Christfest, Eph 1, 3-8, 1953


146, 1-7 Gelobt seist du

153, 1-4 Lobt Gott ihr Christen

147, 11.12 Fröhlich soll

145 Halleluja! Denn uns ist heut


Luk 2, 1-14

Eph 1, 3-8


Liebe Gemeinde!


Viele von euch werden gestern Abend im Radio den Klang der Weihnachtsglo­cken vernommen haben. Und die sie nicht im Radio gehört haben, die hörten doch gewiss die Glocken unserer Kirche, die uns das Fest eingeläutet haben. Sie sind uns lieb und wert, unsere Glocken, und jede Gemeinde setzt ihren Stolz darin, ein besonders schönes Geläut auf dem Turm zu besitzen. Sie sind uns lieb, unsere Glocken – aber verstehen wir auch ihre Sprache richtig zu deuten? Sind es nur Weihnachtsglocken, dazu bestimmt, das Gemüt anzurühren, die Seele zu bewegen, Feststimmung bei uns zu bereiten? Freilich, sie haben uns jetzt zusammengerufen in die festlich geschmückte Kirche, wo wir unter dem Christ­baum Weihnachten feiern wollen miteinander. Aber rufen sie uns zum Fest? Es sind doch die gleichen Glocken, die unsern ganzen Lebensweg begleiten - von der Taufe zur Konfirmation, die uns Sonntag für Sonntag rufen zum Gottes­dienst, die uns Tag für Tag rufen zum Gebet. Es sind auch die gleichen Glocken, die uns hinaus rufen auf den Gottesacker, wenn einer aus unserer Mitte geschie­den ist, es sind die gleichen Glocken, die auch uns einmal geleiten werden auf unserem letzten Wege. Verstehen wir ihn recht zu deuten, den Ruf der Glocken? Hören wir das, was uns die Weihnachtsglocken sagen? Es ist immer das Eine, immer das Gleiche: Gelobt sei Gott! Gelobt sei Gott! Gelobt sei Gott! Das klingt über uns, wenn man uns zur Taufe bringt. Gelobt sein Gott! Das klingt über uns, wenn wir uns mit frohem Gemüt, wenn wir uns mit ernstem Sinn im Gotteshaus versammeln. Gelobt sei Gott! Das klingt über uns, wenn wir hinaus gebracht werden zu unserer letzten Ruhestätte.

Gelobt sei Gott! Warum der gleiche Ruf bei so verschiedenem Anlass? Gelobt sei Gott! Warum klingt dieser Ruf nicht nur, wenn wir zu frohem Feiern eilen, warum klingt er auch, wenn unser Gang von Kummer und Schmerz beschwert ist. Gelobt sei Gott! Warum? Wenn wir das begriffen haben, dann haben wir mehr von Weihnachten verstanden, als uns der Kerzenschimmer vom Lichter­baum sagen kann, als uns die Fröhlichkeit des Feierns geben kann, als uns all unser Schenken zeigen kann. Wenn wir dieses „Warum“? begriffen haben, dann wissen wir, was Weihnachten ist, dann erkennen wir, was uns der Ruf der Weih­nachtsglocken ins Herz senken will: Gelobt sei Gott! Warum?

Weil er uns in Jesus Christus hinein genommen hat in sein göttliches Leben! –

Das ist leicht zu sagen – ein kleines Sätzlein von wenigen Worten – aber wie schwer ist es zu verstehen in und zu begreifen! Wir sind in Jesus Christus hinein genommen in das göttliche Leben.

In unseren Häusern hängen von der Decke die elektrischen Lampen. Wenn drau­ßen die Dunkelheit hereinbricht – wir brauchen nur am Schalter zu drehen, und es wird hell. Warum? Weil der Strom vom Kraftwerk aus fließt durch das weit­verzweigte Leitungsnetz, bis in unsere Häuser. Weil seine Kraft den kleinen Draht in der Glühbirne zum Glühen bringt, darum leuchtete unsere Lampen. Das mag uns zum Vergleich dienen – einem schwachen, menschlichen Vergleich für Gottes große Tat, die er begonnen hat, als er seinen Sohn uns geschenkt hat am Weihnachtstag. Jesu Christus ist gleichsam die Leitung, durch die Gotteskraft herein fließt in unsere Welt, in unser Leben: Durch ihn sind wir angeschlossen an den gewaltigen, unerschöpflichen Strom des göttlichen Gebens, durch ihn be­kommen wir teil an Gottes Fülle. Ja!

Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichen Segen, in himmlischen Gütern durch Christus. Gelobt sei Gott, weil er uns in Christus hineingenommen hat in sein göttliches Leben. Was das bedeutet, das entfaltet der Apostel Paulus in den Worten, die wir vorhin ge­lesen haben in drei Schriften, denen wir heute nachgehen wollen: Gott hat uns in Jesus Christus erwählt, er hat uns in ihm geliebt, er hat uns in ihn erlöst.


1)

Gott hat uns in Jesus Christus erwählt! Wozu wir Menschen eigentlich auf der Welt sind: Darüber haben schon viele weisen Männer nachgedacht. Und geben dann zur Antwort: Wir leben, um zu arbeiten. Oder: Wir leben, um zu genießen. Oder: wir leben, um zu sterben. Oder: Wir leben, um zu lieben. Auch der Apo­stel Paulus weiß eine Antwort zu geben auf diese Frage: Wie er uns denn er­wählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollen sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe. Darf ich zu unserm Bild zurückkeh­ren: Wenn wir ein Haus bauen, dann ist schon in den Bauplänen vorgemerkt, wie die elektrischen Leitungen gelegt werden sollen, wo eine Lampe angebracht werden soll, ein Lichtschalter, ein Steckkontakt. Und wenn der Bau fortschreitet, dann ist es ganz klar, dass die elektrische Installation mit eingebaut wird. Warum? Das hat nur einen Sinn deshalb, weil wir wissen, dass draußen die Stromleitung vorbeiführt, dass das, was wir in unserem Hause einrichten, ange­schlossen werden kann an das Stromnetz, damit wir Licht im Hause haben. So ist es mit uns Menschen, liebe Freunde!

Ehe Gott das Haus dieser Welt gebaut hat, war sein Sohn da. Ehe er uns Men­schen in diese Welt gesetzt hat, dass wir als seine Lichter leuchten sollen, war Jesus Christus da, um Gottes Ratschluss zu vollbringen. Durch ihn sind wir er­wählt! Dazu bestimmt, um dem ewigen Leben Gottes teilzuhaben, bestimmt, ihm in freudigem Gehorsam zu dienen. Was für ein nutzloses Ding, ohne Sinn und Zweck, ist die schönste Lampe, wo kein Strom da ist, wo die Leitung zum Kraftwerk fehlt. Genau so nutzlos und sinnlos wäre all unser Menschendasein, wo nicht der Herr Jesus Christus da wäre, der uns Teil gibt am göttlichen Leben. Gott wollte nicht, dass wir allein stehen in dieser Welt. Gott wollte nicht, dass wir auf unsere eigene Kraft angewiesen seien in unserem Leben. Dass wir durch uns selber leuchten! Wie könnte Licht sein in unseren Häusern, wenn nicht der Strom fließen würde. Wie könnten wir unser Leben in dieser Welt führen vor dem Angesichte Gottes, wenn nicht er selber uns dazu die Kraft gäbe. Und der Weg, auf dem solche Kraft zu uns kommt, heißt: Jesus Christus. Das ist unsere Bestimmung, dass wir leuchten durch seine Kraft! Gott hat uns erwählt in Jesus Christus! Das ist der Sinn unseres Menschenlebens.

2)

Doch wenn das wahr ist, liebe Freunde, müsste dann unsere Welt nicht ganz an­ders aussehen? Dürfte es denn soviel Dunkel geben, soviel Einsamkeit und Ver­lassenheit, soviel Selbstsucht und Eigensinn? Ist Gottes Plan, den er mit uns hat­te, als er uns schuf, nicht gescheitert? Hören wir, wie Gott seinen Plan unter uns durchsetzt:

