Vorl. Sonntag d. Kirchenjahres 19.11.2000

Peter und Paul, Erlangen-Bruck


280, 1.2 Es wolle Gott …

Psalm 126 (788)

149, 1.5.6 Es ist gewisslich…

347, 1-6 Ach bleib mit deiner Gnade

421 Verleih uns Frieden


Matthäus 25, 31-46

Offenbarung 2, 8-11


Du unser Gott regierst Menschen und Völker, auch wo wir das nicht wahrnehmen und erkennen.

Wir bitten dich: Bring uns zurecht in dem, was du uns schickst, damit wir dich bezeugen und ehren durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus, deinem Sohn, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und regiert in Ewigkeit. Amen


Volkstrauertag, 19.11.2000

Offenbarung 2, 8-11


Liebe Gemeinde!

Es ist gut, dass sich der vorstellt, der da zu uns redet: „Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden.“ Wir wissen, wer das ist: Jesus Christus. Der Seher der Offenbarung schildert im ersten Kapitel, wie er diesen Jesus Christus als die strahlende Lichtgestalt schaute, als den Sieger, dessen endgültiger Sieg über das Böse, über den Satan wie über den Tod und alle ihre Helfer und Helfershelfer dieses Buch der Offenbarung dann in gewaltigen Bildern schildert. Er ist der Sieger, der Erste, der den Tod überwunden hat, und der Letzte, der am Ende triumphieren wird. Noch einmal sage ich das: „Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden.“ Er spricht, er tröstet, er verheißt.

Wir kennen ihn, diesen Sieger; nicht nur als die Lichtgestalt, wie sie der Seher Johannes schildert. Wir kennen ihn aus den Erzählungen der Evangelien, wir kennen ihn aus vielen Bildern. Und vor allem ist da das Bild des Gekreuzigten mit der Dornenkrone, das sich uns allen eingeprägt hat.

Der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden.“ Das ist der Sieger, dessen Sieg nicht nur eine vorübergehende kurze Episode ist. Wir kennen sie ja, die Sieger von heute: Die auf dem Fußballfeld, und auf der Aschenbahn, und auf der Rennpiste. Namen brauche ich nicht zu nennen. Die Sieger im Wettkampf der Forscher, die in ihrem Fach den Nobelpreis erhielten. Die Sieger im wirtschaftlichen Wettbewerb, Bosse und Manager. Die politischen Sieger, die ihre Wahl gewonnen und ihre Konkurrenten aus dem Feld geschlagen haben. Ihre Namen kennen wir. Aber die Sieger von gestern: Die haben wir schon längst vergessen. Und die Sieger von morgen - die kennen wir natürlich noch nicht. Aber dass wir dazu gehören wollen und dazugehören sollen, das Power-Seminar verspricht jedem von uns den Weg zum Erfolg – es kostet natürlich auch eine Menge Geld. Aber die Erfolgsmenschen sind ja gefragt, die „winner“, nicht die Verliererherzen, die „loser“.

Freilich: Wo sind sie dann, die Sieger von gestern? Längst vergessen sind sie. Vielleicht wollen wir sie auch vergessen: Jene zum Beispiel, die uns von Sieg zu Sieg bis hin zur endgültigen Niederlage führten. Die uns nationale Größe versprochen haben, und Opfer forderten, vom eigenen Volk und erst recht von denen, die dem Wahn von der eigenen Größe im Weg standen. Ich schäme mich, wenn ich daran denke. Aber das muss sein, gerade am heutigen Volkstrauertag. Es ist schnell vorbei mit den Siegern und mit ihren Siegen. Und ich finde es schrecklich und doppelt beschämend, dass der Traum vom deutschen Sieg unter uns weiter geträumt wird, und junge Leute sich einreden lassen, sie seien Sieger, wenn sie auf einem jüdischen Friedhof Grabsteine umstoßen, oder auf ein Erinnerungsmal Hakenkreuze schmieren, oder einen Brandsatz auf eine Synagoge werfen.

Der hier zu uns redet, der bleibt, „der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden.“ Warum das so ist? Eine Antwort will ich versuchen: Seinen Siegesweg säumen nicht die Opfer, die Verlierer, die nicht mitgekommen sind, die aus dem Weg geräumt wurden, die man verheizt hat, damit das Siegesfeuer brennen konnte. Auf die sportlichen, auf die wirtschaftlichen erst recht auf die politischen Sieger und ihre Siege müssen wir das beziehen. Da sind die Opfer, die Verlierer, die Ausgebeuteten, die Zurückgebliebenen, die Unzähligen, die ihr Leben verloren haben, damit sich die Sieger eine kleine Zeit im Ruhm ihres Sieges sonnen konnten. Bei ihm, der da zu uns redet, ist es anders. Sicher, auch sein Name, seine Lehre, sein Glaube sind missbraucht worden, um Siege zu feiern und Opfer zu rechtfertigen. Ich habe auf Siegerdenkmälern das Wort eingraviert gesehen, das hier in unserem Textabschnitt steht „ Sei getreu bin in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Aber er selbst, der tot war und lebendig geworden ist, der fordert die Treue und verspricht den Lohn. Darum ist es gut, dass er sich so deutlich vorstellt.

