Christvesper Kosbach 1986
Herr unser Gott,
der du deinen Sohn Jesus
Christus zu uns gesandt hast, damit wir in ihm das Leben haben, wir bitten
dich, erfülle unsere Herzen mit deiner Freude und gib uns Frieden nach deiner
Barmherzigkeit, durch Jesu Chrisus, deinen Sohn, der unser Bruder geworden ist,
damit wir mit dir leben können. Amen
Liebe Gemeinde!
Wärme brauchen wir zum
Leben, brauchen Nähe, menschliche Nähe, brauchen Freundlichkeit! Davon leben
wir. Wärme, Nähe, Freundlichkeit: Ohne sie kann keiner leben. Vielleicht liegt darin der besondere Reiz des
Weihnachtsfestes, dass es solche Wärme, solche Nähe, solche Freundlichkeit
verspricht. Es ist ja das Fest des Kindes und der Kinder. Des Kindes in der
Krippe, von dessen Geburt wir heute wieder gehört und gesungen haben. Wen
rühren sie nicht ans Herz, die Worte und die Lieder! Und das Fest der Kinder,
für die wir die Geschenke aussuchen und den Baum schmücken, damit es wieder ein
gutes, ein fröhliches Weihnachtsfest sein kann.
Gerade weil es das Fest des
Kindes und der Kinder ist, verspricht uns Weihnachten die Wärme, die Nähe, die
Freundlichkeit, von der wir alle leben: Alle, nicht bloß die Kinder. Aber auch
wer es sich scheinbar abgewöhnt hat, Wärme zu suchen, menschliche Nähe und Freundlichkeit:
ein Kind kann ihm zeigen, wovon wir leben. Ein Kind, das sucht - und findet,
was es braucht: Wärme, und menschliche Nähe und Freundlichkeit. Ein Kind sucht
und findet solche Wärme, solche Nähe, solche Freundlichkeit, die es zum Leben
braucht. Es kennt die Menschen, sucht sie und findet sie, bei denen es geborgen
ist. Es lässt sich in die Arme nehmen und drücken, damit es sie fühlen kann
diese Wärme. Damit es die menschliche Nähe auch wirklich ganz nahe erfährt, im
Leid, im Schmerz und Kummer, wie in der Freude. Es sucht und findet die
Freundlichkeit und Zuwendung, die es zum Leben braucht. Und wer von uns wollte
einem Kind diese Wärme, diese Nähe, diese Freundlichkeit verweigern?
Weihnachten, das Fest des Kindes und der Kinder: Es verspricht uns die Wärme,
die Nähe, die Freundlichkeit, die wir zum Leben brauchen. Das macht seinen
besonderen Reiz aus, die Anziehung für uns alle.
Sage nun niemand: Ich bin
kein Kind mehr, ich brauche sie nicht mehr, Wärme, menschliche Nähe,
Freundlichkeit – einen, der den Arm um mich legt, bei dem ich mich geborgen
fühle: Wo ich schwach sein kann, wo ich meinen Kummer ablade. Und wo ich für
meine Freude ein Echo finde, dass ich mich erst recht freuen kann. Sage nun
niemand: Dies alles habe ich hinter mir, seit ich erwachsen bin. Wärme,
menschliche Nähe, Freundlichkeit – das mag für Kinder gut und schön sein. Aber
davon lebe ich nicht. Ich lebe von dem, was ich mir selbst zusammengebracht
habe: Köpfchen muss man haben, muss wissen, wie er durchkommt im Leben. Und muss
sich durchsetzen können. Es wird einem nichts geschenkt. Jeder muss sehen, wie
er durchkommt, seine Ziele erreicht, die Konkurrenten aussticht. Dann bringt
er`s auch zu etwas, kann vorweisen, dass er Erfolg gehabt hat: Ein Haus, ein
Auto, die Lebensversicherung und das Bankkonto. Davon leben wir doch: Köpfchen,
Durchsetzungsvermögen und das, was wir uns damit erworben haben! Wirklich? Hat
er nicht recht, der Prophet Jeremia, wenn er gerade davor warnt: „Ein Weiser
…Reichtums.“ Vielleicht kapiert es einer an Weihnachten noch am ehesten: Dass
wir davon nicht leben können. Dass wir Wärme brauche, menschliche Nähe,
Freundlichkeit. Mit Weisheit, Stärke, Reichtum ist das Leben noch lange nicht
gewonnen. Im Gegenteil: Da stiehlt sich einer selbst, was er braucht.