Gott hat uns geliebt in Jesus Christus. Gottes Sohn ist geworden wie unsereiner, damit wir Gottes Kinder würden: Er hat uns verordnet zur Kindschaft gegen ihn selbst durch Jesu Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lob seiner herrlichen Gnade. Dass viel Dunkel in unserer Welt ist, das wissen wir genau. Dass viel Unordnung herrscht zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Gott, das sehen wir täglich neu vor Augen. Aber es ist eine müßige Frage, nun dem nachzusinnen, wie das gekommen ist. Schauen wir lieber dar­auf, was Gott tut, um seinen Plan dennoch einen guten Ende zu führen. „Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein neuen Schein, es leucht wohl mitten in der Nacht, und uns des Lichtes Kinder macht.“ Es wird unserm Verstande im­mer ein Rätsel bleiben, warum Gott die Menschen, die so gar nichts von ihm wissen wollen, nicht endgültig verstoßen hat. Warum er sich von ihnen nicht lossagte, nachdem sie sich von ihm losgesagt haben. Warum seine Liebe größer ist als sein gerechter Zorn über die, die seine gute Schöpfung zerstört und in Un­ordnung gebracht haben. Wir können nie erfassen, warum das so ist, wir können nur freudig annehmen und bezeugen, dass das so ist. Dass Gott uns nicht allein gelassen hat in unserer Verlorenheit. Sondern dass er uns geliebt hat. Uns geliebt hat er so sehr, dass der einzige, der Gottes Liebe wirklich verdient, ein Mensch geworden ist, wie wir. Mehr noch: dass er herabgestiegen ist in die tiefen Tiefen unseres Menschseins. Jetzt ist ein Mensch da, der die Liebe Gottes wirklich wert ist: das Kindlein in der Krippe, der Mann am Kreuz. Und weil dieser Eine da ist, der Gottes Liebe verdient, darum sind die anderen alle nicht verstoßen. Weil er da ist, sind sie alle geliebt von Gott, die gleich ihm Menschenantlitz tragen. Nun ist der Kontakt wiederhergestellt zwischen der Kraft des göttlichen Lebens und unserm Menschendasein. Nun sind wir nicht mehr einem sinnlosen Getriebe ausgesetzt, sondern wir können so leben, wie Gott uns haben will: Heilig und unsträflich als seine Kinder. Denn: Gott liebt uns in Jesus Christus.

3)

Wenn wir diese Botschaft hören und annehmen, liebe Freunde – drängt sich da nicht uns allen eine bange Frage auf? Wir sind dazu erwählt, heilig und unsträf­lich zu sein vor ihm. Gott liebt uns, als seine Kinder. – Ja, andere vielleicht – aber bei mir ist da doch nicht möglich. Denn ich bin nicht so, wie da beschrie­ben wird: Nicht heilig und unsträflich, nicht voller Liebe, nicht ein Licht, das leuchtet. Und wir schauen in unser Herz, und sehen, was da drin ist, sehen, was wir schon versäumt haben in unserem Leben, was wir falsch gemacht haben, wo wir gefehlt haben. Bin ich nicht unbrauchbar für Gott? Bin ich nicht so verdor­ben, dass mich Gott nicht mehr brauchen kann. Bin ich nicht wie eine durchge­brannte Glühbirne – für immer unbrauchbar, nur dazu da, endgültig fortgewor­fen zu werden? Liebe Freunde! Hier verlässt uns unser Gleichnis – denn das ist unmöglich, dass wir aus alt neu machen, dass wir heilen was zerstört ist. Aber Gott dem Herrn ist alles möglich! Er hat uns erlöst in Jesus Christus. Womit ha­ben wir das verdient? Ist denn doch ein guter Kern in uns, um den es schade wäre, wenn Gott uns ganz wegwürfe? Nein! Er hat uns angenehm gemacht in dem Geliebten, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Verge­bung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade! Gott fängt mit uns neu an! Darum können auch wir immer wieder neu anfangen – in Christus neu anfangen. Er verbindet sich so ganz mit uns, dass Gottes Liebe uns nie mehr verloren ge­hen kann, dass das göttliche Leben in reicher Fülle in uns einströmt.

Das ist es, was uns das Weihnachtsfest sagen will: Gott hat uns in Jesus Christus hineingenommen in sein göttliches Leben. In ihm sind wir erwählt, in ihm sind wir geliebt, in ihm sind wir erlöst. Darum kann es über unserem ganzen Leben klingen: Gelobt sei Gott; dass wird das doch recht erkennen und begreifen möchten. Dann ist in unserem Herzen das Weihnachtslicht aufgegangen, das keine Gewalt der Welt wieder auslöschen kann. Amen


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