jahren kirchlich anerkannt worden. Aber da fragen wir mit Recht: Was geht uns das an?

 

So meine ich, sei das mit den Wundern eine zweifelhafte Sache, solange sie die Frage herausfordern: Was geht mich das an? Genau das wird uns ja auch hier in der Apostelgeschichte berichtet: Die Leute sind in Aufregung geraten, als dies Absonderliche geschehen ist, dass da ein bekannten lahmer Bettler plötzlich wieder gehen konnte. Aber mehr hat dies Wunder nicht bewirkt – und dass es nicht gleich wieder vergessen wurde, das ist der Predigt zu verdanken, welche Petrus aus Anlass dieses Wunders gehalten hat. Sollten wir diese Predigt ganz kurz zusammenfassen, so brauchten wir eigentlich nur das eine sagen: Was da geschehen war, dieses Wunder, das hat Petrus in seiner Predigt mit dem Namen Jesu zusammengebracht – er sagte: Durch den Namen Jesu ist das da geschehen. Weil dieser Gelähmte den Namen Jesu hörte, und an diesen Namen glaubte, und auf diesen Namen hoffte, darum ist ihm dies Wunder geschehen. Und die Folgerung aus diesem Geschen, die Petrus zeigt, ist ebenso kurz und bündig: Glaubt ihr auch an diesen Namen, so wird euch auch durch diesen Namen das Heil widerfahren. Wie dieser durch die Kraft des Namens Jesu gesund da steht, so könnt ihr auch durch die Kraft des Namens Jesu gerettet werden. Freilich, dazu heißt es umkehren, heißt es die Sünden der Vergangenheit eingestehen - dass sie Jesus verleugneten dem Pilatus gegenüber - dass sie den Mörder wählten statt des Heiligen und Gerechten - ich habe darüber am Karfreitag ja einiges gesagt.

 

Soweit – so gut. Aber alle diese Überlegungen zu dem, was uns hier erzählt wird, bringen uns diese Geschichte ja noch nicht eigentlich zur Gegenwart. Wir verstehen dann vielleicht etwas davon, was hier erzählt wird, davon, was damals gewesen ist. Aber damit ist es ja noch nicht getan. Erzählt wird uns das, was damals geschehen ist, doch deshalb, dass wir heute Zutrauen gewinnen zu diesen Namen Jesu, dass wir heute an diesen Namen Jesu glauben, dass wir heute auf diesen Namen Jesu hoffen.

 

Freilich können wir da nun gleich einwenden: Das tun wir doch! Wir sind doch Christen, die diesen Namen Jesus tragen. Deshalb sind wir doch bei einander, weil wir etwas von diesem Namen erwarten, weil wir auf diesen Namen hoffen. Doch mit diesem Einwand ist noch nicht viel gewonnen. Denn wirklich auf diesen Namen hoffen, wirklich an diesen Namen glaubten, das bedeutete nicht weniger, als von diesem Namen Jesu Wunder zu erhoffen.

 

Nun - das mag zunächst ein wenig hoch gegriffen scheinen. Denn auch wenn wir vielleicht der Meinung nicht sind, die heute ja viel verbreitet ist, dass es schlechthin keine Wunder geben könne, so werden wir doch alle denken, es sei mindestens recht unbescheiden, wenn wir nun gerade für uns Wunder erfragen, erwarten, erhoffen, erzwingen wollten.

 

Fragt sich allerdings, was wir unter einem Wunder verstehen. Das muss ja nicht einfach das schlechthin Absonderliche, das Gewaltige und Außerordentlich sein, das, was eigentlich nicht sein könnte, und nun doch geschieht. Wir können es auch bescheidener sagen, können als Wunder bezeichnen, von dem wir Hilfe erhoffen, von dem wir erhoffen, dass es uns weiterbringt, dass es uns Erleichterung schafft, das es uns Aussichten für die Zukunft eröffnet, die wir normalerweise nicht hätten. O – so wunderfeindlich sich unsere Zeit gibt, so wundersüchtig ist sie doch, und jeder Christ hofft insgeheim auf das Wunder, das ihm helfen soll!

