Dreieinigkeitsfest, 12, Juni 1960, Wolfenhausen/Nellingsheim

111,1-5 Gelobt sei der Herr (180)

110, 1-4 Gott Vater, Herr wir (99)

140 Lass mich dein sein (233)


Jes 6, 1-5

Eph 1,3-14

Liebe Gemeinde!

Gelobt sei Gott“ – mit diesen Worten beginnt der Apostel seinen Brief an die Epheser, und dieser Abschnitt des Briefes, den wir heute betrachten ist nichts anderes als eben eine Aufforderung und Anleitung zu diesem Gotteslob, zu diesem Gotteslob, das hier nicht nur bezeichnet wird als irgen­detwas, das eben auch geschehen kann und geschehen soll, als irgendein besonderes, spezielles Tun, neben all unserem anderen Tun. Vielmehr dieses Gotteslob ist der eine Sinn und das eine Ziel unse­res Menschenlebens, und erst recht unseres Christenlebens – so wird es uns hier gezeigt. Dass wir seine Kinder seien…zum Lob seiner herrlichen Gnade… dass wir etwas seien zum Lob seiner Herr­lichkeit… dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.“ Darauf sollen wir blicken, darauf sollen wir uns verstehen, das soll unser Leben sein, etwas beizutragen zum Lob seiner Herr­lichkeit. Liebe Freunde! Da ist`s nicht mit dem Verstand getan, da muss der Wille dabei sein, das Herz und das Gemüt, dass wir etwas sind zum Lob der göttlichen Herrlichkeit. Das darf nicht auf­hören, das muss dauern, wenn wir wachen und wenn wir schlafen, wenn wir uns freuen und wenn wir traurig sind, im Weinen und im Lachen, in Arbeit und Feier, in Kraft und Schwachheit – immer soll es dabei sein, dies Leben um der Herrlichkeit Gottes willen. Seht – da mag nun einmal die Fülle Gottes zur Sprache gebracht werden – vielleicht nicht so einfach, vielleicht nicht so verständlich, aber wollen wir denn immer Kinder bleiben? Kinder, welche die feste Speise der Einsicht in Gottes Wesen nicht ertragen, Kinder, die nur ein klein wenig zu fassen vermögen von der göttlichen Tiefe?

Nein! Gott ist groß – er ist nicht in einer einzigen und einfachen Gestalt zu fassen! Gott, er ist der einzig Wirksame und Wirkliche in allem, was wir wirksam und wirklich erfahren! Wäre Gott nicht – das All würde ins Nichts zusammensinken. Nicht eine Sekunde könnte es bestehen – wenn er, der allmächtige Schöpfer seine Hand von dieser Welt abzöge, wenn er sich herausrisse. Aus dieser Welt, in welche er sich hinein begeben hat, damit sie seine Herrlichkeit spiegele. Damit er nicht mit sich allein sei, sondern damit er, der herrliche Gott, seiner Herrlichkeit gewahr würde. Darf ich sagen mit einem Bild: So, wie wir unsere Gestalt erst sehen können, wenn wir vor einem Spiegel stehen, so ist die Welt da, um Gottes Herrlichkeit widerzuspiegeln und wir Menschen erst recht, wir, die dazu da sind, etwas zu sein zum Lobe der göttlichen Herrlichkeit – aber bleiben wir uns ja nicht zu sehr hängen an diesem Bilde, das unangemessen ist, wie alle Bilder und Gleichnisse, die wir ge­brauchen, um von Gottes Wesen uns eine Vorstellung zu machen. Denn nicht allein Spiegel ist ja die Welt, vielmehr eben durchwaltet und getragen von Gottes Kraft, von seinem Wesen, von seiner All­macht. Nichts ist ohne ihn, und überall werden wir seiner Wirksamkeit gewahr. Freilich: Diese Wirksamkeit Gottes, die mag uns schwer erkennbar sein, wirr und vielfältig. Wir dünken uns frei­lich hoch erhaben über die Heiden aller Völker und aller Zeiten, welche betäubt waren von dieser Wirrheit und Vielfalt des göttlichen Wesens, dass sie nicht imstande waren, den Gedanken eines ein­zigen, allmächtigen göttlichen Wesens zu fassen, sondern diesen einen Gott in einer verwirren­den Fülle göttlicher Gestalten und Kräfte glaubten fassen zu müssen, guter und böser Götter, sol­cher die schützten und erfüllten und solcher, die zerstörten und verderbten. Wir dünken uns erhaben über diese falsche Religion: Aber haben wir den ganzen, gewaltigen und spannungsgeladenen Reichtum des Denkens von Gott erhalten, der sich einmal diese primitiven Ausdrucksformen ge­schaffen hat? Wissen wir genug von Gott, um seine ganze abgrundtiefe Mächtigkeit wirklich zu er­fassen: Gottes, der nicht nur den einzelnen Menschen fährt und lenkt, sondern der Völker und Rei­che baut und wieder zerstört. Gottes, der waltet in den vertrauten und erhabenen und unheimlichen Kräften der Natur. Gottes, der das Samenkorn wachsen und reifen lässt, Gottes, der Menschen und Tiere ihre Fruchtbarkeit schenkt; Gottes, der die erhabenen und immer gleichen Bewegungen der Gestirne in ihren vorgezeichneten Lauf erhält; Gott, der Stürme schickt und Sonnenschein, Gottes, der im Erdbeben erschüttert, was wir Menschen so fest und sicher erbaut zu haben glaubten, Gottes, der unser Menschenwerk zerstört oder erhält wie es ihm gefällt. Kennen wir sie, diese ganze abgrundtiefe Mächtigkeit Gottes? Des Gottes, der über allem und in allem wirkt? Der in uns Furcht und Zittern erweckt vor den großen Katastrophen, welche er durch Menschenhand über diese Erde herabführen kann und der doch zugleich in uns die Hoffnung erhält, es möge die Vernunft siegen, die Vernunft, die er genauso in uns gelegt hat wie das Vermögen, die Schrecklichsten und zerstörerischen Kräfte der Natur zu entfesseln.

