Rogate      30.4.1978           Möhrendorf

 

Intr. 15. Vers 58 a

 

86, 1-4       Auf, auf, mein Herz

241, 1-4     Vater unser im Himmelreich

179, 1-4     In dich hab ich gehoffet

179, 7

139 Verleih uns Frieden

 

Joh. 16, 23-28

Jer. 29, 1.4 -14a

 

Herr Gott, himmlischer Vater,

von dem alle gute und vollkommene Gabe kommt,

wir bitten dich,

erhöre uns im Namen deines Sohnes Jesu Christi, unseres Heilandes,

wenn wir zu dir rufen,

und verleihe uns deinen Geist,

durch unseren Herrn Jesus Chrisus,

deinen Sohn, der mit dir und dem heiligen Geist lebet und regieret in Ewigkeit.

Amen

 

Liebe Gemeinde!

 

Diese Aufforderung leuchtet unmittelbar ein: Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn`s ihr wohl geht, so geht`s euch auch wohl.

Wir brauchen gar nicht lange darüber zu reden, dass sie in einem Brief steht, den der Prophet Jeremia an die aus ihrer Heimat nach Babylon weggeführten Judäer und Jerusalemer schrieb.

Wir können die Aufforderung gleich auf uns beziehen, auf unsere Gemeinde, unser Land, unseren Staat.

Denn das ist klar: Wir gehören hier mit dazu, und unser Wohlergehen ist unmittelbar mit dem Wohlergehen der Gemeinde und des Staates verknüpft. Das erfahren wir jetzt in den guten Zeiten, wie wir es in den bösen  Zeiten des Krieges und in den schlechten Zeiten nach dem Krieg erfahren haben.

 

So weit, so gut. Das leuchtet ein. Aber bei dem nächsten Schritt der Überlegung für diese Predigt, da bin ich gleich böse ins Stolpern gekommen. Was ist denn nun dieses Beste, für das wir beten sollen? Das soll ja möglichst nicht so allgemein sein, wie beispielsweise unsere Geburtstagsglückwünsche, wo wir dann sage: Ich wünsche dir alles Gute – oder noch knapper: Ich wünsch dir auch was. Wir sollten schon wissen was das ist, dieses Beste, wenn wir es suchen und dafür beten wollten. Natürlich ist da eine Menge zu nennen – wir es etwa in den Zielsetzungen und Auseinandersetzungen unserer Politiker diskutiert wird. Aber ich habe das einmal in Gedanken durchprobiert, und meine, dass wir da nicht mitkommen. Sollen wir beten, dass unser Sozialprodukt in diesem Jahr doch noch um die geplanten 3,5 % wächst? Sollen wir beten, dass der amerikanische Präsident sich doch noch entschließt, die Neutronenbomben bauen zu lassen, um damit ein Gegengewicht gegen die russische Rüstung zu schaffen?

Sollen wir beten dass möglichst wenig junge Leute von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen, damit unsere Wehrbereitschaft nicht gefährdet wird? Das sind ja alles Ziele, die angeblich dem Besten unseres Gemeinwesens dienen sollen. Aber dafür nun beten? Freilich lässt sich dann auch umgekehrt fragen: Wenn wir als christliche Gemeinde da Bedenken haben, um diese Dinge zu beten – sind die dann wirklich das Beste der Stadt, das zu suchen wir hier aufgefordert werden?

 

Sie bemerken, warum ich sagte, ich sei bei meinen Überlegungen gestolpert. So sehr die Mahnung, hier einleuchtet, und so unmittelbar wir bereit sind, sie uns anzueignen: Sowie wir genauer zusehen, geraten wir ins Fragen. Was ist das, wofür wir da beten sollen? Nun, diese Beste ist der Friede. Suchet den Frieden der Stadt, - denn wenn sie Frieden hat, dann habt ihr auch Frieden. Damit können wir uns alle einig sehen, so verschieden auch unsere politischen Ansichten sein mögen: der Friede ist dieses Beste. Um den Frieden bitten wir Gott. Ihn suchen wir.

 

Aber gerade dass wir diesen Frieden suchen sollen, das zeigt noch einmal: Er ist nicht einfach da. Wir haben ihn nicht so, wie er sein sollte. Und darum ist uns ja aufgetragen, dass wir als Christen diesen Frieden suchen sollen – in unserem Gebet. Das lässt sich nicht ein für allemal abmachen.

Dem wollen wir jetzt, angeleitet durch den Brief des Propheten Jeremia, nachfragen. Denn das Beten ist nicht eine nutzlose Beschäftigung. Vielmehr: Durch unser Beten bestimmen wir das, was kommen soll.

 

1.

 

Fangen wir an damit, dass wir uns fragen, was diesen Beten bei uns selbst ausmacht: Durch unser Beten bestimmen wir, was kommen soll – bei uns selbst das, worauf wir warten. Wir können wohl, mit den Worten des Propheten, sagen, dass wir auf den Frieden warten, dass Gott seine Friedensgedanken, die er über uns hat, wahr macht. Aber wenn wir uns das so überlegen, dann merken wir, dass solcher Friede etwas anderes ist, als bloß dies, dass die Waffen schweigen, und die Menschen einander nicht töten. Es gibt gerade auch im AT eine ganze Reihe von Zukunftsbildern, die diesen Frieden schildern: Das man nicht mehr Krieg führen lernt, dass sie ihre Schwerter zu Sicheln umschieden, und ihre Speerspitzen zu Webmessern – das ist Friede. Aber auch dass die Wölfe beiden Lämmern wohnen, und die Löwen Gras fressen wie die Ochsen, und der Säugling mit der Otter spielen wird. Auch das ist Friede. Wenn wir dem nachdenken – diesem Frieden: Er hat viele Seiten. Es ist der Friede zwischen den Menschen - und es ist der Friede in der Natur, und der Frieden zwischen Mensch und Natur. Wir kennen diesen Frieden vielleicht, als eine seltene, beglückende Erfahrung. Dass ein Streit zwischen zwei Menschen vorbei ist, dass man wieder miteinander reden kann. Das ist eine Erfahrung des Friedens. Aber auch das ist eine Erfahrung des Friedens, wenn ich einer Katze über den Rücken streichle und sie schurrt zufrieden vor sich hin. Und das ist eine solche Erfahrung des Friedens, wenn ich sorgfältig ein Saatbeet bereite, die Erde zwischen den Händen fein zerkrümmle, die Oberfläche glatt streiche, Samen in die Erde lege, die Blumen oder Früchte werden sollen.

