Eph 4, 11-16 Pfingstmontag, 17.Mai 1964
Wolfenhausen/Nellingsheim
99, 1-4 Nun bitten wir den (179)
98, 1-3 Komm, heiliger Geist (152)
103, 5, O heiliger Geist, kehr (257)
147 O Gott und Vater!
104, 5.6 O heiliger Geist, o heiliger (204)
Joh 14, 23-27
Eph 4, 11-16
Liebe Gemeinde!
Unfassbar und unbegreiflich
ist das, was wir mit dem göttlichen Namen des heiligen Geistes benennen.
Unfassbar und unbegreiflich deshalb, weil wir da nichts sehen, als eben lauter
Menschliches, und nun doch begreifen und zugeben müssen, dass da gar nichts
Menschliches ist, sondern allein Gott, und Gottes Kraft, und Gottes Gegenwart,
die Menschen antreibt und bewegt, sie zu ihrem Werkzeug macht. So könnte man
sagen: Gott ist uns am nächsten als Gott, der heilige Geist, und ist uns
zugleich doch am fernsten – so, dass wir gerade nicht sagen können: Ich habe
ihn, diesen Geist Gottes – so, dass wir gerade nur um diesen Geist bitten; dass
wir nur rufen können: Komm, heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen
und entzünd in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe.
Freilich: Sowenig wir ihn,
den heiligen Geist, Gott selbst, wie er in uns wirkt, fassen können: Der Geist
weht, wo er will - und du hörst sein
Brausen wohl, aber du weißt nicht, wann er kommt und wohin er fährt: Sowenig
wir den Geist Gottes fassen können, so deutlich ist uns doch vorgegeben, was er
wirken soll und wirken will. Darum, wenn wir fragen: Wozu die Bitte um den
heiligen Geist, um Gott selbst, wie er in uns wirkt? – So können wir antworten
mit den Worten des Epheserbriefes: Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden,
dass wir alle hinankommen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des
Sohnes Gottes – dass wir wahrhaftig seien in der Liebe und wachsen in allen
Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus!
Liebe Freunde! Ob diese
Einheit in wahrhaftiger Liebe, ob diese Verbundenheit mit Jesus Christus, von
der hier die Rede ist, ein lohnendes Ziel sei oder nicht, darüber wird nicht
diskutiert – hier im Epheserbrief nicht und darum auch bei uns nicht. Dazu sind
uns Apostel und Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer gesetzt von Chrisus,
die uns das sagen. Dazu seid ihr da, berufen, gerufen zu dieser Einheit. Das
ist es, was Ziel eures Lebens ist: So, nur so, seid ihr Gott recht: Ich sage,
darüber wurde nicht diskutiert, das wurde auf deren Wort hin von uns als
richtig angenommen.
Diese Einheit: Sie soll von
der Kirche, sie soll von der Christenheit dargestellt werden. Die Einheit der
Menschen, der Menschheit – die einen Schöpfer und Herrn hat, die einen Erlöser
hat, die ein Ziel hat, das ihr gesetzt ist – diese Einheit der Menschen, wie
sie einmal wahr und wirklich werden soll in Gottes Reich, die soll die Gemeinde
Jesu Christ jetzt zeigen, jetzt darstellen, jetzt verwirklichen: So, dass da
Gottes Reich jetzt und hier, mitten und Hass, Neid, Kampf, Feindschaft der
Reiche dieser Welt dargestellt und angezeigt wird, als das göttliche Ziel,
welchem sich jeder, welchen sie sich allein Gehorsam endlich einmal unterordnen
werden:
Das hieße wahrhaftig sein in
der Liebe, wo wir so diese Einheit zeigten, vorlebten, wirklich machten – wo
eine Christenheit, unter dem einen Herrn, Jesus Christus, zusammengeschlossen
in Liebe, lebte – diese Christenheit, Zeichen der Hoffnung in einer
verfeindeten, kämpfenden, bösen Welt: Das heiße, wahrhaftig sein in der Liebe.