Darum sage niemand: Ich bin
kein Kind mehr. Ich brauche dies alles nicht mehr - Wärme, menschliche Nähe,
Freundlichkeit. Ich verlasse mich auf meinen klugen Kopf und werde mich schon
weiter durchsetzen, und habe vorgesorgt! „Ein Weiser… sondern wer sich rühmen
will…spricht der Herr.“ Was wir brauchen, das ist angezeigt mit dem Wort
„Gott“. Von Barmherzigkeit ist da die Rede, die Gott tut, von Recht und
Gerechtigkeit. Er kommt uns entgegen, jedem. Daran hat er Wohlgefallen, das
gefällt ihm. Gott: Wie oft nennen wir ihn. Der Herr: Wie leicht kommt uns sein
Name über die Lippen. Aber ist einer, der so Gott nennt, wirklich klug? So
klug, dass er kapiert hat, wovon er lebt? Dass er sich nicht auf seinen
Verstand verlässt, und nicht darauf, dass er sich schon durchsetzen wird, wenn
es darauf ankommt.
Dass er vielmehr von dem
lebt, über das er gerade nicht verfügt. Das sich nicht abrufen lässt, wenn
einer es braucht: Wärme, menschliche Nähe, Freundlichkeit. Die lässt sich nicht
ausdenken, vom gescheitesten Kopf nicht, die lässt sich auch nicht gewaltsam
herholen, und kaufen lässt sie sich erst recht nicht. Wer klug ist, der hat
genau das verstanden. Und hat dann auf jeden Fall schon angefangen, den Herrn,
Gott zu kennen, vielleicht ohne dass er das schon so genau weiß.
Gott: In seiner Weisheit hat
er sich nicht über uns erhoben. Nein! Er kommt uns entgegen. Nicht mit langen
und schweren Ermahnungen und Belehrungen. Da ist das Kind in der Krippe. Wer
merkt es nicht, wen rührt das nicht ans Herz? Nicht Weisheit ist da gefragt,
ein kluges Köpfchen, das besonders schlau sein will. Das Herz ist da gefragt,
das sich rühren lässt, das wahrnimmt, was wir zum Leben brauchen. Er hat seine
Stärke nicht ausgespielt, um sich gegen uns durchzusetzen. Er hat es auf sich
genommen, zu erleiden, was ihm Menschen antun - was wir Menschen einander antun
(auch jetzt in dieser Stunde; wir wissen das gut). Seinen Reichtum teilt er uns
mit, lässt uns leben, lässt uns vertrauen, lässt uns finden, was wir suchen:
Wärme, menschliche Nähe, Freundlichkeit.
Das tut er! Mit den großen
Worten gesagt: Und nun komme ich noch einmal zurück auf Weihnachten, das Fest
des Kindes und er Kinder: die wissen, was wir zum Leben brauchen, Wärme,
menschliche Nähe, Freundlichkeit. Sie wissen das, und suchen und finden, was
sie brauchen. Und wir sind doch gewiss keine Unmenschen, die ihnen das
verweigern wollten, sie zurückstoßen, wenn sie auf uns zukommen. Wer wendet
sich denn ab, verärgert und böse, wenn ihn ein Kind anlacht? So kommt Gott uns
entgegen: in diesem Kind, in den Kindern –aber doch nicht nur in ihnen. Wärme
brauchen wir, menschliche Nähe und Freundlichkeit. Wer wollte sie verweigern –
wollte klüger sein als Gott, und sich durchsetzen, und auf dem hocken, wovon er
doch nicht leben kann?
Herr unser Gott,
gib uns, was wir zum Leben
brauchen, Wärme und menschliche Nähe und Freundlichkeit, wie es dir wohl
gefällt. Wir bitten dich um Frieden in dieser friedlosen Welt. Gib du den
Menschen Einsicht und guten Willen. Lass die Mächtigen klug werden. Wir bitten dich
für die Unterdrückten in Afghanistan und Südafrika, für alle, denen ihr
Menschenrecht vorenthalten wird.
Wir bitten dich für alle die
es an diesem Abend besonders schwer haben, weil sie einsam sind, krank, in
Trauer, ohne Hoffnung und Vertrauen auf deine Hilfe. Nimm du, was sie quält,
und schenke ihnen, was sie brauchen wie wir alle.
Herr, von dir kommt unser
Leben, und zu dir gehen wir. Führe uns nach deinem Wohlgefallen. Amen