Jer 31,31-34 Gründonnerstag, 11.4.1963 Wolfenhausen


67,1-3 Jesu deine Passion (219)

421,3.4 Eines wünsch ich mir (171)

414,6 Richtet auf des (248)

Jeremia 31, 31-34

Liebe Gemeinde!

Um Jesu Passion zu verstehen genügt es nicht, sich einfach zu vergegenwärtigen, was damals geschehen ist. Wir werden uns vielmehr bemühen müssen, die Bedeutung dieses Geschehens zu erfassen. Dazu kann uns dieses Wort des Propheten Jeremias helfen.

Als der Prophet Jeremia von dem neuen Bund redet, welchen Gott mit dem Volk Israel schließen werde, da sah es übel aus bei diesem Volk. Die Hauptstadt Jerusalem lag in Trümmern. Die Felder waren verwüstet, das Vieh weggetrieben – was kräftige Männer waren und kundige Leute, war in die Gefangenschaft geschleppt. Dass es aus war mit diesem Volk und seiner Herrlichkeit, das lag auf der Hand. Warum? Sie haben Gottes Bund gebrochen – haben seinen erklärten Willen missachtet, und darum musste er ihnen seinen Schutz entziehen, musste sie fallenlassen. Aber gerade da fachte der Prophet mit seinen Worten den Hoffnungsfunken an: Es soll noch nicht ganz und gar zu Ende sein. Nein! Gott will einen neuen Anfang setzen – einen neuen Bund mit seinem Volk machen.

Aber würde es mit diesem neuen Bund denn anders gehen als mit dem alten? Würden das denn andere Leute sein? Jawohl: So ist es die Hoffnung des Propheten: Ich will meine Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben – spricht der Herr.

Liebe Freunde! Das ist ja gewiss schon lange her, dass der Prophet Jeremia diese Worte gesagt hat – und wir, die wir runde zweieinhalb tausend Jahre später leben, werden die Frage stellen, ob sie denn eigentlich wahr gewesen sind, diese Worte, und was denn aus diesen neuen Bund geworden ist, von welchem der Prophet hier redet. Das sollte ja das Kennzeichen dieses neuen Bundes sein, das Gottes Wille ganz eingehen sollte in die Menschen, so, dass sie eben nur diesen Willen Gottes und sonst nichts in ihrem Sinn hätten. Gibt es das? Kann es das geben, Menschen, die so sind, Menschen, welchen Gottes Wille so ganz und gar in Fleisch und Blut übergegangen ist, dass sie nichts anderes mehr kennen als Gottes Willen, dass sie in ihrem Tun und Lassen diesen Gotteswillen zeigen? Wir fragen: Gibt es das? Kann es das geben? Und werden sagen müssen: Wir sind sie nicht, diese Menschen des neuen Bundes. Aber freilich: Eines wissen wir schon zu nennen, auf den das zutrifft: Jesus. Von dem wissen wir, dass er so war, wie nach den Worten des Propheten Jeremia die Menschen des neuen Bundes sein werden: Einer, dessen ganzes Tun und Lassen nichts anderes tat, als Gottes Willen wirklich, sichtbar, anschaulich zu machen.

Liebe Freunde! Wenn wir danach fragen, ob die Worte des Propheten Jeremia wahr geworden sind – auf ihn werden wir verweisen müssen, auf Jesus, und werden sagen müssen: Der ist es, der allein, der Mensch des neuen Bundes – der Mensch des neuen Testamentes, wie wir dieses Wort Bund auch übertragen könnten.

Doch ist das nicht zu wenig? Genügt es, wenn wir sagen: einer wenigstens ist dagewesen, von dem man das sagen kann, was der Prophet Jeremia für die Menschen des neuen Bundes erwartet? Er ist dagewesen – wenn auch nicht lange. Denn anscheinend ist für den Willen Gottes, wie ihn Jesus dargestellt hat, in dieser Welt kein Raum gewesen. Wir gedenken ja gerade in diesen Tagen wiederum seines Leidens und Sterbens, dessen, wie er ausgestoßen wurde aus dieser Welt -. warum? Doch eben darum, weil diese Welt für diesen Menschen keinen Platz zu haben scheint. Freilich: Es ist nun doch nicht so, dass wir bloß sagen müssen: Er ist einmal dagewesen, dieser Mensch des neuen Testamentes; dieser Jesus. Vielmehr: Er hat uns ja sein Vermächtnis hinterlassen; und heute, am Abend des Gründonnerstag, werden wir uns besonders des Vermächtnissen erinnern, das er uns in heiligen Abendmahl hinterlassen hat: Das tut zu meinem Gedächtnis!