Seinen Siegesweg säumen nicht die Opfer, wie wir das sonst nur zu gut kennen. Er nimmt sie an und nimmt sie mit, gerade die, die man sonst zu den Verlierern zählt. Nur dieses Wort nenne ich: „ Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Wir kennen ihn nicht nur als die Lichtgestalt, wie sie der Seher Johannes im Eingangskapitel seiner Offenbarung schildert. Wir kennen ihn aus Erzählungen und Bildern, wir kennen ihn als den Helfer und Heiland, wir kennen ihn als den Gekreuzigten mit der Dornenkrone. Bei ihm zu bleiben, dazu werden wir aufgefordert. Das meint dieser Spruch: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Das verlangt, sich im Zweifel auch gegen die zu stellen, die in der Mehrheit sind, die Meinungsführer, die das große Wort und oft genug auch die Macht haben. Hier im Text wird dazu als Beispiel eine jüdische Gruppierung in Smyrna genannt; Leute waren das, die Macht hatten, die kleine Christengemeinde an diesem Ort zu bekämpfen. Mit dem bösen Wort „die Synagoge des Satans“ werden sie beschrieben.

Es gilt, denen zu widerstehen, die von uns verlangen, dass wir ihnen folgen, dass wir für ihre Siege Opfer bringen. Vielleicht ist es da besser, zu den Verlierern zu gehören. So, wie das hier der Christengemeinde in Smyrna gesagt wird: „Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut – Du bist aber reich.“ Die Verlierer sind die Sieger. „Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst! Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage“ – also eine kurze, begrenzte Zeit. Es muss nicht diese äußere Bedrängnis sein; aber es wird doch nicht abgehen ohne die Unterscheidung von dem, was allgemein gilt, von den Siegern, die uns als Vorbilder hingestellt werden. Wer zu diesem Sieger Christus gehören will, der braucht Kraft, um der Verführung dessen zu widerstehen, was alle gut, richtig und erstrebenswert finden.

Mein jüngster Sohn – das ist nun schon viele Jahre her – kam einmal von der Schule heim. Das war zu der Zeit, als sie sich in der Pause herum geprügelt haben, um die Rangordnung festzulegen. Da sagte er: „Gelt, wir Deutschen haben es gut. Wir brauchen keinen Krieg mehr zu führen. Wir haben ja schon gegen alle anderen verloren.“ Er hat sich das so ausgedacht, dass die Verlierer doch auch die Gewinner sein können, wenn man genauer zu sieht. Schön wäre es, so habe ich damals gedacht, und denke heute erst recht so. Aber ihr wisst so gut wie ich, dass es so einfach nicht geht. Wir sind hinein gebunden in eine Dynamik des gesellschaftlichen Lebens, die Sieger macht und Sieger feiert, nicht bloß im Sport, sondern erst recht in den Auseinandersetzungen der Wirtschaft wie der Politik. Sich daraus zurückzuziehen, das ist nicht möglich. Und hier und dort ist auch unsere Verantwortlichkeit gefragt, damit Fairness und Recht und Moral nicht ganz verkommen. Aber wir sehen darüber hinaus, wenn wir auf den sehen, der da zu uns redet. Darum wissen wir, dass es eine höchst fragwürdige Sache ist, hier und dort nur und allein auf den Sieg auszugehen. Wir sehen die Opfer; wir können uns zu ihnen stellen, vor sie stellen. Vielleicht ist das ein ehrenvollerer Platz als der auf dem Siegertreppchen, nach dem sich alle drängen.

Der Sieger jedenfalls, der da zu uns redet, fordert uns auf, bei ihm zu bleiben. Und verspricht, gerade dann bei uns zu sein: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet“ – wer siegt, indem er bei dem Christus bleibt, so heißt das, - „Dem soll kein Leid geschehen von dem zweiten Tod.“ Da ist es nicht bald zu Ende, wie bei all unseren Siegern. Da bleibt das Leben mit dem, der sich uns hier verspricht: „Sei getreu…“


Dreieiniger Gott!

Du bist Anfang und Ende der Erste und der Letzte. Du hast unsere Welt in Händen.

Wir bitten dich für deine Gemeinde an diesem Ort und in aller Welt: Lass sie deine Herrschaft bezeugen zur Zeit und zur Unzeit, ohne Furcht und allein durch dein Wort geleitet.

Wir bitten dich für die Völker und Staaten, für die Menschen, die Gewalt erleiden und für alle, die Macht ausüben. Gib du, dass allen ihr Recht werde und Friede komme und bleibe. Mach du dem Hass und Blutvergießen im heiligen Land ein Ende und schaffe Versöhnung und Einvernehmen bei denen, die sich dort bekämpfen.

Gib allen Menschen, was sie brauchen, Brot und Arbeit, Heimat und Anerkennung. Wehre der Ausbeutung deiner Schöpfung und bewahre sie in ihrer Güte und Schönheit.

Besuche die Einsamen und Kranken, geleite die Sterbenden, tröste die Trauernden.

Du allein kannst zurecht bringen, was gestört ist. Auf deine Gerechtigkeit vertrauen wir.

Amen


Am heutigen Volkstrauertag gedenken wir vor Gott alles dessen, was wir als Deutsche persönlich erlitten und getan haben, aber auch dessen, was wir als Volk erlitten, was wir anderen angetan haben. Wir können und wollen dies nicht aufrechnen mit dem, was andere erlitten und getan haben. Gott selbst ist es, der richtet in seiner unbestechlichen Gerechtigkeit und Weisheit. Ihn bitten wir: Gott sei uns Sündern gnädig.

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