Aber was rede ich: Das hieße, das wäre, das sollte? Ihr wisst so gut wie ich:
Was da sein soll, das ist nicht, durch unsere Schuld. Es gibt sie nicht, diese
eine, in Liebe wahrhaftig verbundene Christenheit, es gibt nicht diese
Einmütigkeit, in welcher diese Christenheit zusammenhängen würde wie unser
Leib, wo eines gewiss nicht gleich ist wie das andere Glied, wo jedes seine
ganz bestimmte Funktion hat, und gehören doch zusammen eines zum anderen – und alle
miteinander bewegen sich, wie das dem Willen des Hauptes entspricht! So heißt
es hier: Lasset uns wahrhaftig sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken
zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib
zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, dadurch
ein jegliches Glied dem andern kräftig Handreichung tut nach seinem Maße und
macht, dass der Leib wächst uns sich selbst auferbaut in der Liebe! So sollte
es sein -. Der Menschheit, der zerrissenen und verfeindeten, der geängstigten
und hoffnungslosen Menschheit ein Zeichen, dass sie doch noch kann – nicht auf
sich hin, aber auf Gott und seine Hilfe! Doch was ist das für ein armseliges
und schlechtes Zeichen, das wir bieten durch unsere Schuld! Ist die Welt
zerrissen und verfeindet – die Christenheit ist es auch. Wenn zwei leitende
Leute dieser Christenheit, der Papst in Rom und der ökumenische Patriarch in
Konstantinopel, nach 500 Jahren der Abgeschlossenheit wenigstens einmal sich
begegnen und miteinander reden – so gibt das Schlagzeilen in den Zeitungen auf
der ganzen Welt: Ein Zeichen, wie man auf die Christenheit achtet – gewiss
kritische, und doch voller Hoffnung, dass es zu dieser Einheit kommen wolle –
denn die Einheit der Christenheit, sie ist Zeichen der Hoffnung für die
zerrissene Welt.
Aber noch einmal: Weit, weit
weg sind wir von dieser Einheit in wahrhaftiger Liebe. Wohl, es ist ein
Kennzeichen unserer Zeit, dass man sich dabei nicht mehr beruhigen will, dass
es da verschiedene Kirchen gibt. Man hatte sich damit abgefunden, lange Zeit –
aber nun sind die Menschen durcheinander geworfen, und stoßen drauf – ist das
richtig? Da ist die große Spaltung, die wir ständig vor Augen sehen, in
evangelische und katholische Kirche: Und es ist noch lange nicht so, dass da
auch nur von einem kleinen Zeichen der Annäherung die Rede sein könnte. Im
Gegenteil – noch keine 14 Jahre ist es her, dass der damalige Pius XII durch
sein Dogma von der leiblichen Himmelfahrt der Maria die Herrlichkeit und
Allmacht und Besonderheit der römischen Kirche bekräftigte. Und redet man heute
von den getrennten Gliedern der Kirche, von den abgetrennten Brüdern – so ist
da doch immer noch der Vorwurf: Wer sich abtrennt, absondert, der hat Unrecht!
Gut, wir wollen diesen Vorwurf gelten lassen, aber wer ist es denn, der sich
trennt, der sich absondert? Freilich, nicht bloß dies Auseinanderfallen in
katholisch und evangelisch und eine Vielzahl von Sekten trennt die
Christenheit, die doch ein Leib sein sollte mit ihrem Haupte Jesus Christus. Da
erschüttern uns neue Trennungen und Spaltungen. Da drohen pietistische Kreise,
etwa von Liebenzell her, mit Separation, weil sie eine angeblich ungläubige
Theologin nicht mehr ertragen und eine reine bibelgläubige Gemeinde bilden
wollen! Wer sich absondert, der hat Unrecht – so werden wir auch hier sagen.
Aber wer sondert sich ab? Die ihren Glauben bedroht fühlen, und es nicht auf
eine offenen Auseinandersetzung ankommen lassen wollen, weil sie nicht so reden
und so scharfsinnig argumentieren können wie die andern? Oder jene, die um der
Wahrhaftigkeit willen meinen, dies oder das und vieles, was in der Bibel steht,
nicht so annehmen zu können, wie es dasteht? Und das ist ja nur ein Beispiel
für die Trennungen, die auch unsere evangelische Kirche durchziehen. Ja, der
Verstoß gegen dies: Wahrhaftig sein in der Liebe – der geht ja bis in unsere
allernächste Nähe – so, dass nicht einmal die, die unter derselben Kanzel im
selben Gotteshaus sitzen, die aus demselben Kelch das Blut Christi empfangen,
die den selben Taufstein getauft sind und dieselben Glocken hören - die sie an
Gottes Wort und ans Gebet erinneren, dass nicht einmal die beieinander sind und
zueinander halten – eines dem andern kräftig Handreichung tut nach seinem Maße
und macht, dass der Leib wächst und sich selbst auferbaut in der Liebe – wie es
hier heißt!
Wer sich absondert – der hat
Unrecht, auch hier! Und Recht und Unrecht – die entscheiden sich nicht an dem,
was gewesen ist – sondern an dem, was sein wird und darum jetzt sein soll. Auf dem
Beharren, was gewesen ist – und sei es Luther oder der Papst: Das ist das
Unrecht. Am Haupt hängt, wer zum Leib gehört – lässt sich vergeben, lässt
fahren um der Liebe willen, rechnet dem nicht nach, was war, streckt sich nach
dem, was sein wird – tut den Schritt zum Andern hin! Da ist dann der Geist in
solchem Entschluss zum Gehorsam. Amen