15. nach Trinitatis  30 Sept. 1962, Wolfenhausen/Nellingsheim

 

332, 1-4     Gott  Lob, der Sonntag (67)

288, 1.2     In dir ist Freude (129)

544, 4        Gott lebet! Dein Haus (93)

244, 5        Ich ruf zu dir, Herr (120)

 

Matth. 11, 25-30

Gal. 5, 25-6,10

 

Liebe Gemeinde!

 

Wenn wir uns die Aufzählung des Apostels so anhören, werden wir gewiss zugeben, dass man ihr allerlei nützliche Lehren entnehmen kann: Dass man einander nicht zeigen soll, dass man sich nicht beneiden soll, dass sich einer, der nichts ist, nicht einbilden soll, er sei etwas, dass man die Schwächen seiner Mitmenschen geduldig tragen soll – kurz, dass man das Gute tun soll, wie es dann am Ende unseres Abschnittes heißt: „Lasset uns Gutes tun und nicht müde werden!“

 

Ich sage: Man kann allerhand nützliche Lehren aus dieser Aufzählung des Apostels Paulus entnehmen, sofern es möglich ist, die Fülle dessen, was da gesagt wird, zu erfassen. Aber freilich: Dazu aufgefordert werden, das Gute zu tun, das haben wir eigentlich doch nicht nötig! Nicht deshalb, weil wir nun immer und überall dieses Gute täten, - das gewiss nicht. Aber wissen tun wir`s auf jeden Fall, was dieses Gute ist, und dass wir es eigentlich tun sollten. Zu dieser Aufforderung, das Gute zu tun, braucht es den Apostel Paulus nicht, da braucht es auch keine Kirche und keinen Pfarrer und keine Predigt.

 

Aber seht: Vielleicht haben wir ja auch gar nicht richtig hingehört, wenn wir eben das gehört haben, dass uns da eine Reihe von Lehren gegeben werden, an die wir uns halten sollen und die schließlich auf das hinaus laufen, dass wir das Gute tun sollen.

Ich meine, das sei gerade das Eigentümliche an den Worten des Paulus, dass wir sie uns nicht selber sagen können, sondern dass wir sie eben nur hören, und annehmen – oder auch ablehnen können. Dazu müssen wir aber auch die Begründung hören, auf die Paulus seine Mahnungen bezieht – nur so werden wir sie richtig verstehen können, nicht so, wie wir sie uns nach eigener Gewohnheit, nach eigenem Verstand und Willen zurecht biegen, sondern so, wie sie gemeint sind, und wie sie uns helfen können.

Da heißt es am Anfang: „Wenn wir im Geist leben so lasset uns auch im Geist wandeln“. Ich würde lieber noch sagen, damit auch ganz eindeutig herauskommt, was Paulus meint. „Weil wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln.“ Das erste, das ist das Leben im Geist, und das zweite, das ist der Wandel, das Handeln, das Tun im Geist. Umgekehrt, so meinen wir, umgekehrt schiene das doch viel richtiger zu sein: Erst muss sich einer daran gewöhnen, immer das Gute zu tun, dann wird man ihn schließlich einen guten Menschen heißen können. Erst muss einer ein heiligmäßiges Leben führen, dann wird man ihn schließlich einen Heiligen nennen können. Erst muss einer einen geistlichen Wandel führen, dann wird er schließlich auch einer genannt werden können, der im Geist, im Glauben, in der göttlichen Wahrheit lebt. So denken wir: Da ist das Ziel, da ist das Vorbild, da ist das …, da kannst du sehen, was du eigentlich sein solltest. Und nun mach dich auf den Weg, hin zu diesem Ziel! Nun sieh zu, dass du es Schrittlein für Schrittlein erreichst, was du dir vorgesetzt hast. Am Ende, wenn du dann dran bist, oder doch nahezu dran, dann wirst du sagen können: Jetzt bin ich was ich sein sollte!

 

Umgekehrt sagt es Paulus: Ihr lebt im Geist, darum sollt ihr auch im Geist wandeln. Im Geist – das heißt: Draußen ist eure Wahrheit! Draußen ist eure Wahrheit, dort wo das Wort ist. Dort, wo euch Jesu Kreuz entgegengehalten wird, dort, wo ihr an eure Taufe erinnert werdet. Draußen ist eure Wahrheit, das,  was über euer Leben entscheidet, das, was euer eigentliches Wesen ausmacht! Draußen ist es, und nicht bei euch selber, Das heißt: Im Geist leben! Freilich nicht so, dass wir nun doch uns auf den Weg machen müssten, dies unser Wesen, diese unsere Wahrheit, die uns im Wort entgegengehalten wird, zu verwirklichen, dass wir nun doch einem …Ziel entgegen in Marsch gesetzt würden. Nein! Dass unsere Wahrheit draußen ist, nicht in uns selber, und dem was wir tun, sondern in Gott und in dem was er tut, daran können wir gar nichts machen. Dass wir im Geist leben, das hat Gott gesetzt in unserem Heiland Jesus Christus, und es ist uns zugeeignet in unserer Taufe. Das können wir nicht wahr machen, dieses Leben im Geist – das ewige Leben, wie Paulus dann weiter sagt , die Gnade, die uns Gott schenkt, das Blut, das Jesus für uns vergossen hat! Nein – das liegt nicht in uns und an uns, das können wir nicht tun, nicht wahr machen, wir können`s nur verderben! Und davor will uns Paulus bewahren mit seinen Mahnungen, dass wir das verderben, was uns Gott zugewandt hat. Das meint er mit seiner Mahnung: Lasset uns im Geist wandeln.