 

Nehmt doch einfach die Tatsache, dass Hunderttausende bei uns Woche für Woche ihr Geld beim Lotto einsetzen - warum? Sie warten auf das Wunder, auf den großen Gewinn, der mit einem Schlag ihr Leben ändern soll.

Schaut einmal in die Zeitung - betrachtet die Werbung dort, die Inserate, die so vielerlei versprechen! Wunder versprechen die - Schönheit, und Reichtum, Erfolg und Glück - du musst nur diesem und jenem vertrauen, was da angeboten wird. Und wer hat sich nicht schon dabei ertappt, dass er da einen Traum träumt. Denken wir an die Programme, die uns vorgelegt werden, etwa jetzt vor der Wahl von den verschiedenen politischen Parteien. Versprechen sie nicht alle dies und jenes, das es vorwärts geht, dass die oder die Schwierigkeit behoben wird. Sie versprechen Sicherheit und Aufstieg, Gesundheit und Erfolg, alle miteinander.

Wenn wir das alles so an unserem Gedächtnis vorbei ziehen lassen - da merken wir wohl etwas von den Wundern, von welchen unsere Zeit träumt - von Wundern, die für den Einzelnen oder für viele vielleicht nicht einmal so ganz unmöglich und unerreichbar sind, bescheiden vielleicht, und doch Wunder, weil sie die eigenen Möglichkeiten übersteigen, weil sie von anderen erwartet werden - auch von Namen, die um Vertrauen werben, ob es nun der Name einer Partei ist oder der Name eines in industriellen Artikels, ob es ein Programm ist oder ein Mann, der seine Wege und Methoden anpreist.

 

Liebe Freunde! Da steht nun diese Geschichte, das Wunder jener Heilung und der Name Jesu, der da um Vertrauen wirbt - neben dem vielerlei andere Namen, andere Versprechungen, die unsere Hoffnung wecken, die unsere Sehnsucht nach dem Wunder an sich binden wollen. Ob wir bemerken, wie dies beides sich stößt? Ob wir bemerken, dass dies beides nicht so einfach nebeneinander bestehen kann? Man könnte natürlich sagen: Gut, der Name Jesu, und das Vertrauen, das wir auf diesen Namen setzen, und die Hoffnung, die wir hier haben, die gilt für die Ewigkeit. Dagegen hier, in diesem Leben, in dieser Welt, da können wir uns ja ruhig an andere Namen, an andere Hoffnungen, an andere Wünsche halten. Wohl - wenn diese Aufteilung so einfach wäre. Aber da wir nun fragen nach jenem Namen, auf den wir vertrauen, hoffen, von dem wir Wunder erwarten können - was hoffen und erwarten wir denn? Was? Vergessen wir nicht: Die da hatten statt des Heiligen und Gerechten den Mörder gewählt, und wurden nun aufgefordert umzukehren. Wie steht es damit bei uns? So zu sagen: Nicht jedes Wunder, das wir erhoffen, ist gut für uns. Nicht jedes Programm, sehe es zunächst noch so schön aus, und wenn es sogar realisiert würde, kann uns wirklich weiterbringen.

 

Vielmehr: Da ist nun der Name Jesus als der, der allein gilt! Warum? Was fragen wir warum! Er gilt, dieser Name, weil Gott ihn gelten lässt. Das heißt: Es gilt sein Weg, es gilt seine Liebe, es gilt die Hoffnung, die wir an ihm lernen können, die gegen die Erfahrung hofft und gegen den Augenschein glaubt, hätten wir nur solche Hoffnung, solchen Glauben, das wäre Wunders genug, und würde gewiss viele Wunder nach sich ziehen. Amen