Seht: Das heißt doch, dass er für uns dagewesen ist, dass er für uns da ist. Das heißt doch, dass er nicht für sich allein, als Einzelner, als der Einzige, dieser Mensch des neuen Testamentes sein wollte, bleiben wollte. Sondern dass er uns, die wir seiner gedenken, und die wir miteinander sein Mahl feiern, hinein nehmen will in diesen neuen Bund.

Seht: Wo wir das hören: nehmet hin und esset, das ist mein Leib, für euch gegeben. Nehmt hin und trinket, das ist mein Blut des neuen Testamentes, für euch und für viele vergossen; da wird und dies neuen Menschsein, das der Prophet erwartete, vorgehalten, angeboten. Nicht so, als ob wir das, was Jesus tat, nachmachen könnten. Nicht so, als ob wir das, was er gewesen ist, für uns wirklich machen könnten. Sondern so, dass uns dies neue Menschsein vorgehalten wird, angeboten wird, wie uns die Hostie, wie uns der Wein im heiligen Abendmahl vorgehalten, angeboten wird: Nimm es, mach es dir zu eigen. So hat uns Jesus dies Vermächtnis hinterlassen: ich will für euch da sein; ich will für euch dieser Mensch des Gotteswillens, dieser neue Mensch des neuen Bundes sein. Was ihr nicht werden könnt, ohne mich, das sollt ihr durch mich sein!

Liebe Freunde! Nicht ein Einzelner will er bleiben, Jesus, nicht der Einzige will er sein, welcher Gottes Willen in sein Leben so aufgenommen hat, dass dieses Leben nichts anderes war als eine einzige Verwirklichung dieses Gotteswillens. Vielmehr sollen wir, durch ihn, solche Menschen sein, wie er.

Möglich, dass wir nun einwenden: Das sind wir aber doch nicht! In Wirklichkeit sieht`s bei uns doch ganz anders aus. In Wirklichkeit ist da doch vielerlei, das gar nicht Gottes Wille ist! Liebe Freunde: Dies „in Wirklichkeit“ soll uns zunächst einmal gar nicht bekümmern, sondern bekümmern soll uns, was er getan und uns befohlen hat! Das ist wirklich, viel wirklicher als wir selber und das, was wir an uns wahrnehmen, viel wirklicher als die Erfahrungen die wir mit uns selber machen! „Sein Wort lass dir gewisser sein – und ob das Fleisch spräch lauter nein“ – das ists. Das gilt. Daran haben wir uns zu halten.

Doch wird es dabei ganz gewiss nicht bleiben, wenn wir dieses Wort ernst nehmen, wenn wir Jesu Tun ernst nehmen, wenn wir das heilige Abendmahl ernst nehmen, das uns mit ihm zusammen schließt als Menschen nach Gottes Willen. Vielmehr werden wir gerade dann den Anspruch vernehmen der aus diesen Vermächtnis Jesu an uns ergeht. Werden erkennen, dass wir ja nicht jeder für sich und allein diese Gabe Jesu empfängt, sondern dass wir sie miteinander empfangen. Und werden daraus wohl den Willen Gottes zu vernehmen wissen, dass wir nicht bloß in dem einen feierlichen Augenblick zusammen gehören, in welchen wir das heilige Abendmahl empfangen, sondern dass wir dem in unserem Miteinader gerecht werden sollen.

O nein! Wir werden nicht auf einmal und in wunderbarer Weise in neue Menschen verwandelt. Wir bleiben immer wieder zurück hinter dem, was uns als Jesu Vermächtnis zugesprochen wird. Aber er bleibt ja da – er bleibt ja da und gibt sich uns auf`s Neue – und wir sollen ihn nehmen und hoffen, nicht auf uns, auf das, was wir sind und tun, sondern auf das, was er ist und tut. Amen