8. April 1956 Quasimodogeniti Münsingen
79,1-6 Gelobt
sei Gott
86,1-4 Auf, auf
mein Herz
Tauflied 151,1+2
86,6+7 Ich hang
und bleib
Jh 20,24-29
Offb. 1,9.10.12-19
Liebe Gemeinde,
vor einiger Zeit sind durch die Presse Berichte gegangen von
einer Erscheinung Christi, die der gegenwärtige Papst Pius XII gehabt hat.
Sicher haben die meisten von euch einen dieser Berichte gelesen. Als der Papst
vor nun eineinhalb Jahren schwer erkrankt war sei ihm Christus in Gestalt eines
sanften Jünglings erschienen, und habe ihm gesagt, dass er diese Krankheit
überleben werde. Unwillkürlich musste ich an diese Berichte denken, als ich die
Worte des Sehers Johannes betrachtete, die ich euch heute auslegen soll. Denn
auch hier haben wir ja den Bericht von einer Erscheinung Jesu Christi. Aber
welch himmelweiter Unterschied ist zwischen dem sanften Jüngling mit dem
lockigen Haar und den milde blickenden Augen, den der Papst gesehen hat, und
dem, dessen Bild uns Johannes schildert. „Mitten unter den sieben Leuchtern
sah ich einen, der war eines Menschen Sohn gleich, der war angetan mit einem langen
Gewand und begürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und
sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie der Schnee, und seine Augen wie eine
Feuerflamme und seine Füße gleich wie Messing, das im Ofen glüht, und seine
Stimme wie großes Wasserrauschen; und er hatte sieben Sterne in seiner rechten
Hand, und aus einem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein
Angesicht leuchtete wie die helle Sonne. Und als ich ihn sah, fiel ich zu
seinen Füßen wie ein Toter.“ Wahrhaftig: Ein gewaltiger Unterschied
zwischen diesen beiden Erscheinungen. Und so harmlos der Jesus des Papstes
erscheint gegenüber dem Herrn, der i himmlischen Feuer glänzt, so harmlos und
uninteressant sind die Worte, die der Papst hört, gegenüber dem gewaltigen
Selbstzeugnis Jesu, das der Seher der Offenbarung aus einem Munde vernimmt. –
Ich möchte den Vergleich dieser beiden Christuserscheinungen nicht weiter
ausführen. Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Jedenfalls – eines ist mir
sicher: Nicht der sanfte, melancholische Jüngling, den wir von vielen Bilder
her kennen, und den jetzt auch der Papst gesehen haben will, ist der Herr, mit
dem wir es zu tun haben, jetzt in unserem Leben, in unserer Welt, und dann am
Jüngsten Tage, wo er kommen wird, die Lebendigen und die Toten zu richten.
Nicht der milde Nazarener, wie ihn sich der eine oder andere Künstler oder auch
der Papst Pius vorstellen mag, ist der Herr seiner Kirche. Lasst uns heute von dem
Seher der Offenbarung hören, wer er ist, dieser Herr, mit dem wir es zu tun
haben.
1. Die strahlende Herrlichkeit dieses Herrn ist für
menschliche Augen unerträglich, für menschliche Beschreibung unfassbar, für
menschliche Gedanken unerreichbar. – Das wird uns ganz deutlich, wenn wir
auf die Worte hören, mit denen Johannes die Lichtgestalt zu beschreiben sucht,
deren Anblick ihn zu Boden warf, dass er starr
und seiner Glieder nicht mehr mächtig dalag, wie wenn er gestorben wäre.
Das weißeste und klarste, das unsere Augen kennen: die gebleichte Wolle, der
Schnee, muss dazu dienen, die unvergleichlich größere Klarheit zu bezeichnen,
die vom Haupte des Herrn ausstrahlt. Das glühende Metall – wer einmal etwa bei
einem Glockenguss die glühende Masse aus dem Ofen sich ergießen sah, der weiß,
was gemeint ist - muss den Glanz, der von den Füßen des Herrn ausgeht,
verdeutlichen. Wie Feuerflammen strahlen seine Augen, und unerträglich wie der
Glanz der Sonne ist das Licht, das von seinem Angesichte ausgeht. Wie das Tosen
eines Wasserfalls klingt seine Stimme, und aus seinem Munde geht ein zweischneidiges
Schwert, das die durchbohrende Kraft seines Wortes bezeichnen soll. Immer
wieder spüren wir an der Schilderung des Sehers, wie die menschlichen Worte
nicht ausreichen, das auszusagen, was er gesehen hat, und das doch für
menschliche Sinne unfassbar ist. Nur Zeichen können die menschlichen Worte
sein, für diese Unaussprechliche Herrlichkeit und verzehrende Gewalt, der
Lebensfülle des auferstandenen Herrn. Nur schwache, unvollkommene Gleichnisse
können die Dinge dieser Welt sein, der Schnee, das glühende Metall,
Feuerflammen, Wasserrauschen, selbst der Lichtglanz der Sonne, Gleichnisse, die
uns nur eine ganz dunkle, unvollkommene Ahnung vermitteln können, von der
Herrlichkeit, die der ewige Vater seinem Sohn gegeben hat, als er ihn vom Tode
erweckte.