 

Nicht dass wir etwas werden sollten durch das Tun des Guten. Nicht dazu werden wir aufgefordert,  sondern sollen davor bewahrt werden, dass wir verspielen, was wir sind – was wir sind, draußen, im Wort, im Geist, was wir sind durch Jesu Tun! Und dies Leben im Geist, dies, was wir draußen sind, durch Jesus sind, bei Jesus sind, das werden wir verscherzen, wenn wir unsere Wahrheit nun dort an uns zu ziehen suchen, so, als ab sie uns gehörte. Darum meint Paulus: „Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein“ – und meint damit gerade dies, was wir als unsere Wahrheit an uns ziehen: Ich bin fromm, fleißig, klug, einflussreich, gut, anständig und derlei mehr. Mögen wir es sein oder nicht - im Geiste sind wir dies alles nicht, sondern solche, für die Jesus gestorben ist, und die ihren Wert nicht an sich selber messen sollen und messen brauchen, sondern deren Wert darin liegt, dass Jesu sich für sie gab. Aber wer selber so wertvoll zu sein sich bemüht, „eitler Ehre geizig“, der reißt ja auch andere mit hinein, zieht sie zu einem törichten Wettbewerb, der schließlich dazu führt, dass der, der am Ende nicht mehr mitkommt, den andern beneidet! Stattdessen gilt das Zurechthelfen. Wenn einer im Bösen erwischt wird, dann soll er nicht uns zur Selbstbestätigung dienen: Gegen dem bin ich aber doch noch ein anderer! Nichts damit! Wer geistlich ist, weiß: Draußen da ist meine Wahrheit, seine Wahrheit. Dann wird das sanftmütige Zurechthelfen schon kommen, denn dann ist der Hochmut ausgeschlossen. Darum, so meint Paulus, soll einer des andern Last tragen. Seine Schwächen, sein Fehler, nicht bloß dort, wo einer bei allem guten Willen eben doch nicht anders kann, sondern auch dort, wo er böswillig und widerwärtig erscheint. Da ist das Erfüllen des Gesetztes Christ – draußen, da, wo unser wahres Leben vor uns steht, da sehen wir`s, sehen, wie unser Heiland erträgt, nicht bloß menschliche Fehler und Schwächen geduldig hinnahm, sondern sich Bösartigkeit und Widerwärtigkeit und Gemeinheit gefallen ließ: Wie er, so wir, das ist sein Gesetz.

 

Nein – meint Paulus darauf sollt ihr euch ja nichts einbilden, was ihr seid. Auch nicht auf die Geduld, mit der ihr die Eigenheiten des Gatten oder der Schwiegermutter ertragt. Auch nicht auf eure Kraft, die Widerwärtigkeiten zu ertragen, die das Leben bringt. Wer meint, er sei etwas, in sich, bei sich, wer seinen Wert mit sich tragen will, der betrügt sich selbst. Denn nicht drinnen ist dieser Wert, sondern draußen. Nicht in uns, sondern bei Christus, der sich für uns hingegeben hat. Alles andere ist Selbstbetrug. Darum mahnt Paulus: An dir selbst sollt du dich erkennen. Prüf dein Werk. Schau dich an. Sag nicht: Ich bin besser als der und frömmer als der usw. Dein Werk prüfe – dann erst merkst du, wo du dran bist. Dann erst erkennst du deine Last, die an dir hängt, und wirst sie gern hergeben und auf Jesu werfen.

 

Seht: Darum mahnt der Apostel auch, der, der im Wort unterrichtet wurde, der solle dem, der ihn unterrichtet, allerlei Gutes mitteilen, seine Achtung für das Wort darin bezeugen, dass er den achtet, der dieses Wort predigt. Denn er braucht`s, wir alle brauchen`s, weil nur dort – draußen, im Wort, im Geist, im dem Sterben Christi unser Leben ist. Keine Sünde gibt es, keinen Fehler, aus dem wir einander nicht zurecht helfen könnten, nur dies eine, dass wir das Wort verachten. Nur dies eine, dass wir uns auf uns selber versteifen. Dann kommt das Verderben. Aber nun sollen wir auf den Geist sehen – auf das Draußen! Wisset wohl, was da gemeint ist. Dann haben wir nämlich Zeit, für das Gute, für einander. Amen