Woche der Jungbruderschaft

 Altenberg, Freitag, 13. August 1954

246, 1.2.8 Ein wahrer Glaube

 

Jakobus 2, 10-17

 

Liebe Brüder!

 

Ihr glaubt? Glaubt, dass ein Gott ist? Glaubt, dass dieser Gott in seinem Sohn Jesus Christus sich uns offenbart hat? Glaubt, dass dieser Gott Barmherzigkeit und Liebe ist, da er ja seinen Sohn am Kreuz für uns alle dahingegeben hat? Glaubt, dass ihr vor Gott bestehen könnt, wenn ihr nur dies eine in eurem Herzen festhaltet: Gott ist für mich, denn er schenkt mir in seinem Sohn, was ich aus mir selber nicht habe: Leben, Gerechtigkeit, Seligkeit?

 Es ist gut, liebe Brüder, wenn ihr so glaubt. Doch dann lasst euch auch diese Frage gefallen: Wo ist euer Glaube? Zeigt ihn doch, diesen Gauben! – Hier mögt ihr nun freilich einwenden: Das, was du verlangst, ist unmöglich. Wie kann ein Mensch zeigen, was tief in seinem Herzen verborgen ist? Ja, wie kann ich mein Innerstes offen vor dich hinlegen, damit du erkennst, wie es in meinem Herzen aussieht, damit du meinen Glauben wahrnimmst? Ja, liebe Brüder: Können wir nicht nur dies Eine tun: Unseren Glauben bekennen, beten, singen – und dies Eine hoffen, dass der, der solches Bekenntnis hört, erkenne, dass hier nicht nur unsere Lippen schöne Worte reden, sondern dass wir aus vollem Herzen sprechen. –Wirklich? Haben wir damit recht, dass wir den Glauben als eine Haltung des Herzens bezeichnen, tief im Geheimnis unserer menschlichen Persönlichkeit verborgen – einen Glauben, von dem man nur reden kann?

Ich frage bewusst: Nur reden – denn bleibt nicht all unser menschliches Reden in der Zweideutigkeit zwischen Wahrheit und Lüge – ist nicht gerade das Bekenntnis unseres Glaubens immer in der schrecklichen Gefahr, zur Lüge zu werden? Zu einem liturgischen Vollzug, dem unser Leben nicht nachkommt? Zu einem feierlichen Aufschwung unseres Gefühls, wenn wir beieinander sind, uns gegenseitig …vortragen.? Meint ihr, solcher Gefühlsaufschwung reiche aus, uns vor den Thron Gottes zu tragen? Nein! Was hilft`s, liebe Brüder, so jemand sagt, er habe den Glauben, und hat doch die Werke nicht? Kann auch der Glaube ihn selig machen? Wehrt euch jetzt nicht, das bitte ich euch, liebe Brüder! Gegen die Wahrheit, die uns hier entgegentritt. Sagt nicht: Das habe ich bei Paulus ganz anders gelernt. Sola fide! Allein aus Glauben! Was willst du denn mit deiner strohernen Epistel, du schlechter Apostel, Jakobus? Willst du mir meine herrliche Freiheit nehmen, willst mich wieder unter das Joch der Gesetzeswerke bringen? Nein! Wehrt euch nicht so, liebe Brüder, lasst die Wahrheit, die uns hier begegnen will, an euch herankommen. Denn diese Wahrheit allein vermag uns zu retten! Hier ist kein Gesetz des toten Buchstabens, keine Regel frommer Werke, die unser Leben knechten und vergewaltigen will. Nein! Jakobus ruft uns zum Gesetz der Freiheit. Zu dem Gesetz, das unseren Glauben – den toten Glauben des Verstandes, den trügerischen Glauben des Gefühls, erst recht zum Leben erweckt. Es ist das Gesetz der Freiheit, nach dem wir gerichtet werden. Das Gesetz der barmherzigen Bruderschaft. Nicht einer Bruderschaft Gleichgesinnter, die sich gegenseitig bestätigen. Die sich gegenseitig tragen in ihrem frommen Streben. Die sich zusammenfinden, eine Idee zu verwirklichen. Nein! Das Gesetz der Freiheit redet zu uns von einer ganz anderen Bruderschaft. Von der Bruderschaft mit denen, die uns gerade nicht fragen. Von der Bruderschaft mit denen, die uns gerade nichts geben können. Von der Bruderschaft mit denen, die uns gerade nicht bestätigen in dem, was wir sind. Da bist du zur Bruderschaft gerufen, zur barmherzigen Bruderschaft der Lastträger.  Liegt dir der theologische Kommilitone auf dem Herzen, der durch seine Zweifel an den Rand der Verzweiflung getrieben wird? Oder bist du nicht froh, dass du ihn jetzt wenigstens für die Zeit der Semesterferien los geworden bist? Ist dir der Besuch bei jener krebskranken Frau eine lästige Pflicht, die dir zur Seelsorge anvertraut ist? Atmest du nicht erleichtert auf, wenn du wieder für acht Tage die Tür des Krankenzimmers hinter dir geschlossen hast? Ist es dir unangenehm, wenn du als Vikar das Geburtstagskaffeekränzchen alter Damen zieren sollst? Freust du dich auf deinen Feierabend, damit du die Kollegen nicht mehr zu sehen brauchst, die ihren Spott mit dir treiben möchten, weil sie sehen, dass du anders sein willst als sie?

Liebe Brüder! Hier sind wir zur barmherzigen Bruderschaft gerufen. Und glaubt mir: Diese Bruderschaft macht uns nicht arm, sondern unendlich reich. Denn das ist das Geheimnis des lebendigen Glaubens, der im Werk der Barmherzigkeit wirksam wird: Dass er wirklich lebt, dass er wächst, dass er stärker wird, je mehr er wirkt. Ja, dass er so stark und frohgemut und sicher wird, dass selbst Gottes Gericht ihn nicht schrecken kann. Denn wie sollte Gott, der Barmherzige, den verdammen, der Barmherzigkeit tut an seinen Brüdern? Amen.