Septuagesimae 7.2.1982
Martin-Luther-Kirche, Büchenbach
Intr. 5
336, 1-4 All Morgen ist ganz frisch
182, 1-3 Es wolle Gott uns gnädig sein
244, 1-3 Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ
139 Verleih uns Frieden
Herr, unser Gott,
der du deinen Geschöpfen
gnädig zugewandt bist und erhält diese Welt trotz unserer Sünde und unseres
Unglaubens,
wir bitten dich,
gib uns Vertrauen in dein
Wort und führe unser Leben durch deinen Geist, dass wir dir dienen und dich
rühmen durch unseren Herrn Jesus Chrisus, deinen Sohn, der mit dir in der
Einheit des Geistes lebt und regiert in Ewigkeit. Amen
Liebe Gemeinde!
Es ist eigentlich eine ganz
einfache, eine fast selbstverständliche Mahnung, die ich heute auszulegen habe:
Nicht Eigenlob, sondern Gotteslob. Aber im Nachdenken über diese ganz einfache
Mahnung können wir weit weg geraten von unseren Selbstverständlichkeiten. Das
mag beschwerlich sein. Aber es ist sicher gut so. Denn es kann dann anzeigen,
dass uns Gottes Wort nicht sitzen lässt - sondern uns dorthin abholt, wo wir
leben können.
Mit einer ersten Überlegung
fange ich an: Brauchen wir denn überhaupt eine solche Ermahnung – nicht
Eigenlob, sondern Gotteslob? Wir wissen das doch: Sich selbst loben, das bringt
nichts ein – volkstümlich geredet: Eigenlob stinkt! Wer wirklich weise ist,
klug – der braucht das nicht herauszuhängen; die andern werden es schon merken.
Und wer stark ist, mächtig ist, der wird schon seine Anerkennung finden; es
kann ihm nur schaden, wenn er seine Macht immer noch einmal betont. Denn dann
könnten andere misstrauisch werden und denken, dass er mit dieser Macht
anscheinend doch nicht so weit her ist. Und wer reich ist, braucht noch lange
nicht mit diesen Reichtum zu protzen – Das ist unfein und zeigt, das einer
keine Lebensart gelernt hat. Eigenlob stinkt – und die Klugheit gebietet es,
solches Eigenlob bleiben zu lassen.
Brauchen wir also eine
solche Ermahnung? Nun meine ich, die Bibel sage uns gewiss nicht Überflüssiges
und Unbrauchbares. Darum nehme ich von vornherein an, dass hinter dieser
Mahnung eine notwendige und ernste Sache steckt. Doch damit die dann auch zum
Vorschein kommt, müssen wir ein bisschen tiefer gehen mit unseren Gedanken. Was
ist dann mit solchen Sichrühmen gemeint? Wohl kaum bloß dies, dass sich einer mit
Worten oder Handlungen anpreist – obwohl das heute auch gang und gäbe ist. Wir
sagen dann nur nicht Eigenlob, sondern gebrauchen da englische bzw.
amerikanische Worte: Da muss einer sein Image pflegen – seine Selbstdarstellung
in der Öffentlichkeit, der Politiker, der Spitzenathlet, der Playboy oder
Filmstar; aber auch Institutionen brauchen so etwas, ein Interessenverband wie
die Gewerkschaft, die Innung, die Unternehmer, erst recht ein Großbetrieb wie
beispielsweise Siemens. Dazu macht man public relations, die der öffentlichen
Selbstdarstellung dienen sollen.
Das ist schon ein bewusst
organisiertes und mit allen Mitteln der modernen Werbung durchgeführtes
Eigenlob. Aber so wichtige Leute sind wir alle nicht, dass wir ein Image zu
pflegen hätten und uns also einen eigenen Manager für unsere public relations
hielten. Und ein solches organisiertes Eigenlob, das ist noch vergleichsweise
harmlos und unwichtig gegenüber dem, was hier in
unserem Text in Frage steht.
Sich rühmen – das heißt da:
Sich darauf verlassen, sich Gutes erwarten, sein Leben darauf bauen. Und ich
will nun einmal ein bisschen umformulieren, was da genannt ist: Weisheit,
Stärke, Reichtum. Ich setze das nun einmal um in ein bisschen modernere Worte,
und sage, statt Weisheit nun Wissenschaft – und statt Stärke sage ich Technik –
und statt Reichtum sage ich Lebensstandard. Nicht auf Wissenschaft, Technik,
Lebensstandard sein Leben gründen, sondern auf den Herrn – der Barmherzigkeit,
Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden. So steht das hier. Ich habe zuerst
gefragt, ob wir denn solch eine Ermahnung überhaupt brauchen. Wir wissen doch,
dass Eigenlob stinkt, und verzichten darum gerne darauf, uns selbst zu loben.