Wir kennen den Frieden so – aber wir kennen ihn auch so, dass wir unter der Friedlosigkeit leiden. Unter dem Lärm, der von den Straßen kommt, die unsere Natur durchschneiden und zerteilen – um nur ein Beispiel zu nennen.

Wenn wir beten, bestimmen wir bei uns selbst das, worauf wir warten. Wir sammeln uns – sammeln unser Herz und unsere Gedanken auf den Frieden, der uns beglückt, und den wir ersehnen.

 

2.

 

Es ist wichtig, dass wir wissen, um was wir beten. Nicht nur allgemein um den Frieden – sondern dass hier oder dort dem Leiden am Unfrieden begegnet wird. Wir bestimmen, was wir erwarten. Aber eben damit bestimmen wir nun auch in unseren Zusammenleben, wofür wir uns einsetzen. Ich will es einmal so sagen: Das rechte Beten macht unabhängige Leute. Wer es gewöhnt ist, mit Gott zu reden, und ihm vorzutragen, was er erwartet – der lässt sich auch nicht mehr so leicht etwas vorreden und vormachen. Der fragt, ob es das Beste ist, was ihm da einer als das richtige Ziel für uns alle einreden will. Er prüft, ob er wirklich und im Ernst Gott vortragen kann, was er da wollen soll und dem er da zustimmen soll. Wir bestimmen mit unsrem Beten, wofür wir uns einsetzen. Es könnte sein, dass das oft beklagte Schwinden der Christlichkeit, christlicher Grundsätze, christlichen Verhaltens, christlichen Lebens bei uns seinen Grund im Schwinden des Gebetes hat. Wer das Beten aufgibt, der gibt seine Unabhängigkeit auf und läuft Gefahr, sich jetzt dies und dann das einreden zu lassen. Suchet der Stadt Bestes und betet für sie – das gehört zusammen. Wir bestimmen mit unserem Beten, wie der Friede aussieht, für den wir uns einsetzen in unserem Miteinanderleben. Das muss man lernen, das versteht sich nicht von selbst. Und wir lernen durch Leiden und Mitleiden oft mehr als durch viel Reden und Studieren. Wenn wir beten, bestimmen wir was kommen soll – bestimmen, wofür wir uns einsetzen. Und das kann Veränderung bewirken.

 

 

3.

 

Aber darüber, dass wir sehen, was unser Beten bei uns selbst bewirken kann – und das ist nicht wenig – sollen wir gewiss nicht vergessen, dass unser Gebet sich an den richtet, der hier durch den Propheten sagt: Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen. Und noch einmal: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet.

Durch unser Beten bestimmen wir das, was kommen soll – bei Gott das, was uns schließlich ganz glücklich machen wird. Wir denken den Frieden – aus unserem Glück, aus unserem Leiden und Mitleiden heraus.

Wir setzen uns ein für den Frieden. Aber das sind Menschengedanken und es ist ein menschlicher Einsatz. Und solches unser Denken und Tun wird weit überboten und überholt durch den Frieden, den Gott über uns denkt in seinen Friedengedanken, und den er uns gibt, indem er uns das Ende gibt, auf das wir warten!

 

Es leuchtet unmittelbar ein, wozu Jeremia die Exilanten in Babel auffordert – wozu er uns mit auffordert. Aber es ist nicht einfach, sich dieser Aufforderung dann auch wirklich aufzuschließen und das Gebet um den Frieden zu üben und zu lernen. Aber nichts ist nötiger als das. Denn durch unser Beten bestimmen wir das, was kommen soll – bei uns selbst das, worauf wir warten, in unserem Miteinander leben wofür wir uns einsetzen bei Gott, was uns ganz glücklich machen wird! Amen

 

 

Herr, du schenkst uns deinen Frieden, der höher ist als unser Bitten und Begreifen.

Wir bitten dich für alle, die leiden an dem Unfrieden zwischen den Menschen, die sich die Nächsten sein sollten.

Gib ihnen den Mut des Herzens und das rechte Wort, dass sie Frieden machen. Wir bitten dich für alle, die leiden unter der Rücksichtslosigkeit, mit der jeder seinen Vorteil sucht auf Kosten anderer Menschen und der Natur, die uns zu unserem Leben anvertraut ist. Gib ihnen die Kraft sich zu schützen und unsere Welt lebenswert zu erhalten.

Wir bitten dich für Menschen und Völker, die leiden unter Angst, Hass, Krieg, Terror und Vernichtungswillen. Insbesondere bitten wir dich für die Opfer des Terrors in Italien und im Westjordanland.

Schaffe der Einsicht Raum, dass wir alle den Frieden in dieser Welt nicht gegeneinander, sondern nur miteinander gewinnen können.

Herr Jesus Christus, du hast die Friedfertigen selig gepriesen. Mach uns bereit, dass wir den Frieden suchen nach deinem Willen. Amen.