Liebe Freunde! Wenn wir von Gott reden wollen, wenn wir ihn preisen wollen, wenn wir nicht zu ge­ring denken wollen von ihm, klein und erbärmlich, so, wie es seiner abgrundtiefen Gewalt und Mächtigkeit ganz gewiss nicht angemessen ist, dann müssen wir ihn so sehen. Müssen ihn nicht nur in Gedanken so sehen, müssen bereit sein, ihn so zu erfahren – alles als Gottes Werk zu erfahren, was uns begegnet, Freude und Glück, Kraft und Zuversicht, Gesundheit und Leben genauso sie Schrecken und Unglück, wie Angst und Krankheit und Verderben und Tod. Gott ist`s, der alles mit­einander wirkt. Das gilt es zu erfassen, fest und ohne Zagen.

Freilich: „Dass wir etwas seien zum Lobe seiner Herrlichkeit“, das gilt es nicht allein darin zu be­währen, dass wir groß genug denken von Gottes Allmacht. Vielmehr: Dies müssen wir begreifen, ergreifen, durchleben, was es heißt, dass Gott dies alles ist, dass er dies alles wirkt. Das müssen wir ergreifen und durchleben, was hier mit uns geschieht. Seht - sollten wir Gott das Lob schuldig blei­ben, das er von uns erwartet? Sollten wir es ihm schuldig bleiben, indem wir zu gering von ihm denken, zu klein? Sollten wir ihm dies Lob schuldig bleiben, indem wir seine Fülle verachten? In­dem wir jammern und klagen – wo uns diese Fülle nicht passt? Indem wir gar fluchen und lästern? Indem wir uns treiben lassen, statt Gottes Wollen zu erkennen, zu fördern, sein wahres Werk zu tun und seine Willen in dieser Welt? So, dass sie ihn alle loben, die lachen und weinen, die geboren werden und sterben, die leiden und die sich freuen?

Seht, davon redet die Bibel, dass wir alle hinter Gottes Willen zurück bleiben. Dass wir alle zu klein von ihm gedacht haben, dass wir alle ihn nicht in seiner ganzen Fülle erkannten, ehrten, lobten und liebten. Dass wir alle miteinander nicht die Kraft aufgebracht haben, uns ihm ganz hinzugeben aus seiner ganzen gewaltigen Fülle zu leben und zu lieben!

Das ist die Sünde – die Sünde, die in ihrem letzten Grunde nichts anderes ist, als dies, dass wir Gott die Ehre verweigern, dass wir seine Allmacht nicht so loben, wie sich`s gebührt. Dass wir uns her­aussuchen, was uns passt an der unerschöpflichen Fülle Gottes, und das zu unserm Gott machen (Gesundheit, Besitz, Arbeit, Lust, Gerechtigkeit) – zu unserm Götzen, der ein Stücklein des wahren Gottes ist, und eben deshalb uns zur Sünde verleitet, weil er ein kleines Götzlein ist und ein kleines Götzlein und Gotteslöblein geben eben gerade nicht den einen großen und wahren Gott.

Doch was reden wir von dieser Sünde? Gottes Gnade sollen wir loben, der es nicht zugelassen hat, dass wir seiner ganzen Göttlichkeit, er in seiner unermesslichen und unerschöpflichen Fülle uns Men­schen verloren ginge. Der vielmehr all diese seine abgrundtiefe Mächtigkeit hingerichtet hat auf den einen, den Geliebten, wie der Apostel schreibt, den Menschen der ihn nichts schuldig geblieben ist. Seht, er hat unserm Heiland nichts erspart, dieser gewaltige und allmächtige Gott! Er hat ihm Un­verstand und Hass und Feindschaft der Menschen nicht erspart. Er hat ihm die Angst und das Todes­grauen nicht erspart. Aber jener Geliebte Gottes, unser Herr und Heiland, blieb dabei, ihn Vater zu nennen. Ihn Vater zu nennen auch in der letzten, in der bitteren Not „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Seht, da ist er gelobt worden, wie er's haben wollte: In seinem Geben und in sei­nem Nehmen, in seinem Erhalten und Bewahren, und in seinem Verderben und Töten – da ist er ge­lobt worden in dem unerschütterlichen Vertrauen Jesu, der wusste: Ungeschieden bin ich von ihm im Leben und im Sterben!

Seht – da ist es, das Gottvertrauen, das wirklich diesen Gott zu loben vermag. Das die Fülle seiner Erscheinung nicht in götzenhaften Fratzen aufbläst, das nicht die Schuld dem Zweifel zuschreibt, wo es nicht mehr an Gott glauben mag – sondern das Vater sagen kann, aller Wege und an allen Orten, auch am Kreuz.

Und dies Gottvertrauen, seht, das ist unser Erbteil. Das haben wir empfangen – durch den Geist, den Geist, der uns im Evangelium lehrt, dass wir sein – des ewigen Gottes und Vaters unseres Herrn Jesu Christi Eigentum seien.

Lernen wir es darum zu loben: Den Vater durch den Sohn in dem Geist zu loben, wie er es von uns erwartet. Amen