Ich will und muss nun weiter fragen: Ist das denn überhaupt ein Gegensatz,
Wissenschaft, Technik, Lebensstandard – und Gott, der Herr, der Barmherzigkeit,
Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden. Wieder stehen wir da in der Gefahr,
unser Bibelwort wegzuschieben, weil wir meinen, das sei doch sonnenklar:
Wissenschaft, Technik, Lebensstandard – das sind gute Dinge, die zu unserer
Lebensführung dienlich und unentbehrlich sind. Das stimmt ja auch, und ich
brauche das gar nicht auszuführen, weil es offenkundig ist, wie unser Leben
erhalten und geschützt und bestimmt und bereichert ist durch diese Mächte.
Aber in diese scheinbare
Selbstverständlichkeit greift nun dieses Wort hinein: Nicht Wissenschaft und
Technik und Lebensstandard, sondern des Herrn Barmherzigkeit und Recht und
Gerechtigkeit. Damit wir uns dabei gleich etwas denken können, zeige ich hin
auf die Gaben des Abendmahls, die da auf dem Tisch dieses Herrn bereitstehen:
Da ist unser Herr Jesus Christus, da ist sein Leib, für unsere Sünden in den
Tod gegeben, da ist sein Blut, für uns vergossen: Gabe für uns, Gottes Angebot
– damit wir durch diese Gabe leben sollen. Barmherzigkeit: Das ist die
zuverlässige Hilfe, die keinen im Stich lässt – Recht, das ist die Gabe, die
für jeden gleich ist, weil jeder das Gleiche braucht – Gerechtigkeit, das ist
das, was ihm zu Leben hilft, ihn aus der Not herausholt. So sieht unser Gott
aus, mit seiner Dreiheit: Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.
Ich frage so: Ist das
überhaupt ein Gegensatz – Wissenschaft, Technik, Lebensstandard, und die Gabe
dieses Gottes? Geht es da nicht einmal um das äußere, leibliche Leben, und das
anderes Mal um das innere, geistliche Leben? So, dass da gar kein Gegensatz
wäre, sondern sich beides schön ergänzte?
Nun, das Wort hier sieht
eindeutig einen Gegensatz. Und ich meine, wir hätten es gar nicht so schwer,
den wahrzunehmen. Wir brauchen nur gegeneinander zu halten, was ich mit den
Ausdrücken Wissenschaft, Technik, Lebensstandard bezeichnet habe, und was da
als Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit bezeichnet ist. Wir brauchen nur
gegeneinander zu halten, was hier im Abendmahl geschieht, und wie es draußen
zugeht. Hier ist die zuverlässige Hilfe für jeden in Gottes Barmherzigkeit –
und draußen ist der Kampf darum, den Lebensstandard zu halten – und wir wissen
genau, was das uns und erst recht andere kostet – unsere Arbeitslosen, unsere
„Gastarbeiter“, erst recht unsere Rohstofflieferanten. Hier ist das Recht, für
jeden das, was er braucht: Leib und Blut Christi; Vergebung der Sünden und
Seligkeit. Und draußen stoßen Überfluss und Verschwendung unmittelbar zusammen
mit Elend, Hunger, bitterster Armut. Hier ist das, was jeder nötig hat, was ihm
sein Leben schenkt, was ihm wohl tut und ihn auf Gottes Zukunft hoffen lässt.
Dort ist der Druck, Leistung zu bringen, sich ständig neu zu bewähren, etwas
aus sich zu machen – und darüber zerrinnt uns das Leben wie Wasser, das wir mit
unseren Händen schöpfen wollen. Ich fragte: Ist das überhaupt ein Gegensatz,
dieses durch Wissenschaft, Technik und Lebensstandard bestimmte Leben, und
Gottes Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit.
Vergleichen wir`s, dann
sehen wir`s.
Und da kommt dann die letzte
Frage: Könne wir darum der Mahnung folgen? Wir können`s nicht! Der eine mag
sagen: ich halte mich zurück, steige aus. Der andere mag sagen: Es gibt viel zu
tun; packen wir`s an! Ich meine nicht, dass das groß hilft, das eine nicht und
das andere nicht. Sicher ist ein wenig Änderung besser als gar keine. Aber wir
würden uns doch schrecklich etwas vormachen, wenn wir meinten: Wir können`s zusammen bringen – unser Leben und Gottes
Tun, unser Leben in dieser Welt, und Gottes Tun, wie es uns im Abendmahl
begegnet. Wir schaffen die neue, schöne, gute Welt nicht. Wir sind Sünder, die
nur das Kyrie schreien können. Und sich ausstrecken nach Gottes Gabe. Und
warten, wo uns seine Wirklichkeit in unserer Welt begegnet. Und ihn loben, dass
er Gott ist.
Himmlischer Vater,
wir bitten dich für die
Gemeinde Jesu Christi an diesem Ort und in aller Welt; gib ihr Mut und Kraft,
deine Wahrheit und Liebe zu bezeugen und der Verführung durch alle
gottfeindlichen Mächte zu widerstehen.
Wir bitten dich für die
Staaten und Völker, für die Regierenden und die Regierten, für alle, die durch
ungerechte Herrschaft unterdrückt sind: Gib Freiheit, Frieden und Eintracht,
dass alle zu ihrem Recht kommen und wir mit einander leben können als deine
Kinder.
Herr, du erhältst und
vollendest deine Schöpfung in Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit. Wir
loben dich. Amen