Liebe Freunde, wenn wir uns den Herrn Jesus Christus
vorstellen wollen, dann denke wir doch wohl alle zuerst an den gekreuzigten,
wie er uns in unseren Kirchen vor Augen steht. Und vielleicht steht er uns auch
vor Augen in irgendeinem einprägsamen Bild, vielleicht als der gute Hirte, oder
als der milde Heiland, der die Kinder segnet. Das ist sicher gut und richtig,
denn so, als der Mensch, uns gleich, der auf Erden wandelte, und dann am Kreuze
starb, hat sich Gott für uns fassbar gemacht. Aber lasst uns darüber nicht
vergessen: Dieser selbe Jesus Christus, der über unserem Altar am Kreuze hängt,
ist der Erhöhte, ist der, den der Seher Johannes in seinem strahlenden Glanze
schaut. Er ist der, dessen strahlende Herrlichkeit für menschliche Augen
unerträglich ist, für menschliche Worte unfassbar, für menschliche Gedanken und
Vorstellungen unerreichbar ist. Das ist der Herr, mit dem wir es zu tun haben.
2. Doch wir erfahren mehr von diesem Herrn: Er ist für
uns da in der Gestalt seines Wortes, er ist da als der, welcher mit seiner Gemeinde
verkehrt durch sein Wort. Das ist ja der Auftrag an den Seher Johannes, um
deswillen dieser einer Erscheinung des Herr gewürdigt wurde: „Schreibe, was du
gesehen hast, und was da ist, und was geschehen soll darnach.“ So haben wir es
mit diesem Herrn zu tu8n, dass er zu uns redet in dem Wort seiner Apostel und
Propheten in der Heiligen Schrift. Es mag wohl manch einer von uns hin und
wieder geseufzt oder geklagt haben darüber, dass es in unserer Kirche so wenig
zu sehen und so viel nur zu hören gibt. Liebe Freunde, könnten wir es wirklich
wagen, ihn zu bitten, dass er uns erscheine in seiner himmlischen Herrlichkeit,
so wie er Johannes, dem Seher der Offenbarung erschienen ist? Wie sagt er über
die Wirkung dieser Erscheinung? „Und als ich ihn sah, fiel ich hin zu seinen
Füßen wie ein Toter.“ Haben wir das bedacht, genügend bedacht, wenn wir über
die Armut der Kirche klagten, die nur das Wort habe und sonst nichts. Haben wir
die Gnade und Herablassung des Herrn genügend erkannt, der gerade nicht in
seinem unerträglichen, himmlischen Lichtglanz sich uns naht, vor dem uns die
Sinne schinden müssten, sondern der zu uns redet, so redet, dass wir darüber
nachdenken können! Dass wir lernen können, das Stück für Stück zu fassen du zu
begreifen, was er uns sagen will. Dass wir untereinander darüber sprechen
können, dass Einer dem Anderen erklären und ihm zum rechten Verständnis helfen
kann. So handelt dieser Herr mit uns, dass er durch seine Propheten zu uns
redet, so haben wir mit ihm zu tun, dass wir hören auf sein Wort im glaubenden
Gehorsam.
3. Doch wir haben noch nicht genug gesagt über den Herrn,
mit dem wir es zu tun haben, wenn wir uns nur seine gewaltige, all unser
Begreifen und Vorstellen übersteigende Herrlichkeit zu verdeutlichen versuchen.
Wenn wir seine gnädige Herablassung darin erkannt haben, dass er sich uns
gerade durch sein Wort naht. Nein! Erst dann haben wir sein Wesen richtig
erfasst, wenn wir die Verheißung erfasst haben, die darin liegt, dass wir es
mit diesem Herrn zu tun haben: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der
Letzte und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit
zu Ewigkeit und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.“ Das ist der Herr,
mit dem wir es zu tun haben, der seine Hand auf uns legt, uns zu seinem
Eigentum nimmt. Er, der Einzige, der das sagen kann: Ich war tot! Der Einzige,
für den der Tod Vergangenheit ist, und nicht Zukunft oder Gegenwart. „Ich war
tot“ – damit weist er hin auf sein Menschenleben, das ihn ans Kreuz und in den
Tod geführt hat. Er ist ja kein Himmelswesen, dieser Herr, mit dem wir es tun
haben, Himmelswesen, das nicht wüsste, was es heißt, ein Mensch zu sein, das
nicht wüsste, was es heißt, die Macht des Todes zu spüren, der seine kalte Hand
auf jedes Leben legt; ist kein Himmelswesen, das nicht wüsste, was es heißt,
einen Menschen sterben zu sehen, vor einem Sarg zu stehen, der einen umschließt,
mit dem wir eben noch zusammen waren. Mehr noch, liebe Freunde!, er hat hinter
sich gebracht, was vor uns allen liegt: Zu sterben. Er ist über die Schwelle
geschritten, vor der uns allen graut. Er ist den Weg gegangen, von dem Keiner
mehr zurück kommt. Doch er ist zurück gekehrt, er war stärker als der Herr
dieser Welt. „Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu
Ewigkeit, und habe die Schlüssel des Todes und er Hölle.“ Darum ruft er uns
diese Wort zu: „Fürchte dich nicht!“, weil er sich als der Stärkere gezeigt
hat. Weil er überwunden hat, was uns unüberwindlich scheint. Wie er die letzte
unübersteigbare Schranke nieder gerissen hat, die unserem Menschenleben gesetzt
ist: Die Schranke des Todes und der Totenwelt. Er ist der Stärkere gewesen, und
weil wir zu ihm gehören, darum gilt für uns dies Wort in seinem letzten und
tiefsten Sinne: Fürchte dich nicht! Das ist der Herr, mit dem wir es zu tun
haben: Der von Gott erhöht ist über alles, was wir denken und wahrnehmen,
fassen und begreifen können. Und der doch sich gnädig zu uns naht in seinem
Wort, der uns zu seinem Eigentum erklärt, der seinen Macht über uns geltend
macht, selbst gegen den Tod. Amen.